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Kampf der Ideen

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FURCHE: Wie wird die russisch-orthodoxe Kirche heuer ihr Millennium begehen?

METROPOLIT JUVENALIJ: Die Feierlichkeiten werden vom 6. bis 9. Juni mit einem Konzil im Sergius-Dreifaltigkeitskloster in Sagorsk eröffnet. Vom 10. bis 13. Juni feiern wir in Moskau. Dann gehen wir in unsere historischen Zentren — Kiew, Leningrad, Wladimir - vom 14. bis 16. Juni. Am 12. Juni werden wir mit einem feierlichen Hochamt das Moskauer Danilow-Kloster eröffnen, das uns die sowjetische Regierung auf unsere Bitten 1983 zurückgegeben hat. Wir geben auch die Bibel neu heraus und verschiedene Bücher über Geschichte und Leben der Russischen Orthodoxie. Außerdem erscheint ein Album mit 20 Platten mit verschiedenen kirchlichen Gesängen — beginnend bei den ältesten bis zu den zeitgenössischen. Eine Gedenkmedaille mit dem Bild des Prinzen Sergej soll ausgezeichneten Priestern überreicht werden.

Ich möchte betonen, daß die Jubiläumsfeierlichkeiten der russisch-orthodoxen Kirche zugleich Feierlichkeiten der gesamten Orthodoxie und der Christenheit sind Das Millennium soll Feier unseres Glaubens werden, damit in den Herzen unserer Gläubigen die Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus gefestigt wird. Die Gläubigen sollen im täglichen Leben beispielhafte Bürger sein, die ihre Heimat lieben und Gott dienen. Wir möchten auch eine ganze Reihe von Geistlichen unserer Kirche heiligsprechen, um an deren Beispiel unsere Gläubigen zu lehren, ihre religiöse Berufung zu bezeugen (siehe Kasten auf Seite 11).

FURCHE: Wird der Papst-bei den Feiern in Moskau zugegen scvtt ?

JUVENALIJ: Wir sind keine Propheten. Es gibt bei uns und in der katholischen Kirche verschiedene Verantwortliche, die diese Frage klären müssen. Und Angelegenheiten wie die Papstvisite werden sehr sorgfältig vorbereitet.

Das Wichtigste ist, daß man sich bemüht, zu gegenseitigen brüderlichen, freundschaftlichen Verhältnissen zu kommen. Und wenn wir in einer solchen Atmosphäre leben werden, können auch die Bedingungen für eine solche Visite geschaffen werden.

FURCHE:Die Stellung der Parteipresse zum Millennium?

JUVENALIJ: Ich würde sagen, in der sowjetischen Presse gibt es keine großen Angriffe auf die Vorbereitungen zum Jubiläum. Die atheistische Presse schildert von ihrem eigenen Standpunkt die Rolle der Kirche in Rußland. Und diese Art der Beurteilung stellt für uns nichts Neues dar.

Denn parallel zur aktiven atheistischen Propaganda lebt und entwickelt sich die russisch-orthodoxe Kirche. Und das, was ich bisher geschildert habe, beweist, daß wir uns in Ruhe und geistiger Freude auf das Jubiläum vorbereiten. Was in der atheistischen Presse geschrieben wird, ängstigt uns nicht. Atheistische Propaganda bedeutet für uns einen Kampf der Ideen. Wir haben die Möglichkeiten zur Mission.

Wir streben keine offene Konfrontation mit dem Staat an. In all den Jahren hat die russisch-orthodoxe Kirche den Weg des ruhigen Daseins in der Gesellschaft gewählt.

FURCHE: Und die Probleme mit den unierten Ukrainern?

JUVENALIJ: Das können auch im Westen ausgedachte Probleme sein. Als in Kiew die Christianisierung durchgeführt wurde, gehörten diese Gebiete zu Kiew-Rußland. Heute liegen sie außerhalb der Reichweite Kiews. Die historischen Hauptstädte unserer Kirche sind Kiew, Wladimir, Leningrad und Moskau. Deswegen wird das Millennium eine Feier für die'ganze Kirche sein, ein Feiertag der Gesamtorthodoxie.

FURCHE: Und die Einstellung des Moskauer Patriarchats zu den Dissidenten?

JUVENALIJ: In jüngster Zeit werden sogenannte Dissidenten, die erklärten, ihre gesetzeswidrigen Handlungen zu unterlassen, aus den Gefängnissen und der Verbannung entlassen. Es entsteht dadurch eine Atmosphäre, die sich in gewissem Ausmaß positiv auf die religiösen Organisationen in der Sowjetunion auswirkt.

Wenn sich ein Mensch in einer schwierigen Situation befindet, muß die Kirche für ihn sorgen und beten. Nach der Besserung nimmt ihn die Kirche mit offenen Armen wieder auf. Kleriker in meiner Eparchie, die solche Probleme hatten, haben — nach Bekundung ihres guten Willens gegenüber der Kirche - wieder ihren Platz im bürgerlichen und kirchlichen Leben gefunden.

Metropolit Juvenalij von Krutizy und Ko-lomna ist stellvertretender Vorsitzender der JubUäumskommission. Als Promotor des russisch-orthodoxen Friedensengagements häufig im Westen unterwegs.

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