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Macht heibt immer Kontrolle

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Kommendes Wochenende findet in Klagenfurt eine Veranstaltung statt, die zweifellos über die Routine diverser landläufiger kultureller Veranstaltungen hinausgeht. Zwischen Kulturschaffenden und Politikern, Vertretern des Kunstlebens und der Wirtschaft, wird es zu einem fruchtbaren Gespräch kommen können — über die wahren Zusammenhänge von Kulturbetrieb und Machtträgern in Österreich.

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Kommendes Wochenende findet in Klagenfurt eine Veranstaltung statt, die zweifellos über die Routine diverser landläufiger kultureller Veranstaltungen hinausgeht. Zwischen Kulturschaffenden und Politikern, Vertretern des Kunstlebens und der Wirtschaft, wird es zu einem fruchtbaren Gespräch kommen können — über die wahren Zusammenhänge von Kulturbetrieb und Machtträgern in Österreich.

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Das österreichische Kulturgespräch ist zugleich das — jeweilige — Ereignis und der Verein, der es organisiert. Es verdankt sein Entstehen dem Zorn einiger Österreicher über andere Österreicher, welche für eine Politik für Kultur zuwenig Gefühl für Politik und Kultur aufbringen können oder wollen. Es handelte sich also um die üblichen österreichischen Raunzer, denen die Kulturpolitik oder vielmehr das Fehlen einer so beschaffenen in den sechziger Jahren stagelgrün auflag (übel auffiel). Ganz unüblicherweise ließen sie es nicht beim üblichen Im-Innersten-

Kreis-Es-Müßt-Was-Gschehn-Lamento, sondern organisierten das „österreichische Kulturgespräch“.

Lange sahen sie sich vorher in der österreichischen Kulturlandschaft um, damit nur ja kein halbwegs interessierter Raunzer um seine Einladung nach Graz komme. Die links außen und jene rechts drüben ließ man allerdings aus. Es genügt ja, sie zu lesen oder ihre Früchte zu sehen; aber ein Gespräch? — Die wissen alles schon so genau, die brauchen uns gar nicht.

Innerhalb der Extreme jedoch war man um eine möglichst breite Beteiligung aller Kulturschaffenden und Kunstsparten bemüht

Obwohl nicht geplant, ja gar nicht gewünscht, kam es — weil in Österreich sonst sittenwidrig — zur Gründung eines Vereins „österreichisches Kulturgespräch“. Man ist. also durch diese Gründung seit 1972“ greifbar existent, mit Sitz in Wien (wo sonst), Präsidium, Schriftführer, Generalsekretär, Sitzungen, Kassier und Generalversammlung. Der Vereinszweck besteht in der Organisation des Kulturgesprächs.

Das Kulturgespräch konnte natürlich nur dann sinnvoll sein und bleiben, wenn die Politiker mitspielten. Es war ja nicht damit getan, in das Raunzen System zu bringen. Wir wollten ja auch als Ideenbringer und Modellerfinder der Kulturpolitik wirken. Dazu gehörte die Auseins-dersetzung mit den Politikern als unserer ersten Adresse. 1970 kamen der damalige Bundesminister für Unterricht — („und Kunst“ geht übrigens auf eine Anregung des Grazer Kulturgesprächs zurück) Alois Mock mit seinen obersten Kulturbeamten, sowie der Landeskulturreferent der Steiermark, Erfinder des Trigons und vieler anderer feiner Kulturdinge, Hanns Koren. Seit 1972 kommen die Kulturpolitiker, Bundesminister Sinowatz an der Spitze, zu jedem Kulturgespräch.

Eine andere wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit war eine entsprechende Beteiligung der Kulturschaffenden selbst. Wohl konnten Kulturmanager, Beamte, Publizisten, Politiker, Wissenschafter aus den Einsichten ihrer Sparten heraus die Themen aufreißen und Lösungen erarbeiten; aber vor allem und über allem steht das noch immer wie zu Anfang offene große Problem der Integration der kreativen künstlerischen Einzelperson in unsere Gesellschaft. Im Laufe der Kulturgespräche kommt dies immer klarer zum Ausdruck: Es wird keine Kulturpolitik, keinen Maßnahmenkalender, keine Kulturpläne und daher keine Entwicklung unserer Kultur geben, wenn es nicht gelingt, den Kulturschaffenden, den Künstler seine sinnvolle Rolle aus gesicherter sozialer Stellung in die Gesellschaft hinein spielen zu lassen.

Die sechs Gespräche • Graz 1970 brachte einen Zehn-Punkte-Maßnahmenkatalog, von dem einiges verwirklicht wurde, vor allem die Forderung nach einem Kunstbericht'. Vieles steht noch aus, wie etwa die Steuerfreiheit für Kunststiftungen und für Ankäufe, welche nur zum Teil (Museumsstif-tungen) eingeführt ist.

