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Ja zu Eigenart und Einheit

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Von der Entwicklung einer Welt, in der Länder, Kulturen und Kontinente immer näher aneinanderrücken, ist auch die katholische Kirche betroffen, vor allem das universale Leitungsamt des Papstes. Die auffallend häufigen Reisen Johannes Pauls II. sind eine Folge davon.

Wer auf die bisherigen großen Auslandsreisen zurückblickt - Polen, Mexiko, Irland, USA - wird sich an die machtvollen Manifestationen der Ortskirchen erinnern, die alle ihre verschiedene Eigenart zeigten, sich aber dennoch als Teil einer gemeinsamen Kirche, symbolisiert in der Person des Papstes, verstanden.

In der Stärkung dieser beiden Pole der kulturellen, völkischen und politischen Eigenart der vielen Teilkirchen und der übergreifenden katholischen Einheit - liegt der eigentliche Sinn und Wert dieser Papstreisen, die weit mehr sind als geschäftige vatikanische Reisediplomatie.

In diesem Rahmen sind auch die heurigen Reisen zu sehen. Sie alle führen in die südliche Hemisphäre: Afrika (2. 12. Mai), Brasilien (voraussichtlich 2.-13. Juli) und sehr wahrscheinlich die Philippinen (Spätherbst?).

Alle diese Länder gehören der Dritten Welt an, in der sich ein gigantisches Bevölkerungswachstum zeigt, was zu einer Umverteilung in der Weltbevölkerung führt. Lebten 1900 in Europa und Nordamerika 392 Millionen Menschen und werden dort im Jahr 2000 voraussichtlich 796 Millionen leben, so lebten um 1900 in der vorwiegend südlichen Hemisphäre (Asien, Afrika, Australien, Lateinamerika) nur 67 Millionen Menschen, werden aber um 2000 schon 1118 Millionen sein.

Lebten um 1900 noch 85 Prozent aller Katholiken in der nördlichen Hemisphäre und nur 15 Prozent in den Ländern der Dritten, südlichen Welt, so werden um 2000 voraussichtlich nur noch 32 Prozent in der Ersten und Zweiten Welt und bereits 58 Prozent aller Katholiken in der Dritten Welt leben.

Diese Entwicklung erfüllt diese Länder mit neuem Selbstbewußtsein, zumal dort, wo sie sich aus der kolonialen Bevormundung befreien konnten.

„Im radikalen Umbruch dieser ehemaligen Kolonien ist der heute noch bestehende Quasi-Kolonialismus ein ernstes Missionshindernis. Das Christentum wird als importierte Religion empfunden und kann daher als Ortskirche nicht recht Wurzeln schlagen”, erklärte ein Bischof während der römischen Bischofssynode, die 1974 über die Evangelisierung der Völker beriet.

Zugleich bekräftigen die afrikanischen Bischöfe auf der genannten Synode die Notwendigkeit, „das Band der Einheit innerhalb der Universalkirche, vor'allem mit dem Apostolischen Stuhl, zu stärken”. Eine Stärkung dieses Bandes ist auch der Sinn der Reise Johannes Pauls II. nach Afrika, deren äußerer Anlaß u. a. die Feiern des hundertjährigen Bestehens der katholischen Kirche in Zaire und Ghana sind.

Afrika ist ebenso ein alter wie junger Kontinent. Die Gesamtbevölkerung vermehrte sich zwischen 1930 und 1965 um 90 Prozent, was die erstaunliche Tatsache mit sich bringt, daß fast die Hälfte Jugendliche unter 15 Jahren sind. Von diesem starken Wachstum ist auch die katholische Kirche betroffen. Zählte man 1960 nur 23 Millionen Katholiken, so werden es im Jahr 2000 voraussichtlich 175 Millionen sein.

Nüchtern muß allerdings angemerkt werden, daß das innere Erstarken der Kirche mit diesem enormen zahlenmäßigen Anstieg nicht Schritt hält.

Dieser Kontinent erlebte zwischen 1945 und 1965 einen starken Entkoloni-sierungsprozeß. In einem langen, mühevollen und bisweilen auch blutigen Lernprozeß begann die Bevölkerung die Unterschiede zwischen europäischen Händlern und Soldaten einerseits und christlichen Missionaren anderseits zu sehen.

Die Ausweisung vieler weißer Missionare erwies sich in der Regel als nachhaltige Schwächung der Ortskirche, beschleunigte aber auch den Afri-kanisierungsprozeß der betroffenen Ortskirchen - ein Prozeß, den Rom zwar nicht ohne Sorgen und Reserven, doch grundsätzlich positiv beurteilt.

Seit dem Besuch des Papstes Paul VI. in Afrika 1969, der im Zeichen von Optimismus und neu entdecktem Selbstbewußtsein stand, ist der afrikanische Kontinent von einer starken, schmerzhaften und zugleich gesunden Ernüchterung heimgesucht worden. Die Afrikaner mußten lernen, daß die Verlockung des westlichen Lebensstandards nicht ohne harte, weitblickend geplante und nicht selten hochqualifizierte Arbeit zu erhalten ist.

Die zum größten Teil aus weißen Händen übernommene Wirtschaft leidet fast überall unter Korruption und Fehlplanung. Diktaturen haben junge demokratische Regierungen verdrängt bzw. gestürzt, alte Stammesrivalitäten nagen an der Einheit der jungen Staaten.

Und dennoch schmeichelte der Papst nicht, wenn er in der Ankündigung seiner Reise sagte: „In einer geradezu spontanen Weise bringen die Afrikaner ihr Leben mit der Welt des Unsichtbaren in Verbindung. Sie erkennen die Allgegenwart Gottes an und beten gerne zu ihm.”

Die tiefe Religiosität der Afrikaner ist freilich nicht so intellektuell wie die europäische. Sie ist vielmehr von spontaner und vitaler Lebensfreude erfüllt, daher auch das große Interesse an einer möglichst eigenständigen Liturgie.

Die Laien tragen in den meisten afrikanischen Ortskirchen wirkliche Mitverantwortung. Das Wirken Tausender von Katechisten ist eine der großen Kräfte dieser jungen Kirche.

Im Reiseprogramm fällt auf, daß der Papst kein arabisches und mehrheitlich muslimisches Land besucht, auch nicht das südliche Drittel des Kontinents sowie keine der ehemals portugiesischen Kolonien, die heute alle unter marxistischen Regierungen leben.

Erste Station wird Zaire sein (2.-6.), ein zu 40 Prozent katholisches Land, dessen Größe fast an Indien reicht. Von dort macht er einen kurzen Abstecher in die Volksrepublik Kongo (5. Mai) und fährt von Zaire aus in das östlichst gelegene Land Kenia (6.-8. Mai).

Der Papst reist dann nach Ghana (8.-10.), wo er u. a. auch mit dem neuen anglikanischen Erzbischof von Canter-bury und Primas der anglikanischen Kirche, Robert Runcie, zusammentrifft. Von dort reist Johannes Paul II. in das nördlich gelegene Obervolta (10.), ein armes, unfruchtbares und von Dürrekatastrophen heimgesuchtes Land mit einer heidnischen Mehrheit von 65 Prozent.

Letzte Station ist die Elfenbeinküste (10.-12.), ein im Süden vorwiegend christliches, stark europäisch geprägtes Land mit 12 Prozent Katholiken, das in den letzten 20 Jahren einen starken sozialen Aufschwung erlebte. Der Anteil der Katholiken, die vorwiegend im Süden leben, beträgt 12 Prozent, der der Muslime, die vorwiegend im Norden leben, 20 Prozent.

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