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Mitarbeiter der Wahrheit

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Mit dem Aufsatz „Von der Aufgabe des Laienchristen“ („Furche“ Nr. 22) hat sein Verfasser, einer aus der jüngeren Generation, der politisch im sozialistischen Lager steht, mit edler Kraft ein zu tiefst an die Verantwortung des Christenmenschen rührendes Thema aufgerissen. Als ob clekrische Ströme allerorten Bindungen gelöst hätten, brach darauf in Zuschriften an die „Furche", Vorträgen, in Gemeinschaftsgesprächen und Predigten eine in die Breite wachsende Diskussion hervor, die bis heute nicht abgeklungen ist. Selten gewinnt ein noch so glänzender Zeitungsaufsatz solche Wirkungen.

In dem nachstehenden Artikel nimmt der bekannte gelehrte Homiletiker der Salzburger theologischen Fakultät zu einem Scnderkapitel, der priesterlichen Wahrheitsverkündigung in der modernen Welt, Stellung. Wenn diese Erörterung sich auch vornehmlich an theologische Fachkreise richtet, glauben wir doch mit dieser Veröffentlichung dem großen Interesse weiter Laienkreise zu begegnen, die sich bewußt sind, um was es in dem Ringen um die Wieder verchristlichung der Menschheit geht.

„Die Furche“

Der erschütternde Ruf eines lange Irregegangenen in der „Furche“ (Nr. 22 vom 29; Mai) und sein Echo dürfen nicht so bald verklingen. Dafür zu sorgen, ist vor allem unsere, der Prediger und Predigtlehrer heilige Pflicht. Spüren wir doch am leidvollsten die Leere und Kühle um unsere Kanzeln, die Enge des Aktionsradius unseres Kanzelwortes — und doch sollte es gerade heute wie feierliches, ja stürmisches. Glockengeläute in die Weite und Tiefe klingen, um ein von den Geistern der Welt und Unterwelt geschaffenes Chaos nach und nach in den Kosmos eines wahren Gottesreiches und Menschheitsfriedens zu wandeln.

Es ist zweifellos berechtigt, sogar nötig, manches, vielleicht vieles in unserem Predigtdienste zu kritisieren, ja zu verurteilen am rechten Ort und in der rechten Form. Aber ob nicht noch dringlicher wäre, uns treue Helferdienste zu leisten in dem heute so ungeheuer schweren Evangelistendienst? Die Bereitschaft hiezu erklang mir wie Musik entgegen, als die Antworten einliefen auf die Rundfrage über „Die Predigt heut e", die unter dem 25. März 1948 hinausging an je 200 Priester- und Laienadressen aller österreichischen, der deutschen (ausgenommen der Ostzone), schweizerischen und einiger benachbarten italienischen Diözesen. Auf diese Anrufe sind bis jetzt schon viele Echos eingelangt aus den verschiedensten Ländern und Berufsgruppen: Generalvikar, Domkapitulare, Universitäts- und Mittelschulprofessoren, Welt- und Ordenspriester, Ärzte, Juristen, Nationalräte, Künstler, Schriftsteller, Theologen und andere Universitätsstudenten, Lehrer und Lehrerinnen, Bauern und Arbeiter, Hausfrauen.