• Die Grazer Gesamtschau brachte ein Problem in den Vordergrund, welches in Linz 1971 zum Thema „Kunstkonsum in der Konsumgesellschaft“ führte. Trotz einer Überfülle von Ideen und Anregungen — allein die eingesendeten Manuskripte füllen einen Ordner von 600 Seiten — fehlte bei diesem Gespräch ein konkretes Ergebnis. Das zu weit gesteckte Thema und vor allem die fehlende Auseinandersetzung mit den Politikern ließen es nicht dazu kommen. Aber noch heute bedeutet das Material dieses Gesprächs eine Fundgrube für den kulturpolitisch Interessierten.

• Aber schon war so viel Erkenntnis gesammelt worden, daß das nächste Thema sich von selbst bot: „Kunst und Verwaltung“ in Innsbruck 1972. Was geschieht für die Kunst in Österreich? Wer tut es? Wird der Künstler verwaltet? Kann der Künstler in der Kulturpolitik mitwirken und wie geschieht das am besten?

War Graz der vielversprechende Anfang, so war Innsbruck wohl der Durchbruch. 140 Teilnehmer, darunter prominente Künstler, kamen in sechs Arbeitskreisen zu einem einhellig angenommenen Entwurf für eine künstlerische Selbstverwaltung, welchem die zahlreichen anwesenden Politiker, Bundesminister Sinowatz, die Landeskulturreferenten Prior/ Tirol, Jungwirth/Steiermark, Moritz/ Salzburg, die Abgeordneten Karasek, Kaufmann, Liptowits, Fleischmann und Hanreich grundsätzlich ihre Zustimmung gaben. Die Gesellschaft für Kulturpolitik war durch ihren Generalsekretär Staininger vertreten und hatte maßgeblich an dem Entwurf mitgearbeitet.

Noch ist der Weg zu einer künstlerischen Selbstverwaltung weit. Das Kulturgespräch wird nicht müde werden, ihn weiterzugehen. Die Hauptschwierigkeit liegt wohl darin, daß eine wirksame Selbstverwaltung der Kulturschaffenden immer in die Nähe einer Art von Kammer für Kulturschaffende gerät, ja geraten muß, wenn sie in unserem Kammerstaat eine Aussicht auf Verwirklichung ihrer Ziele haben soll. Wie anders können das Mitspracherecht der Künstler in Verwaltung und Gesetzgebung, die Mitwirkung an der Wahrnehmung der Standesinteressen, an der Bildung des Nachwuchses und an öffentlichen, kulturellen Unternehmungen wie etwa ORF-Akademie,- Erwachsenenbildung, Kulturpool usw. wahrgenommen werden, wenn nicht in einer kammerähnlichen Organisation? So leicht das einzusehen ist, so wenig schmeckt es vielen. Alles; was Kulturpolitik und Kunstpolitik macht, wird dann einen Partner haben, den man nicht so leicht manipulieren, beherrschen und gängeln kann. Man wird sich nicht aussuchen können, wen man gerade als jeweiligen Repräsentanten der Künste haben will. Man hätte es dann mit gewählten Vertretern zu tun, die ein Mandat haben.

• In diese Richtung ging das nächste Kulturgespräch in Etsenstadt 1973 mit dem Thema „Kunst in der Gestaltung der Umwelt. Modelle für die Kulturpolitik“. Die Arbeitsdokumente der nach Sparten gegliederten Arbeitskreise enthalten eine Fülle von Modellen und Anregungen. Sinowatz verkündete — sich von der organisierten künstlerischen Selbstverwaltung leicht absetzend — seinen Dreistufenplan für die Mitwirkung von Künstlern an der Kunstförderung.

• Zentralthema für das Kulturgespräch Salzburg 1974 war „Bildung durch Kunst“. Wieder bestätigten die Politiker die Ergebnisse der Arbeitskreise, welche die Rolle der Künstler, Pädagogen und Erwachsenenbildner in der Bildungsarbeit festhielten und eine Zusammenfassung bisheriger Vorschläge und neue Modelle brachten.

Dabei wurde offenbar, daß das reiche Angebot der vier ersten Kulturgespräche an die Kulturpolitiker und an die Politik nicht annähernd ausgeschöpft worden war. Einst neue Forderungen waren schon Ladenhüter geworden und noch heute hatte sich nichts wirklich Neues ereignet, keine Reform der Filmförderung, kein Bundestheatergesetz, keine Mitbestimmung der Künstler in der Kunstförderung, keine Steuerförderung.

