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Priesterbild der Zukunft

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In diesen Tagen erschien, bereits vor der Veröffentlichung in deutscher Sprache viel beachtet, im Fritz-Molden-Verlag das Buch des französischen Publizisten Jacques Buquesne, „Die Priester — Struktur, Krise, Erneuerung“. In einem Vorwort nimmt Prälat Doktor Leopold Ungar zu den im Buch skizzierten Problemen unter dem Titel „Zeitgemäße Bestandsaufnahme“ Stellung. Viele Probleme der Kirche sind übernational. Wir bringen im folgenden einen Auszug aus dem Vorwort, das sich mit dem heutigen Bild des Priesters und der notwendigen Erneuerung dieses Bildes beschäftigt. Eine Rezension des Buches wird in Kürze in der „Furche“ erscheinen.

Die Redaktion

Der Priester hört langsam auf, eine Person von Stand zu sein. Er hat das Privileg des gebildeten Menschen weitgehend verloren, beziehungsweise er muß es mit anderen Berufen teilen. Er ist auch nicht mehr sozusagen „der Erzeuger der Religion“, der Anschaffer in Kirche und Pfarre, er hat heute seine dienende Funktion erkannt, und auf diesem Dienst wird das Priesteibdld der Zukunft basieren. Der Priester wird dann nicht mehr so herausgehoben, so entrückt, so isoliert sein, wie er heute oft noch gesehen wird. Eine Umfrage in Höheren Schulen Wiens ergab, daß der Priester als der „ganz andere“ gesehen wird, herausgehoben und herausgefallen aus der Gesellschaft und der Gemeinschaft, umgeben von so vielen Attributen der Einzigartigkeit, die zu erfüllen oder denen sich anzunähern einem jungen Menschen als blanke Unmöglichkeit erscheinen muß. Viele der befragten Schüler gaben an, daß sie sich schon einmal mit dem Gedanken, Priester zu werden, befaßt hatten, daß sie dann aber immer vor der übermenschlich gesehenen Größe der Aufgabe zurückscheuten. Eine authentische Antwort: ,,Ich habe" mich doch entschlossen, ein normaler Mensch zu werden.“

Stehen wir heute vor dem Ende der Volkskirche, jener Kirche, die so eng mit jeder Lebensäußerung des ganzen Volkes verbunden ist, in der das Religiöse mit dem Nationalen, dem Gesellschaftlichen, dem Politischen so eng verflochten und durchwoben ist, daß man das eine von dem anderen kaum zu lösen vermag? Dort, wo die Volkskirche noch lebendig ist, wo das gegenseitige Verfloch- tensein zu einer gegenseitigen Befruchtung führt, dort wird auch das religiöse Leiben blühen, zum Segen des Glaubens und zum Segen des

Volkes. Dort aber, wo eine Volkskirche stagniert, wo sie nur noch zu einer Fassade geworden ist, wo das bloß Brauchtumsmäßdge, das bloß Ästhetische dominiert, dort scheidet die Verwesung Giftstoffe aus, die Glauben und Kirche in ihrer Existenz bedrohen. Prunkvolle Prozessionen, das Kreuz am Wegrand, der Herrgottswdnkel in der Stube, das ganze katholische Fluidum, das ein Volk, eine Landschaft zu durchtränken vermag, kann fruchtbar sein und ist es in vielen Gegenden Europas noch, wenn dahinter ein nicht bloß in Formeln geübter, sondern geleibter Glaube steht.

Entmythclogisierte Priester

Nichts ist gefährlicher, nichts ist vergiftender als ein in seinen äußeren Formen geübter, aber nicht mehr geglaubter Glaube. Da kann nach außen hin „praktiziert“ wer-

den, getauft, gefirmt, sogar kommuniziert, kirchlich geheiratet und kirchlich gestorben werden, da können immer noch Katholiken aufgerufen werden zum Kampf, da kann um Positionen und Gegenpositdonen gestritten werden, da kann es aber doch Vorkommen, daß man sich kaum Gedanken macht über das Leben nach dem Tode; und da kann es vor kommen, daß der Glaube, daß Gott Mensch geworden ist, daß er für uns gelitten hat und für uns .gestorben ist und daß sein Aufer&teh-en nach dem Tode uns die Gewißheit unserer eigenen Auferstehung gibt, als sektiererische Überspanntheit abgelehnt wird. Da kann man noch immer vom Priester mystische Kulthandlungen erwarten, im Priestertum einen „sakralen Beruf“ sehen, ohne ihn doch seinem christlichen Wesen nach ernst zu nehmen.

