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Der Hauptgewinn des Konzils

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Zum Ende des Konzils ergießt sich ein Füllhorn der Gnaden und Freuden über die versammelten Väter. Es wäre nicht recht, spottend darüber hinwegzugehen. Wie es natürlich aber ebenso verfehlt wäre, nur hier das Ergebnis des Konzils zu sehen. Vielleicht sogar kann gesagt werden, diese Gesten symbolischer Art, denn um solche geht es, können nur von jenen in ihrem ganzen Sinngehalt gewürdigt werden, die das Konzil miterlebt haben als Bischof, Theologe, Berater, Beobachter, Journalist, kurz in jener eigenartigen und einzigartigen Gemeinschaft, die in den letzten vier Jahren aus allen Teilen der Welt zusammengewachsen ist. Ganz gleich, ob sie in dieser Zeit Freundschaft geschlossen oder einander oft kräftig bekämpft haben.

Das Papier ist nur der Leichnam

Das war eine sehr persönliche Gemeinschaft, und zugleich war es mehr, denn sie spielten vor aller Welt, die ganze Menschheit schaute zu, und jeder von ihnen vertrat ja auch eine Menschengruppe, so daß es eine Art Welttheater war, das da vor sich gegangen ist. Sie gehen jetzt auseinander, und viele von ihnen werden einander nie wieder in ihrem Leben sehen. Es wäre viel zuwenig, wenn man sagen wollte, sie haben nur Texte verfaßt, Kirchendokumente hergestellt, Papier beschrieben, und das ist alles, was übrigbleibt. Viel mehr ist geschehen; ein Geist hat sie alle erfaßt; das Papier ist nur der Leichnam.

Dieser Geist, der sich in Worten nicht ausdrücken und ohne den sich das Geschriebene nicht richtig verstehen läßt, wird weiterleben, sich jetzt verstreut über die ganze Welt entfalten. Er wird nicht nur die katholische Kirche oder, noch enger gesehen, die Bischöfe allein beseelen, auch die Vertreter der anderen christlichen Kirchen tragen ihn gewissermaßen hinaus, und das Orchester der öffentlichen Meinungsträger hat eine Melodie erlernt, die es jetzt überall abwandeln und variieren wird. Diesen Trägern eines weltweiten und weltbestimmenden Geistes galten die symbolischen Zeichen, dde nun der Papst gesetzt hatte

Drei symbolische Gesten

Ich zähle auf: Erstens der Ring, den jeder Bischof erhielt; es war ein sehr einfacher Ring. Genau der gleiche für jeden Bischof. Er symbolisiert das Bischofskollegium, über das manche sich so heftig und lange gestritten haben. Er ist elastisch und paßt sich durch einen Schlitz an jeden Finger an, ob er dick ist oder dünn. Er wird jeden erinnern, daß er Verantwortung trägt für die Gesamtkirche und daß er die Gesamtkirche in seinem Sprengel vertritt.

Und es wäre eigentlich richtig gewesen, wenn nun alle Bischöfe ihre viel größeren und kostbareren Bischofsringe mit dem dicken Stein zusammengelegt hätten, um beispielweise das von vielen gewünschte soziale Planungsbüro zu gründen, das die sozialen Übel an der Wurzel fassen soll.

Zweitens, der erste Schritt der Kurienreform. Mit einem leisen Lächeln, als handle es sich um eine besondere Ehre, hatte sich der Papst zu Kardinal Ottaviani gewandt und gesagt, wir wollen den Anfang machen bei der obersten Kongregation, dem Heiligen Offizium.

Liest man die Forderungen, die Kardinal Frings in der zweiten Session unter heftigem Protest Kardinal Ottavianis erhoben hatte, dann stellt man doch mit Genugtuung fest, daß sie alle jetzt erfüllt worden sind. Kardinal Frings hatte verlangt: Erstens, daß zwischen administrativen und gerichtlichen Verfahren unterschieden werde. Zweitens, daß kein wegen Glaubensfragen Angeklagter verurteilt werde, ohne daß zuvor er oder sein Bischof gehört würden, und drittens auch ohne daß er die Gründe kennt, die gegen seine Schriften angeführt werden. Viertens ohne zuvor Gelegenheit gehabt zu haben, sich zu verbessern.

