7169025-1982_39_01.jpg
Digital In Arbeit

Kein Geld, kein Konzept

Werbung
Werbung
Werbung

Die laufende Stromrechnung • müsse er leider schuldig bleiben, sein Institut sei zahlungsunfähig: Kein von Kreditzinsen geplagter Unternehmer, sondern der Direktor des bundeseigenen Museums Moderner Kunst in Wien, Dieter Ronte, leistete am 13. September vor der TV-Kamera den Offenbarungseid.

Daß Rontes Pleite-Geständnis in der Öffentlichkeit kaum größere Beachtung fand, ist mit ein Zeichen für die Abseitsstellung, in der sich die österreichischen Museen schon seit jeher befinden.

Auch unter einer sozialistischen Ressortministerin hat sich da nichts gebessert.

Österreich, das gern den Anspruch, Kulturgroßmacht zu sein, erhebt, pflegt in Sachen bildender Künste die Kleinhäuslerei. Tratsch und Klatsch rund um Staatsoper oder Salzburger Festspiele binden zumeist ausschließlich das kulturpolitische Interesse.

Dennoch ist in den letzten zehn Jahren, allen Widrigkeiten zum Trotz, die Nachfrage der Kunstkonsumenten gewaltig gestiegen. Ein Beispiel: Allein die Bundesmuseen konnten zwischen 1970 und 1981 einen Anstieg von 1,2 Millionen auf 2,2 Millionen Besucher verzeichnen.

Das mag schon deshalb erstaunen, als die Öffnungszeiten der Museen nach wie vor nicht gerade besucherfreundlich sind, zudem die Schulen den gepflegten Burgtheater- oder Opernbesuch noch immer als einzig wahren Kunstgenuß favorisieren. Der Konfrontation mit bildender Kunst geht man lieber aus dem Weg.

Am Beispiel der zeitgenössischen Kunst, ihrer Beachtung, Dokumentation und Diskussion läßt sich die ganze Misere der österreichischen Kunst- und Museumspolitik am treffendsten illustrieren.

Als zu Beginn der sechziger Jahre der damalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel die Errichtung und Einrichtung eines Museums der Kunst des 20. Jahrhunderts zu einem seiner vordringlichsten kulturpolitischen Ziele machte, stieß er auf Begeisterung nur bei den wenigen Insidern des Kunstgeschehens.

Spät, aber doch, meinte Drimmel anläßlich der Eröffnung des „Zwanzgerhauses” in Wien (siehe auch Stichwort, Seite 2), trete Osterreich „in den musealen Wettstreit um die Kunst unseres Jahrhunderts”.

Nur etwa 15 Jahre später präsentierte sich der Schwanzer-Pavillon im Schweizergarten dem Besucher dermaßen verrottet, daß viele schon an einen bevorstehenden Abbruch glauben.

Nach einer stürmischen Aufwärtsentwicklung in den ersten Jahren (unter Werner Hofmann, der heute die renommierte Hamburger Kunsthalle leitet), litt das Museum des 20. Jahrhunderts bald unter der finanziellen und organisatorischen Auszehrung: Zu wenig Geld wurde bereitgestellt für Neuankäufe, für Personal, ja nicht einmal für notwendige Instandhaltungsmaßnahmen.

Am 26. April 1979 gelobten dann alle zuständigen Stellen, allen voran Minister Hertha Firnberg, feierlich Besserung: Die Eröffnung des Museums Moderner Kunst — bestehend aus dem neu angemieteten Palais Liechtenstein als Hauptgebäude und dem „Zwanzgerhaus” als Dependance - sollte einen neuen Anfang bedeuten. Mitnichten.

Während Personal- und Betriebskosten explodierten, wurden die Mittel für den Museumsbetrieb festgeschrieben, was jeden Spielraum der Museumsleitung noch weiter einschränkte. Kein Wunder, wenn der Direktor der Londoner Täte Gallery bei einer Diskussionsveranstaltung in Linz (Februar 1982) erklärte, er habe in den letzten Jahren und Jahrzehnten fast alle größeren Ausstellungen in Europa besucht, nie aber die Notwendigkeit gesehen, auch nach Wien zu fahren.

Die zuständige Ministerialbü-rokratie stört solches wenig. Der Leiter der Sektion „Bibliotheken, Museen und Denkmalschutz” im Wissenschaftsministerium, Wilhelm Schlag, reagiert reichlich unwirsch, wenn etwa nach dem Stand der Diskussion um ein umfassendes Museumskonzept gefragt wird. Originalton Schlag: „Glauben Sie eigentlich, daß die zuständigen Beamten allesamt vertrottelt sind?”

Der neue Direktor des Kunsthistorischen Museums, Hermann Filitz, läßt sein Sekretariat gar mitteilen: „Mit Ihnen will ich nicht sprechen.”

So wird halt weitergewurstelt, hinten nach saniert; das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit und die , Kompe.tenzaufsplitte-rung in Kunstpolitik und Museumspolitik zwischen Unterrichts- und Wissenschaftsministerium tut ein übriges.

Da nützt wenig, wenn Vorschläge von außerhalb der Bürokratie kommen, wie die Zusammenführung aller Bundessammlungen moderner Kunst in einem Haus, im Messepalast zum Beispiel. Der Erweiterungsplan für das „Zwanzgerhaus” wird erst gar nicht zur Kenntnis genommen.

Hertha Firnberg hat vor ihrem Abschied im nächsten Jahr mit Hermann Filitz noch rasch ihren Vertrauten in eine Position gehievt. Nun ist von der alten Dame am Minoritenplatz nichts mehr zu erwarten.

Die kunstinteressierten Österreicher warten auf einen neuen Anlauf in der Nach-Firnberg-Ära.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung