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Androsch: Verhältnis zu ÖVP-Spitze getrübt

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FURCHE: Der „Kurier“ hat den ersten Klausurbericht überschrieben mit „SP und VP garantieren Belastungsstopp“, die „Kleine Zeitung“ mit „Nach Wahlen Milch, Bahn und Post noch teurer“, die „Presse“ mit „Nichts als Zuckerln“. Alle beriefen sich aufSi,e. Wem geben Sie recht?

ANDROSCH: Hier noch am ehesten der „Kleinen Zeitung“, weil das den Tatsachen entspricht. Wenn jemand sagt, es werde in den nächsten Jahren überall Anpassungen bei Löhnen, bei Gehältern, bei diesen oder jenen Preisen auch bei größtmöglicher Stabilität geben, aber im öffentlichen Bereich nicht, so entbehrt das jeder Seriosität und Glaubwürdigkeit..

Wir haben schon bei der Erstellung des Budgets 1979 Maßnahmen gesetzt, um die Budgetsituation 2x1 verbessern, und wir haben immer gesagt, daß bei den öffentlichen Preisen und Tarifen natürlich auch Anpassungen notwendig sind, besser in kürzeren Abständen und in kleineren Schritten als nach langer Zeit große Sprünge, was auch psychologisch

schlecht ist. Das wird auch in der nächsten Legislaturperiode so sein, und wir haben beispielsweise per 79 eine erste Etappe beim Abbau gewisser Subventionen - etwa bei Milch -vorgenommen und schon angekündigt, daß wir beabsichtigen, eine weitere - mit allen sozialen Begleitmaßnahmen - vorzunehmen.

FURCHE: Gab es also bei der Klausur keine „Wahlzuckerln“?

ANDROSCH: Wenn man in der Förderung der Wirtschaft ein „Wahlzuckerl“ sieht, dann muß ich sagen: Für ein „Zuckerl“ ist mir das Paket, das weit in die achtziger Jahre reicht, wahrlich viel zu teuer. Und dann ist jede fördernde Maßnahme ein „Zuk-kerl“.

FURCHE: Sie sprachen von Preiserhöhungen im öffentlichen Bereich in kürzeren Abständen. Können Sie eine Prognose abgeben, wie sich die Inflationsrate bis Ende 1979 entwik-keln wird?

ANDROSCH: Für diesen Zeitraum kann man das mit einiger Sicherheit tun, ausgenommen Fälle, daß es zu einer Vervielfachung des ölpreises oder solcher „erratischer“ Dinge kommt, die weltpolitisch verursacht sein können. Von solchen Fällen abgesehen, wird die Inflationsrate im Jahr 1979 gegenüber 1978, wo sie im Jahresschnitt 3,5 Prozent beim Verbraucherpreis betragen hat, weiterhin sinken. Ich erwarte im Frühjahr durchaus einige Monate, wo der Verbraucherpreisindex sogar weniger stark als drei Prozent steigen wird, also zwei Prozent und irgendetwas hinter dem Komma.

FURCHE: Was sind die generellen Richtlinien, die der Anfang Februar zusammentretenden Steuerreformkommission für ihre Arbeit vorgegeben werden?

ANDROSCH: Weniger Ausnahmen und geringere Steuersätze, um es ganz einfach zu sagen. Hier geht es um eine neutrale Veränderung, indem man auf der einen Seite einen Wust von Ausnahmen, die zum Teil nur mehr für Fachleute überschaubar sind, beseitigt, aber gleichzeitig mit dem dadurch freiwerdenden Geld die Steuersätze in einem ebenso großen fiskalischen Ausmaß senkt.

FURCHE: Ist auf Grund der im Vorjahr heftig geführten Diskussion über Ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse Ihr persönliches Verhältnis zu Politikern der Opposition getrübt worden?

ANDROSCH: Daß solche Vorgangsweisen, wie sie sich vor allem im vergangenen Jahr gezeigt haben, wo man sich nicht nur so verurteilter Personen wie des Herrn Pretterebner

bedient, sondern das ÖVP-offizielle Organ in diesen Dienst gestellt hat, daß das nicht gerade die Beziehungen zu den dafür Verantwortlichen -und das ist die ÖVP-Spitze - fördert, nun, das liegt auf der Hand.