Die neue Kongregation, der in der Hauptsache ein positives Ziel gesetzt wird, nämlich die Glaubenslehre zu fördern, weshalb sie auch nicht mehr Heiliges Offizium, sondern Kongregation für die Glaubenslehre heißen soll, wird auf zweifache Weise tätig sein, so heißt es, je nach den zu behandelnden Fragen administrativ oder gerichtlich. Es steht ihr zu, über Fehler gegen den Glauben zu urteilen, aber nach den Normen eines ordentlichen Prozesses. Werden bei ihr Bücher angezeigt, hat sie diese sorgfältig zu prüfen. Verurteilen aber kann sie nur, nachdem sie den Verfasser angehört und es ihm ermöglicht hat, sich auch schriftlich zu verteidigen. Ebenso muß der zuständige Bischof von der Anklage zuvor benachrichtigt werden.

Schon vor 200 Jahren

Eigens wird dazu vermerkt, daß diese Bestimmungen bereits Benedikt XIV. vor zweihundert Jahren in einer eigenen Konstitution getroffen habe. Das Heilige Offizium hat sich nur nicht daran gehalten, zweihundert Jahre lang. Obwohl auch Pius XII. auf seinem Sterbebett noch auf die Einhaltung dieser Normen gedrungen hatte. Die internen Regeln, nach welchen sich diese Kongregation zu richten hat, müssen nun auch öffentlich bekanntgegeben werden.

Drittens: Die beiden schönsten Gesten dieser Schlußtage aber waren ohne Zweifel zwei ökumenische Ereignisse. Das eine bestand in der gemeinsamen Gebetsfeier mit den Vertretern der nichtkatholischen Christen, bei der in der Kirche des heiligen Paulus vor der Stadt Rom auch evangelische Vertreter wie Diakon als Leser der Heiligen Schrift auftraten, auf englisch gemeinsame

Lieder gesungen wurden, alle gemeinsam in je ihrer Sprache das Vaterunser beteten und der Papst den ökumeniker Solowjiew zitierend von ihm berichtete, wie er eine ganze Nacht in einem Klostergang auf und nieder ging, weil er die Tür seiner Zelle unter all den anderen geschlossenen Türen in der Dunkelheit nicht finden konnte. So, sagt Solowjiew, ist es häufig bei denen, die nach der Wahrheit suchen. Sie gehen ganz nahe an ihr vorbei und sehen sie doch nicht, bis ein Strahl der göttlichen Weisheit ebenso leicht als beglückend die tröstliche Entdeckung bringt.

Der Papst fügte hinzu: Die Wahrheit ist nah. Möge, liebe Brüder, dieser Strahl des göttlichen Lichtes uns alle die gesegnete Türe erkennen lassen.

Zuerst ein reines Herz

Das andere Ereignis war ein gegenseitiges Schuldbekenntnis zwischen Rom und Konstantinopel und ein „Um-Verzeihung-Bitten“ für die beleidigenden Worte und grundlosen Vorwürfe, ja für die gegenseitigen Exkommunikationen der päpstlichen Legaten unter Führung des Kardinals Humbert einerseits und des Patriarchen Cerularius von Konstantinopel anderseits, die schließlich zur Kirchentrennung 1054 führten.

Eine Kircheneinigung ist es noch nicht, aber dieser Gestus der Gerechtigkeit und Vergebung historischen Unrechts wird die Herzen reinigen, so heißt es, und damit eine Hilfe bedeuten, um zu einem Verständnis und einem Ausdruck der gemeinsamen apostolischen Glaubensüberzeugung und seiner Erfordernisse zu gelangen. Wieviel richtiger als früher geht man doch heute bei den Wiedervereinigungsversuchen vor. Jetzt schafft man zuerst ein reines Herz.

Ich weiß nicht, aber vielleicht liegt hier der Hauptgewinn dieses ganzen Konzils. Der Vorzug vor aller sauberen Formulierung der Wahrheit wurde dem reinen Herzen gegeben. Nicht nur in der Ökumene, im ganzen Denken der Kirche, bis in das Ministerium für Glaube und Sitte. Ist das wenig? Ich glaube nicht, denn nicht einmal heute ist das für alle so ganz selbstverständlich. (Aus einem Konzilskommentar im österreichischen Rundfunk)

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