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Gegen den Strom

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Zu Beginn der fünfziger Jahre sagte Dr. Bermann einmal in einer kleinen Gesellschaft bei Freunden in Wien, er sei ein Verleger, der diesen Titel wirklich verdiene, denn während der letzten 20 Jahre sei er vor allem damit beschäftigt gewesen, seinen Verlag von einer Stadt in die andere zu verlegen, immer auf der Flucht vor der Beschlagnahmung: von Berlin, wo er bis 1935 bleiben konnte, nach Wien für zwei kurze Jahre, von da, 1939 bis 1940, nach Stockholm, von dort nach New York und nach Amsterdam, und schließlich — aber soweit war es damals noch nicht — zurück nach Deutschland, nach Frankfurt. Das sind die bösen Jahre, vor deren düsterem Hintergrund sich diese Korrespondenz abwickelt. Und auch Thomas Mann mußte ja, wie man weiß, mehrmals den Wohnsitz wechseln. Es gingen diese Briefe also von einem Exil in ein anderes.

Uber alle Differenzen, die es in diesen kritischen Zeiten gegeben hat. erwies sich doch das Fundament als tragfähig: jenes Fundament, das durch eine nicht weniger als 59 Jahr.? währende Bindung Thomas Manns an einen einzigen Verlag gelegt worden war. Freilich: der alte Samuel Fischer war 16 Jahre älter als Thomas Mann, der Schwiegersohn 22 Jahre jünger. Aber er war mit der Tochter des Alten verheiratet, das half, die Familienbande zu erhalten.

Die erste Phase umfaßt die Jahre 1933 bis 1935 beziehungsweise 1936, als die Ausbürgerung Thomas Manns erfolgte. In jener Zeit war Dr. Bermann bestrebt, so lange wie möglich den deutschen Markt für seine nichtjüdischen Autoren zu erhalten. Hier mag er sich manchen Illusionen hingegeben haben, Thomas Mann sah politisch schärfer — und daher schwärzer. In jenen Jahren entstanden und wurden gedruckt „Die Geschichten Jaakobs“, das „große Judenbuch in vier Teilen“, wie sein Autor es einmal nannte, und es sei „Wahnsinn“, es in Deutschland erscheinen zu lassen. Größer noch waren die inneren Schwierigkeiten: „Die notwendige Heiterkeit muß man beständig dem Gedankengram des Tages abgewinnen.“

Der Gedankengram: Thomas Manns moralisches und politisches Gewissen war, wie man weiß, äußerst irritabel, und er hat unter den damaligen Verhältnissen vielleicht mehr gelitten, wenn auch nicht materiell, als ein anderer seines Ranges. „Die Epoche ist dem Regime nun einmal günstig, der Faschismus in verschiedener Gestalt breitet sich immer mehr aus und“, so formuliert er einmal seine Sorgen: „es sieht so aus, als ob es bald für unsereinen keinen Fleck mehr auf der Erde geben wird, seinen Fuß hinzusetzen.“ Viel später dann, 1950, als Thomas Mann ins Kreuzfeuer zwischen Ost und West geraten war, schreibt Dr. Bermann „Der Umfang, in dem sich die politischen und geistigen Wirren geger uns geltend machen, läßt sich nichl durch verlegerische Aktivität einschränken.''

Das war es auch, was Thomas Mann so viele Jahre beunruhigte enttäuschte und verbitterte: daf seine Bücher, zumindest in deutschen Ausgaben, auf dem Weltmarkt nicht vorhanden oder nur schwel aufzutreiben waren. In diesem Zusammenhang fiel einmal von seiner Seite das harte Wort, sein Verleger kämpfe allein auf seinem Posten, die Schwierigkeiten wüchsen ihm übet den Kopf„ zumal Dr. Bermann — der praktizierender Arzt war und die akademische Laufbahn ansteuerte — für diesen Posten nie geboren war, „der Ihnen vom Schicksal nie zugedacht schien und der mir oft schon ganz verloren vorkommt“.

