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„Frauenhaus" in Wien"

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Die physischen und psychischen Gewalttätigkeiten mancher Männer gegenüber ihren Ehefrauen gehören keineswegs vergangenen Zeiten an. Gar nicht so selten werden sie auch heute noch, sogar in Mittel- und Westeuropa, in gewissen Kreisen als selbstverständlich hingenommen. Leider läßt sich Brutalität in den vielfältigsten Formen in sämtlichen Schichten der Bevölkerung, vom Arbeiter bis zum Akademiker, ganz gleich, ob es sich dabei um die ältere oder jüngere Generation handelt, beobachten.

Um geschlagenen und mißhandelten Frauen und deren Kindern in ihrer Not eine Zufluchtsstätte zu geben, wurden 1971 in London das erste „Frauenhaus", 1975 dann eines in Berlin errichtet. Weitere folgten in Holland, Frankreich und Italien. Am 1. November 1978 wurde auch in Wien das erste eröffnet.

Stark gemacht durch Alkohol und aufgeputscht von Sauna- und Stammtischkollegen, reagiert so mancher Mann Komplexe und Aggressionen lautstark mit Handgreiflichkeiten, die manchmal sogar zu schweren Mißhandlungen an Frau und Kindern führen, ab. Vielfach wird Alkoholismus als Entschuldigung angeführt, und die daraus folgenden Tätlichkeiten als Kavaliersdelikt abgetan. Außerdem finden viele Männer die Züchtigung als eine probate Erziehungsmethode.

Überkommenen Vorstellungen entsprechend üben viele Männer Macht in der Familie aus. Sie wollen sich unbedingt durchsetzen. Frauen sind von der Erziehung her eher darauf eingestellt, „etwas zu schlucken". Allein schon physisch sind sie ja meistens unterlegen.

Oft steht die Frau außerdem unter einem starken Druck von Verwandten und Bekannten, ihre Ehe um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Es ist eben die Volksmeinung, daß eine „gute Frau" allerhand tragen und dulden muß.

Von seiner aggressiven Seiteher kennt die Umwelt den Mann ja meistens gar nicht, weil er sich im Umgang mit anderen Leuten freundlich gibt und seine Aggressionen nur im Intimbereich der Familie abreagiert.

Keine Frau läuft beim ersten Konflikt davon. Es ist meistens ein sehr langer Prozeß, bis sie sich entscheiden, ihr Heim zu verlassen. Nur ganz wenige raffen sich dazu auf.

„Wir haben nicht die Absicht, die derzeit bestehenden Dominanzbezie-hungeraquo;'umzukehren", meint Dr. Irmtraut Leirer, die Leiterin des Frauenhauses in Wien. „Doch das Bewußtsein, daß jeder das gleiche Recht hat, und daß Konflikte und Schwierigkeiten ohne Gewaltanwendung zu lösen sind, hat sich in weiten Kreisen noch nicht durchgesetzt."

Derzeit kommen daher pro Woche etwa fünf Frauen mit ihren Kindern ins Frauenhaus. Sie kommen aus Verzweiflung. Aber es sind noch sehr viele, die sich nicht zu kommen trauen. „Man müßte ihr Bewußtsein ändern, ihnen klarmachen, daß sie sich nicht mißhandeln lassen müßten. Die Wandlung geht sehr langsam vor sich. Es ist oft recht mühselig, im konkreten Fall zu helfen. Der Entschluß ist sehr schwer, die gemeinsame Wohnung zu verlassen und mit den Kindern ins Frauenhaus zu kommen", sagt Dr. Leirer.

Die Frauen wissen, daß das Frauenhaus nur eine Ubergangslösung ist. Dort erleben sie eben, daß sie nicht allein sind. Die Frauen erleben eine Gemeinschaft, sie sprechen miteinander, helfen einander, es wird gemeinsam gekocht, aufgeräumt.

Etwa 40 Frauen können mit ihren Kindern in diesem Haus Zuflucht finden. Sie werden von sieben Sozialhelferinnen betreut. Meistens sind ein Drittel mehr Kinder als Frauen im Haus. Einmal kam sogar eine Frau mit zehn Kindern.

„Im Durchschnitt", sagt eine Sozialhelferin, „bleibt eine Frau etwa ein Monat. Einige gehen schon nach ein bis drei Tagen wieder zurück, manche bleiben mehrere Monate, bis die Scheidung ausgesprochen ist, ein Arbeitsplatz und eine neue Wohnmöglichkeit gefunden wurde."

„Die Frau muß allein über ihre Zukunft entscheiden", meint eine der Sozialhelferinnen. „Wir raten weder zur Scheidung noch zur Versöhnung. Manche gehen zurück, kommen mehrmals wieder. Das Frauenhaus ist ihre Zuflucht. Wir bieten Rechts-, Familien- und Eheberatung."

Die Sicherheitsmaßnahmen der Frauenhäuser wurden seit dem letzten schrecklichen Anschlag noch wesentlich verstärkt. Es kann daher im Hause selbst keine Konfrontation mit dem Mann stattfinden. Wohl kommen Ehemänner vor das Haus und begehren Eintritt, doch werden sie prinzipiell nicht eingelassen. „Wir haben kein Aussprachezimmer",'sagt Frau Dr. Leirer,, jede Frau hat die Möglichkeit, mit ihrem Mann Kontakt zu halten, doch nur außerhalb des Hauses. Auf Wunsch der Frau kann eine Sozialhelferin mitkommen."

Verfügt die Frau über keinerlei Geldmittel, so ist dies kein Hindernis, im Frauenhaus au/genommen zu werden. Oft kommt eine nur mit demv was sie am Leib trägt. Manche werden von der Caritas unterstützt. Braucht sie einen Anwalt, können Verfahrenshilfen in Anspruch genommen werden. Wenn keine Möglichkeit gefunden wird, können die Kosten auch aus dem Spendenfonds gedeckt werden. Der Verein „Soziale Hilfe für gefährdete Frauen und Kinder" erhält das Haus und unterstützt die Frauen bei ihrer Arbeitssuche. „Doch ein Arbeitsamt sind wir natürlich nicht", meint eine der Helferinnen.

Große Schwierigkeiten haben die Frauen aus den Bundesländern. Die Entfernung bringt bei der Wohnungssuche und Arbeitsplatzvermittlung viele Probleme mit sich. Obwohl nur ein kleiner Prozentsatz der mißhandelten Frauen den Weg ins Frauenhaus suchen, ist der Andrang so groß, daß heuer im Februar ein zweites im 13. Wiener Gemeindebezirk eingerichtet wurde. Noch im Herbst hofft man, in Graz alle Schwierigkeiten für die Eröffnung eines Frauenhauses überwunden zu haben. In Linz rechnet man, im Jänner eines eröffnen zu können. Auch in Salzburg und Innsbruck wären Frauenhäuser dringend notwendig, doch gibt es dort dafür noch keinen Beschluß der Landesregierung.

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