Dieses mythologische Priesterbild gilt es heute zu überwinden. Ferdinand Klostermann, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Theologen, hat dies im Schlußwort zu einem Artikel „Entaiythologisierte Prie- sitenberufung“ im „Seelsorger“ (Wien, Jännerheft 1966) so ausgedrückt: „Wie das Christentum das vorchristliche Archaisch-magisch- mythisch-Sakrale überhaupt atage- schafft hat, so auch einen in diesem Sinn gedachten „sakralen“ Beruf. Insofern scheint uns eine Emtmytho- logisierung des Prdesterfoerufas — und ähnlich wohl auch des Ordensberufes, wenngleich dieser natürlich ein völlig anderes Charisma darstellt, das mit dem Priesterberuf an sich nichts zu tun hat — geradezu eine Verchristlichung zu sein. Man soll auch nicht befürchten, eine solche Auffassung würde zu einem Rückgang der Priesterberufe führen. Sie wird nur zu einer heilsamen Ernüchterung beitragen und für viele Priesterkandidaten und Priester befreiend wirken. Eine künstliche Mythiifizierung und Mystd&ierung des priestenlichen Berufes mag, wenigstens der Zahl nach, in einer Zeit berufsfördernd gewirkt toben, die selbst noch bewußt oder unbewußt von archaischen Leitbildern geprägt war und von einem Verständnis der Wirklichkeit, das für uns nicht mehr vollziehbar ist. Wieweit unter einem solchen Verständnis gewachsene Berufe echt oder innerlich fragwürdig sind, müßte freilich auch erst untersucht werden. Diese Fragwürdigkeit konnte in einer Zeit leichter verborgen bleiben, in der der Praesterberuf eia allseits privilegiertes soziales Prestige hatte. Heute tot er 'diese allgemeine soziale Deckung weithin nicht mehr..

„Sichert zuerst das Reich Gottes ...“

Frankreich hat die Notwendigkeit eines erneuerten Priestertums als Träger einer erneuerten Kirche klar erkannt. Die Untersuchungen dieses Buches sind die so notwendige Bestandsaufnahme, die die Grundlage, die Ausgangsbasiis 'aller Reformen bilden muß. Es ist keine Beeinträchtigung der Leistungen des französischen Katholizismus, des Wertes seiner Versuche,'seiner kühnen Experimente, seiner apostolischen Abenteuer, wenn man feststellt, daß das, was an ihm neu, zukunftsträch- tig und zukunftsweisend ist, im letzten aus der Gnade einer systematischen Verfolgung erwachsen lat.

Geistige und -materielle Pressionen, denen sich der französische Katholizismus von der Französischen Revolution über einen antikirchlichen Liberalismus und einen militanten atheistischen Marxismus ausgesetzt sah, -haben die Kräfte zu innerer Erneuerung wieder frei gemacht. Ohne dieses Entmachtetwerden hätte wahrscheinlich auch der französische Katholizismus nicht den Mut und nicht die Kraft gefunden, neue Wege zu beschredten, mit al-1 jenen Konsequenzen, die diese für den Klerus hatten. Für den übrigen Klerus in Europa besteht die Hoffnung, daß der Impeitu-s, der vom Konzil ausgeht, es vielleicht möglich macht, aus eigener ’ Kraft auf Positionen, auf Würdenträgertum und dergleichen zu. verzichten und freiwillig den Weg zu finden zu unprätentiösen Gemeinschaften von Zeugen des Glaubens an Ohrd-stus und von Inspiratoren des Hauptgebotes Christi: der Liebe/

Zwei Wege gibt es und hat es in der Geschichte -gegeben, Kirche zu bilden und Glauiben zu verbreiten. Der -eine Weg ist der, Institutionen zu schaffen, strategische Punkte zu erobern und zu verteidigen, von denen aus man Institutionen -auswei- ten oder abschdrmen kann. Zuerst die äußeren Mittel, das Geld und die Macht erobern, die es überhaupt erst ermöglichen, eine Tätigkeit auszuüben oder die Tätigkeit des vermeintlichen oder tatsächlichen Gegners zu hindern, So wenig man sagen kann, daß -dieser. Weg illegitim wäre, so wenig man mit Sicherheit sagen kann, daß in der Vergangenheit, da die Christenheit aus notdürftig und oberflächlich bekehrten Barbarenvölkern bestand, ein. anderer Weg überhaupt nur möglich gewesen wäre, so sehr muß man auch den zweiten Weg, die entgegengesetzte Methode sehen. Christus hat nicht gesagt, sichert zuerst alles andere, und das Reich Gottes wird euch dazugegeben werden. Christus hat im Gegenteil gesagt: „Sichert zuerst das Reich Gottes, alles andere Wird euch dazugageben!“

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