Also eine mächtige Konferenz in einem gewaltigen geistigen Raume mit einer schweren Menge von Beratungsfragen. Es wurden schon früher Predigtaussprachen zwischen Priestern und Laien gehalten; eine der bedeutendsten war wohl die 1936 bei der Weihnachts-Seelsorgertagung in Wien durchgeführte, wo Chefredakteur Dr. Funder Laienwünsche an die Prediger und Stadtpfarrer Dr. Konrad Metzger Predigerwünsche an die Laien richteten. Diesmal war der Bogen viel weiter gespannt, wie es die heutige Dringlichkeit der Sache forderte. Sicher hat die mündliche Aussprache viel für sich, aber auch die schriftliche hat ihre Vorteile: es können mehr Personen geistig zur Stelle sein, auch von großen Entfernungen her, man kann in aller Ruhe und Überlegung seine Meinung niederlegen, kann auch offener sprechen und wird nicht so leicht auf ein Nebengeleise abgedrängt. Das Eingesandte 250 Kanzleibogenseiten in Maschinschrift wirkt wie eine geistliche Lesung, gibt neue Erkenntnisse, Sicherheit und auch Zuversicht. Keine Spur von bloß negativer Kritik, keine Anklage auf Tiefstand der Predigt, wohl aber ganz offene Sprache über wirkliche Schwächen und Fehler der Diener am Werte und ihres Werkes, auch ehrliche Selbstanklagen der Laien, besonders der studierten, über eigenes Verschulden gegenüber dem Worte Gottes und entschlossene Bereitschaftserklärung zu eifrigerer Mitarbeit im Dienste der göttlichen Wahrheit.

Über das Wie des Mitpredigens der Laien brachten die Antworten wertvolle Hinweise von Priestern wie Laien. Schon die Teilnahme an dieser Rundfrage ist uns Predigern ein großer Freundesdienst, ist es doch nicht das geringste Kanzelkreuz, daß uns fast niemand, weder Priester noch Laien, in wohlwollender Weise die Wahrheit über unseren Dienst sagt. Wir sehen den Raum um die Kanzeln immer leerer werden, wir merken, daß gerade die wertvollsten Gemeindeglieder (Heimkehrer, Studierte, jüngere Generation in und außer der Ehe, Jugend) immer mehr fehlen, das macht unsicher und verzagt. Warum springt man nicht mit Rät und Hilfe ein? Aber ihr laßt euch ja nichts sagen, außer Lobsprüche? Dieser Vorwurf ist für heute wirklich nur mehr selten berechtigt. Bezeichnend ist, daß die Selbstkritik des Klerus in den Zuschriften strenger ist als die Laienkritik. Ein Seelsorger gab zum Beispiel einem Beichtenden geradezu als Buße auf, ihm über seine nächste Predigt im verschlossenen Kuvert ohne Namen eine Kritik durch irgend jemand zuzusenden. Auch für Angabe von gewünschten Themen ist man froh, nicht minder für die Beistellung von Stoff aus Lektüre oder eigenem Erleben, ließen sich doch Leo XIII. und Pius XI. für ihre großen sozialen Enzykliken Material bieten durch berühmte Soziologen und ließ sich auch Pius XII. für sein Rundschreiben über die Kirche (1943) sogar von Theologiestudierenden manche Vorlagen erarbeiten.

Eine ganz große Hilfe ist uns das beispielhafte Zurstellesein der Laien bei der Predigt. Man klagt über mangelhafte Vorbereitung, über zu geringen Schwung, über einen femininen Zug von Predigten. Das Heilmittel dagegen? Vollbesetzte Kirchen, starke Männer- und Jugendreihen, Intellektuelle, Bürger und Arbeiter, Männer und Frauen in starker Vertretung: das schafft sicherer gute Prediger als beste Homiletiklehrer. Dazu trete dann noch ein Wort der Werbung bei anderen, ein leises Drängen bei Hausgenossen, Berufskollegen und Untergebenen, ab und zu ein ehrliches Geständnis, daß einem diese oder jene Predigt etwas fürs Leben gegeben hat: das wäre das, was sich der gewesene Sozialist von den guten Christen, zumal seinen Freunden erwartet hätte. Solch feine Laienarbeit wirkt mehr als unser Pochen auf die Hör- pfHcht der Christen und unser Klagen und Anklagen ob solcher Pflichtverletzung.

