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Das Leben verteidigen

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Zum zehnten Mal begeht die katholische Kirche einen Weltfriedenstag, mit dem sie sich über die Gläubigen hinaus an alle Menschen und insbesondere auch an die Regierungen wendet. Der jährliche Bericht des Staatssekretariats über die Aufnahme dieser Initiative drückt denn auch die Antwortnoten vieler Staatsoberhäupter ab. Der Termin, 1. Jänner, hat den Vorteü der Einprägsamkeit, was noch nicht Popularität bedeuten muß. Die Gefahr ist, daß der Friedensappell in die Nähe von Neujahrsreden und -wünschen unverbindlicher Art rückt

Es gibt andere Bewegungen, die gleichfalls ihren Friedenstag propagieren, wie den Weltfriedensrat, der einmal in Wien saß und als kommunistisch angesehen wird. Er hat seinen Friedenstag im September angesetzt. So mag es auffallen, daß sich die Kirche mit einem jährlichen Gedenktag, wenn nicht in Terminabsprache, so doch der Idee nach, in die Nachbarschaft von Friedensbewegungen begeben hat. Selbst der optimale Erfolg des kirchlichen Tages durch allgemeine Annahme durch andere, enthielte wieder das Risiko des Dialogs in sich, vom Frieden zu sprechen, obwohl das Wort inhaltlich disparat gebraucht wird und im Randdruck starker politischer Interessen liegt.

Als Motto griffen die vatikanischen Stellen für den 10. Weltfriedenstag am 1. Jänner 1977 das Wort heraus: „Wenn du den Frieden willst, verteidige das Leben!“ Wer wie die Kirche heute alles für den Frieden tun will, muß sich um ein aktuelles Friedensideal im Dienste aller Menschen mühen, bereit, jedes Friedens- oder Ordnungssystem auf dieses Ideal hin zu kritisieren, um realistisch auf Besseres hinzuwirken. Es war für die Kirche nicht so einfach, nach Perioden des Rückzugs in einen inneren Frieden sich in ständiger Aktion dem irdischen Frieden voll zuzuwenden, von dem Johannes XXIII. sagte, er sei auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe basiert (Pa-cem in terris, Nr. 80 ff.).

Um so entscheidender ist also das erklärende Wort der Kirche zum Friedenstag als auch die Einbettung in eine die Kirche von ihrer Sendung her voll integrale Heüssendung im Dienste auch des irdischen Friedens. Dazu hat das II. Vatikanum in „Gaudium et spes“ im Kapitel zu Frieden und Krieg den hervorragenden ideellen Grund geliefert. Die pastorale und öffentliche Aktion der Katholiken freilich ist noch eine eher schwache Reaktion auf diese schönen Ideen.

So erhebt sich die Frage nach dem Kriterium des wahren und gerechten Friedens. Für die erwähnte Parole ist es nach einem ersten vatikanischen Kommentar das irdische Leben als das nächste der vergängüchen Güter: Friede ist Leben - Krieg ist Tod. Das Gut des Lebens ist gleicherweise schütz- und förderungsbedürftig gemäß seines Wertranges im individuellen und gesellschaftlichen Bereich.

Ist im Krieg notwendig Beeinträchtigung und physische Vernichtung menschlichen Lebens als Mittel im Kampf zugelassen, wenn nicht einfach intendiert, so stellt er sich eigentlich nur als Sonderfall besonderer Grausamkeit und Intensität aller Formen ungerechter Verletzung des Wertes des Lebens (nicht nur beim Menschen) dar.

Der Mensch wird immer wieder versucht, in das Leben manipulierend einzugreifen, ja sich selbst zum Herrn über das Leben aufzuspielen. Da setzen nun die Gedanken des Lebensschutzes ein, die den Krieg nicht mehr als Sonderfall von Politik behandeln wollen, sondern als schweren Verstoß gegen Lebensrechte, über die der Mensch nirgends verfügen darf. Die Wurzel des altchristlichen Pazifismus („Du sollst nicht töten...“) bricht auf und kann freilich die Aporie nicht lösen, wenn kollektive Notwehr im Krieg rechtens vertreten wird und vielfachen Tod mitbedingen muß. Anderseits werden alle, auch die individuellen Angriffe gegen das Leben und die Vernachlässigung seines Schutzes und seiner Pflege in den Zusammenhang mit dem Krieg gestellt und angeprangert: die erschreckende Zahl der Abtreibungen werdenden Menschenlebens und die Geißel des Hungers für viele geborene Menschen, die in vielen Staaten noch geübte Folterung, der Terrorismus, aber auch das Unrecht des Selbstmords.

„Kann eine Gesellschaft in Frieden leben, wenn man mordet und wenn man die eigenen .denkenden Mitbürger' bis in ihre Gedanken, ihren Willen und ihre Uberzeugungen zu erpressen sucht?“ Der Kampf gegen die Krankheit und für Hygiene, bessere Wohn-und Ernährungsbedingungen werden unter dem Aspekt der Verlängerung der Lebenserwartung gesehen, wobei auch das Leben der Behinderten besonders betont wird. Überlegungen bezüglich der Pflege der Umwelt folgen. Die Uberwindung des reinen Konsumdenkens in materiellen Gütern wird verlangt. Der Frieden erscheint demnach nur in einer Gesellschaft gesichert, die sich den geistigen Werten öffnet und in der die Beziehungen zu Gott den Wertgrund für das Leben in der Gemeinschaft abgeben.

Gott ist die Quelle des Lebens, das der Mensch zu hüten hat. Das leibliche Leben des Menschen stellt im Kosmos sichtbarer Schöpfung den Höchstwert dar, so daß nur Gott selbst Herr des Lebens sein kann. Leid und leiblicher Tod, Realitäten geschöpflichen Lebens, stehen im Licht des Evangeliums, das vor Lebensvergötzung ebenso bewahrtwie vor dessen anderer Folge, der Lebensangst So führt die Glaubenshaltung zur vertieften Sicherung der Forderungen des Sittengesetzes aus dem Gebot: Du sollst nicht töten! Der Krieg wird heute schon von vielen als nicht mehr einzusehendes Mittel zur Lösung von Konflikten angenommen, andere Angriffe und Bedrohungen auf menschliches Leben aber werden noch nicht so erkannt Der Schutz des Lebens ist aber ein Ganzes! Die Christen wollen in Demut und Hoffnung dafür wirken. Der 1. Jänner sollte dazu wieder aufrufen!-

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