Mein Verhältnis ist da gar nicht so relevant, das ist dann eine Frage der politischen Einschätzung der Partner oder Gegner, wobei, wenn man Gegner sagt, ich für meinen Teil davon ausgehe, daß das in einer Demokratie nie in Feinschaft ausarten soll. Diese Methoden sind aber mehr als feindschaftlich, sie sind aus der untersten Lade des Repertoires. Und sie siedeln in der gegenwärtigen ÖVP-Spitze, ich will da gar nicht die ganze Partei damit identifizieren.

FURCHE: Aber die Herren Taus, hanner und Mock?

ANDROSCH: Wer da wofür verantwortlich ist in der ÖVP, damit habe ich mich nicht so sehr beschäftigt. Ich glaube nicht, daß man hier die drei - da würde man Unrecht tun - in einen Topf werfen kann. Die Spitze ist die Spitze. Ich meine, Klubobmann ist etwas anderes, und der Generalsekretär hat sich eigentlich aus diesen Methoden immer herausgehalten.

FURCHE: Bleibt noch der Parteiobmann ...

ANDROSCH: Na, der ist sicherlich unmittelbar verantwortlich, weil ihm ja auch die Geschäftsführung, in deren operative Verantwortung das alles fällt, unmittelbar untersteht.

FURCHE: Könnten Sie sich trotzdem vorstellen, einer Regierung, die

von SPÖ und ÖVP gebildet wird, anzugehören?

ANDROSCH: Ich halte diese Kombination eher für die unwahrscheinlichste, denn das Grazer Beispiel, wo ja der ÖVP von uns der Bürgermeister sogar angeboten war und sie diese Möglichkeit nicht benutzt hat, zeigt doch deutlich, daß hier eine andere Raison hinter der Entscheidung gestanden hat, also daß es hier sicher ganz andere Absichten gibt, und das ist die tatsächliche Alternative.

FURCHE: Das heißt, bei Verlust der absoluten Mehrheit für die SPÖ halten Sie eine ÖVP-FPÖ-Koalition für das Wahrscheinlichste?

ANDROSCH: Ich glaube, daß das die Absicht der ÖVP-Spitze ist, denn anders hätte das Grazer Beispiel ja keinen Sinn.

FURCHE: Sie schließen jedenfalls für Ihre Person nicht - wie etwa der Bundeskanzler - eine Zugehörigkeit zu einer nicht allein von der SPÖ gebildeten Regierung völlig aus?

ANDROSCH: Ich glaube, bis zum 6. Mai geht es darum, Wahlen zu schlagen, Abgeordnetensitze zu erringen, und nach dem 6. Mai muß man sich ansehen, wie die Dinge zu beurteilen sind und welche Konsequenzen sich ergeben in der Richtung, in bestmöglicher Weise seine eigenen Vorstellungen verwirklichen zu können. Das ist ja in Wahrheit das Entscheidende. Natürlich geht es am besten, wenn man die „Absolute“ hat, und sonst, trenn es geht, in einer dafür geeigneten Form.

FURCHE: Was wird Ihrer Meinung nach das Hauptthema, was werden die Hauptargumente in der Wahlwerbung sein?

ANDROSCH: Ein zentrales Thema wird Wirtschaftspolitik mit Arbeitsplatzsicherung, Arbeitsschaffung bilden, den zweiten Schwerpunkt sicher die Energiepolitik und alle Maßnahmen, die hier notwendig sind, das dritte Thema diese Problematik in der Steuerpolitik, die ich vorhin angedeutet habe.

Und schließlich - damit zusammenhängend - wird zu erklären sein, daß wir sicher eine ganze Menge Kredite, wenn Sie wollen: Schulden gemacht haben, ungefähr 155 Milliarden seit 1970, daß wir aber für 300 Milliarden Schilling damit oder dadurch zusätzliche Aufträge gegeben und Werte geschaffen haben, die Generationen zur Verfügung stehen werden, wie Arlberg-Tunnel, Tauernautobahn, eine Vielzahl von Schulen, Investitionen bei Bahn und Post. Und es ist gerechtfertigt, daß hier künftige Generationen auch für die Nutzung zahlen.

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