Könnte man nicht auch dem Priester etwas an Berufsarbeit abnehmen, um ihn freier zu machen für Gebet und Gotteswort, wie sich das die Apostel erbeten haben im Hinblick auf ihre Karitaspfiicht. — Ja, sollte nicht der Laie bisweilen wirklicher Predigervertreter sein können und wollen, bei Glaubensstunden für Jugendliche und. einzelne Stände, in Versammlungen kirchlicher» Vereine, in Sitzungen des Pfarrausschusses? Ein Arzt über Ehefragen, ein Lehrer über Kindererziehung, ein Arbeiterführer über die

Rechte und Pflichten der Arbeiter in christlicher Schau. Ohne Entlastung des Klerus durch geeignete Laien ist heute vielerorts die Seelsorge im engeren Sinn nicht gründlich genug zu bewältigen. Daher der flehentliche Anruf in elfter Stunde: Komme auch du in meinen Weinberg.

Eine ganz gesegnete Lautsprecherleistung der Laien ist das Hineinrufen der Glaubensgedanken in die weitere Welt: durch die Zeitung, durch unaufdringliche Radiovorträge, durch aufklärende Worte im profanen Raum, durch Verbreitung guter Schriften, Zeitungen und Zeitschriften. Dadurch wird langsam, aber sicher, die ganze Atmosphäre des Volkslebens entgiftet und so aufnahmefähig gemacht für das Kanzelwort (darauf verweist eindringlich Dr. Westphalen in der „Furche“ vom 17. Juli) und die ablehnende oder doch mißtrauisdre und gereizte Stimmung gegen Priesterperson und -wirken nach und nach behoben und so dem Worte Gottes freie Bahn geschaffen.

Der kostbarste Beitrag der Laien sind uns diese drei: Gebet, Opfer, Leben. Die rechte Verkündigung des Gotteswortes und seine fruchtbringende Aufnahme sind Gnaden, die nicht mit Rhetorik errafft, sondern nur verdient werden können durch viel Gebet und Opfer der Priester und seiner getreuen Helfer. Bei unserem flehentlichen Ruf nach Känzelhilfe, nach Mitarbeitern der Wahrheit, unterlassen wir Prediger in Ehrlichkeit nicht den Zuruf: Nur Künder wecken, Künder! Das Weitertragen unserer

Kanzelbotschaft läßt sich nicht organisieren und kommandieren, sondern nur präparieren durch ein wahres mit Herz und Mund und Tat vollzogenes Verkünden der Frohbotschaft. Was nicht brennt, entzündet nicht. Ihr seid das Licht der Erde. Klar muß Gottes Wahrheit und Gebot'-vor dem Geiste aufleuchten, ja die ganze Offenbarung als Verklärung des Erdenlebens und -leides, und zwar nicht nur auf Grund trocken gelehrter und streitbarer Darlegung, sondern als natur- hafter Ausfluß eines glaubensfrohen Priesterherzens. „Brannte nicht unser Herz, eh er uns die Schrift erschloß?“ Ähnlich wie Johannes so glühend schreibt: „Was wir ge- gesehen und gehört haben, verkünden wir euch“, oder wie die Apostel vor den Richtern sprachen: „Wir können nicht anders als reden“. Solches Entbranntsein von der Wahrheit Gottes, solches vielleicht in ganz schlichten Worten vollzogenes Überfließen von Gottesbesitz wird zur Sonne, die ringsum Licht und Wärme schafft. Wenn dann noch dazukommt der würdige Gottesdienst, das echt fromme Verhalten der gläubigen Gemeinde, ein gnadenerfülltes Hochfest der Kirche: da kann wieder ein Sion erstehen, in dem der Heilige Geist in einem Funkenregen Laienapostel schafft für die Nähe und Ferne mit dem Sendungsbefehl: Gehe hin und künde, trage dein Licht und Glück zu denen, die noch im Todesschatten sitzen. Die Laien sind Mitopferer mit dem Priester am Altäre, sie dürfen und sollen auch Mitprediger sein mit dem Prediger auf der Kanzel.

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