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Er muß auch hören können

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FURCHE: Ihre bisherigen Zielgruppen — Schüler am Aufbaugymnasium, Wallfahrer, Mitglieder derLegio Mariae — waren motiviert, gut motivierbar. Nun übernehmen Sie eine Erzdiözese mit zwei Millionen Gläubigen,deren Religiosität problematischer erscheint. Müssen sich da nicht auch andere Ansatzpunkte für Ihre Pastoral bieten?

P. HERMANN GROER: Es ist ein verständlicher Irrtum zu meinen, es könnte sich mir nun ein völlig anderes Bild von Kirche bieten, als ich es bisher vor mir hatte. Wenn man einen Menschen kennt, kennt man schon viel. Wenn man als Priester Tausende hat führen dürfen, wenn man in Wien geboren ist und hier studiert hat, wird man auch hier auf den Heiligen Geist vertrauen dürfen.

Gott hat uns Verstand, Herz, Augen, Ohren gegeben als Hilfsmittel. Da wäre ein Priester erschossen, wenn er nicht hören ^könnte. Er könnte dem Menschen 'doch nicht helfen, wenn er nicht zuerst 50 Worte hört, bevor er ihm ein Wort sagt!

FURCHE: Es wäre schön, wenn alle Priester diese Erkenntnis hätten.

GROER: Es wäre schön - aber ich würde mich nicht trauen zu sagen, die andern haben es nicht. Das wäre schon eine Verurteilung. Das Verurteilen ist ganz schlimm. Jesus hat gesagt: Ihr seid selbstgerecht, ihr Pharisäer!

FURCHE: Die Liturgiereform hat sich durchgesetzt — aber in Extremgruppen „rechts“ und „links“ blieb Unzufriedenheit. Traditionalisten wollen die Rückkehr zur alten Messe, progressive“ proben allzu lockere Formen des Ritus. Wo sehen Sie die Notwendigkeit, Freiheiten zu lassen, wo wollen Sie bremsen?

GROER: Ich kann mir nur jene Freiheiten gegenüber der heiligen Liturgie erlauben, die sie mir durch den Papst und die Sakramentenkongregation gewährt. Der Ritus ist in der Kirche immer in Bewegung gewesen, das muß auch sein, weil sich vieles verändert. Aber das eigentliche Ge-V heimnis unseres Glaubens ist nie angetastet worden. Das muß immer von größter Ehrfurcht umgeben sein.

Wenn nun einer auf eigene Faust herumbastelt, dann ist das ein Zeichen, daß er selbst unsicher oder maßlos ist.

Die Liturgie ist ein Wunderwerk, an dem die Kirche seit den Zeiten der Apostel mit Anbetung und größter Rücksichtnahme auf die Teilnehmer gebaut hat. Nicht jede Generation hat das Recht, einzureißen und neu zu bauen.

Aber Liturgie heißt nicht Erstarrung. Das Konzil hat nicht nur

die Aufstellung des Volksaltars und die Einführung der Volkssprache gebracht, sondern viele liturgische Hilfen, echte Erneuerung angeboten, die noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Würden die Katholiken überhaupt die Konzilsdekrete besser kennen, könnten sie sich vieler Früchte des Konzils erfreuen, die sie noch gar nicht gekostet haben.

Aber noch zu den Extremgruppen: Wir dürfen nicht die einzelnen Teilnehmer an der Liturgie mit Experimenten aus der Kirche vertreiben. Auch bei den Traditionalisten gibt es viele, die sich überfahren gefühlt haben. Wenn die Liturgie die Menschen überfordert, kann sie kein Ausdruck der Anbetung mehr sein.

Aber auch die Neuerer haben meist reine Absichten — es fehlt ihnen nur mitunter der nötige Respekt, wenn sie die Liturgie in Hemdsärmeln feiern. Sie haben das innere Verlangen, nur Bruder unter Brüdern zu sein — aber der Priester hat eben auch die Berufung, mitunter allein zu stehen — ohne Priester gibt es keine Messe.

FURCHE: Wo sehen Sie den Ansatz, dem Priestermangel abzuhelfen?

GROER: Es gibt viele Keime, die aber von der ganzen Gemeinde erfleht und gepflegt werden müssen.

FURCHE: Kann das auch eine Großstadtpfarre ?

GROER: Jede Großstadtpfarre hat einen gewissen Grundstock -da kommt es darauf an, ob dort der Geist des Gebets vorhanden ist. Ob dort auch ehrliche Brüderlichkeit herrscht und nicht nur ein offiziell eröffnetes Pfarrcafe.

FURCHE:Die Laien pochen auf ihre Mündigkeit — wo sehen Sie Möglichkeiten, Laien in priesterlosen Gemeinden zur Pastoral einzusetzen?

GROER: Vielfach, organisiert als Diakon und Pastoralassistent, unorganisiert jeder einzelne. Auch wenn der Priester die Gemeinde allein tragen könnte, darf ich den Laien diese Verantwortung gar nicht abnehmen. Sie sollen sich bemühen. Die Kirche ist ihre Angelegenheit.

FURCHE: Niederösterreichs Landeshauptmann Siegfried Ludwig hat vor einigen Tagen gemeint, man werde die Frage der Diözesangrenzen neu überdenken müssen. Was sagt der Erzbischof von Wien dazu?

GROER: Ich habe es in der Zeitung gelesen und mich gewundert. Ich glaube, daß momentan andere Sorgen dringlicher sind. Außerdem liegt diese Frage nicht in meiner Kompetenz.

Das Gespräch mit dem designierten Erzbischof von Wien, P. Hermann Groer, führte Felix Gamillscheg.

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