„Traumjob Lehrer“ – und keiner will ihn …

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Angesichts drohenden Lehrer(innen)mangels sucht das Bildungsministerium in der Werbekampagne „Klasse Job“ nach Quereinsteigern. Dabei wurden selbst Kardinalfehler gemacht. Ein Gastkommentar.

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Angesichts drohenden Lehrer(innen)mangels sucht das Bildungsministerium in der Werbekampagne „Klasse Job“ nach Quereinsteigern. Dabei wurden selbst Kardinalfehler gemacht. Ein Gastkommentar.

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Wenn es Sie reizt, junge Menschen zur kritischen, kommunikativen, kreativen und teamfähigen Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu befähigen und ihrem Verlangen nach einem sinnerfüllten Leben in einer menschenwürdigen Zukunft in Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Werten und der religiösen Dimension des Lebens zu begegnen – dann sind Sie die richtige Person, die wir für diesen Traumjob suchen. In Ihrer Arbeit können Sie dazu beitragen, dass junge Menschen bei der Bewältigung von gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen eine aktive Rolle einnehmen. Dazu gehört, dass Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung angebahnt sowie Politische Bildung mit Global Citizenship Education, Friedenserziehung und Menschenrechtsbildung vermittelt werden. Ihr Arbeitsplatz ist damit nicht nur ein Ort der Bildung und Erziehung, sondern auch ein sozialer Raum, der es ermöglicht, sich zu erproben, die Wirkungen des eigenen Handelns zu erleben und dieses kritisch zu reflektieren.

Diese Stellenanzeige ist zwar fiktiv, zitiert aber wortwörtlich auszugsweise Bildungsziele des neuen Lehrplans für Volksschulen, der ab dem Schuljahr 2023/24 in Kraft treten soll. Hand aufs Herz: Würden Sie sich zutrauen, diese Aufgabe zu übernehmen? Diese Lehrplanvorgaben verweisen auf die verantwortungsvolle Aufgabe, die Lehrerinnen und Lehrer als die „Architekt:innen der Zukunft“ sieht, wie die Industriellenvereinigung zurecht fordert.

Teilzeitjob als Lückenfüller?

Ob Slogans wie „Beruf + Berufung = Architekt + Bautechniker: Meine Erfahrung bringe ich in die Schule ein: Als Lehrer/in in meinem Zweitjob!“ im Rahmen der aktuellen ministeriellen Werbekampagne „Klasse Job“ diesen Ansprüchen gerecht werden kann, ist aber zweifelhaft. Die Kampagne täuscht eine Schulwelt vor, die bei aktiven Lehrpersonen eher Kopfschütteln erzeugt. Unter immer schwierigeren Bedingungen widmen sie ihr Berufsleben unserer zukünftigen Gesellschaft – erhalten aber selten jene Anerkennung, die sie verdienen.

Wie kommt es dazu, dass die Schulbehörde, die einst eine Aufnahme von Lehrpersonen aus anderen Bundesländern verweigerte, jetzt offensiv dort Werbeplakate anbringt? Vor nicht allzu langer Zeit wurden alle Maturant(inn)en in persönlichen Schreiben gewarnt, den Lehrberuf zu ergreifen. Sollte es nicht unser aller Ziel sein, die besten Bewerber für das Lehramtsstudium zu gewinnen – wie dies Finnland, Singapur und andere Länder längst praktizieren und damit in weltweiten Vergleichsstudien Spitzenleistungen erzielen? Dabei liegen dem Bildungsministerium seit Jahren Szenarien über den Einstellungsbedarf von den Schuljahren 2014/15 bis 2025/26 vor. Wie glaubwürdig ist das Ministerium, wenn von den an den Schulen Tätigen ständig Daten eingefordert werden, die eigenen aber nicht ernst genommen werden? Geht es den Verantwortlichen eher um Dienst nach Vorschrift als um das Interesse, den Lehrerberuf so attraktiv wie möglich zu machen?

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