Das hat den Briefempfänger tief gekränkt, so daß sich auch Tutti, die Tochter Samuel Fischers und Thomas Mann von Kind an vertraut, einschaltete, was Thomas Mann aber freundlich abwehrte: „Im übrigen wollen wir die Dinge nicht sentimentalisieren, wie Tutti in ihrem schönen, aber zu tränenreich-pathetischen Brief es tut“: er hege zwar nicht gerade Zweifel an der korrekten Geschäftsführung des Verlages, aber die psychologische Mischung von wirklicher Anhänglichkeit und der Neigung, den Autor gelegentlich ein wenig übers Ohr zu hauen, halte er, Thomas Mann, für durchaus möglich und plausibel.

Doch solche geschäftliche Querelen lösen sich immer bald wieder in Wohlgefallen ( auf und bezeugen eigentlich nur die Urfehde zwischen Autor und Verleger. Anderes ist wesentlicher. So zum Beispiel ein sehr pessimistischer Brief Thomas Manns vom Juli 1936 über die Lagt Österreichs und die verhängnisvolle Rolle dieses „elenden Papen“ — „Qui mange du Pape en meurt'“, fügt er hinzu. Kurz vorher, nach seiner Ausbürgerung, schreibt der Dichter, nicht ohne Galgenhumor: „Die Anteilnahme ist groß, es geht fast zu wie nach dem Nobelpreis.“

Kritiken seiner Werke waren für Thomas Mann immer die Interessanteste Lektüre, er hatte zu seinen Rezensenten ein sehr merkwürdiges Verhältnis. 1944 schreibt er an Doktor Bermann: „Vielen Dank für die Sammlung Schweizer Besprechungen der Jaakobs-Geschichten, die ich in Chicago bekam und mit heißen Bak-ken las — was sehr komisch ist, da es sich ja vorwiegend um recht einfältige Äußerungen handelt...

Sehr viel liegt Thomas Mann an Lizenzausgaben seiner Werke, und dies nicht nur aus finanziellen Gründen. Hartnäckig und mit gutem Grund besteht er auf einer Gesamtausgabe im „Aufbau-Verlag“ der DDR — von wo ja keine Reichtümer zu erwarten waren. Ebenso bemüht er sich um eine Gemeinschaftsproduktion von West und Ost bei der Verfilmung seiner „Buddenbrooks“, ebensowenig ließ er sich von einem Besuch Weimars abhalten, der ihm von manchen Stellen so übelgenommen wurde. Thomas Manr war nie Kommunist, nie Marxist, nie auch ein sogenannter Linker. „Meine Rolle, wie ich sie sehe“, sc sahrieb er an Dr. Jüeijmanm istt. zu vermitteln, zu verbinden.“ Und in den Dienst dieser Annäherung, die ja heute vollzogen wird, stellte er auch seinen Namen und sein Werk

In jene schweren Jahre, als Thomas Mann sein heiterstes Buch („Joseph der Ernährer“) und sein düsterstes schrieb („Doktor Faustus“), fällt der Selbstmord seines ältesten Sohnes, Klaus, und der Tod der mit der Familie Mann lebenslang verbundenen Frau von Samuel Fischer „Sobald man über das Leben nachdenkt, kommen einem die Tränen“, schreibt Thomas Mann 1934 an Hedwig Fischer. Die Tränen können einem auch kommen, wenn man die fast zehn Druckseiten umfassende Eingabe liest, die der Dichter „An das Reichsministerium des Inneren“ im Frühjahr 1934 richtete, um mit menschlichen, rechtlichen und „vaterländischen“ Argumenten zu erreichen, daß man ihm seine deutsche Staatsbürgerschaft erneuert und ihm sein in München beschlagnahmtes Vermögen zurückgibt!

Peter de Mendelssohn hat diese Briefedition mit einem kurzen Vorwort eingeleitet und mit überaus instruktiven Anmerkungen versehen, die 150 Seiten des Anhangs füllen. Natürlich fehlen auch Zeittafeln und Register nicht.

THOMAS MANN. BRIEFWECHSEL MIT SEINEM VERLEGER GOTTFRIED BERMANN-FISCHER 1932—1955. Herausgegeben von Peter de Mendelssohn. S.-Fischer-Verlag, 888 Seiten. Preis 72 DM.

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