• Das Kulturgespräch 1975 in Bre-genz lautete „Freiheit der Kunst“. Die Rolle der öffentlichen Institutionen, der Wirtschaft und ihrer Verbände sowie jene der Medien bei der Sicherung dieser Freiheit wurde in drei Arbeitskreisen untersucht.

Zum erstenmal unternahmen wir den Versuch, Journalisten aus Zeitung und Rundfunk in einem eigenen Arbeitskreis über ihre eigene Problematik zu diesem Thema arbeiten zu lassen. Man kann nicht behaupten, daß das auf Anhieb ein Erfolg war. Das eigene Medium wurde nicht kritisiert, das jeweils andere wurde nur sanft angepackt. Die Problematik wurde teilweise gar nicht verstanden. Das Ghettodasein der Kultur innerhalb einer Zeitung wird hingenommen. Außer auf der bestimmten Seite findet Kultur nicht statt.

In Klagenfurt 1976 wird über „Kunst und Macht“ gesprochen. Keineswegs soll im Kulturgespräch über Macht und/oder Kunst philosophiert oder theoretisiert werden. Wie immer, wollen wir pragmatisch vorgehen: Sehen, was ist, was sein soll und erfinden, wie.

Wir wissen nach sechs Kulturgesprächen und vielen Zwischengesprächen, daß wir innehalten und das bisher Erfahrene sichten müssen. Der Berg von Vorschlägen muß erst einmal abgearbeitet werden, bevor wir weiter alte, liebe Ideenkinder hätscheln und munter neue in die Welt setzen. Es wird schon fad, zum x-ten Mal „Freiheit der Kunst in die Verfassung“ zu fordern ' oder nach Kunstbericht, Steuerfreiheit für Kunsterwerb, Selbstverwaltung der Kulturschaffenden, Kunstbeirat, musischer Erziehung, Filmförderung, Theatergesetz, geistigen Umweltschutz und vielen anderen Dingen zu rufen. ,

Wir wollen wissen, warum von so vielen Vorschlägen so wenig verwirklicht ist. Man kann zwar sagen, daß sich das Klima gegenüber der Kultur geändert hat. Man hat in den letzten Jahren entdeckt, daß sich mit kultureller Aktivität ein ganz schönes politsches Image, zumindest bei den Multiplikatoren, aufbauen läßt. Warum aber geschieht nicht einmal dort Entscheidendes, wo es — fast — nichts kostet? So in der Selbstverwaltung der Kunstförderung durch die organisierten Künstler? *

Es hat den Anschein, daß diejenigen, welche die Macht hätten, etwas zu tun, diese Macht nicht nützen. Das ergibt die Frage (und das Thema), wo die Macht sitzt und wer sie verwaltet. Diese Frage dürfen wir nicht im allgemeinen lassen. In einer Art kurzer Staatsbürgerkunde ist das Kapitel Macht durchzunehmen. Dort werden die Namen von Institutionen und Personen fallen.

Die Suche wird leichter sein, wenn man sich erinnert, daß die Mächtigen ihre Macht gerne als Verantwortung bezeichnen und das Wörtchen „Macht“ weniger gern verwenden.

Es gilt, die Macht transparent und die Mächtigen bekannt zu machen. Es gilt auf keinen Fall, die Macht an sich und die Mächtigen verdächtig zu machen. Macht ist legal und wertfrei. Verdächtig wird sie nur dort, wo sie sich zu verstecken sucht, sich geringer macht oder gar verleugnet.

Das ist jener Teil der Frage, der auch auf die Formel „wer ist wirklich schuld“ gebracht werden könnte.

Der andere Teil der Frage wäre: Mit wem kann der Kulturschaffende als Partner rechnen? Die Macht soll nicht geortet werden, weil man den Gegner kennen will, sondern weil man den Partner sucht. Die Kunst, der Künstler, sie haben ja auch Macht. Sie können die Umwelt geistig und — siehe die Architektur — sogar auch physisch erbauen oder zerstören.

Es wird im Lande der Sozialpartnerschaft so etwas wie eine Kulturpartnerschaft geben müssen. Kultur und Macht in dialektischer Begegnung.

Das Klagenfurter Gespräch wird möglichst im Detail herauszufinden haben, wie die heutigen Mächtigen auf das Werk des Kulturschaffenden und auf seine Existenz einwirken. Weder bei der Ortung von' Macht noch bei der Erforschung ihrer Einwirkung auf Werk und Leben des Schaffenden wird man sich soweit einlassen können, auch das mit zu erfassen, was heute in modischer Mehrzahl „Zwänge',' heißt.

Wenn es gelungen ist, Macht zu orten und ihr Wirken zu erfassen, wird sich das Gespräch auf das Feld der pragmatischen Lösungen begeben. Das kann hier nicht vorweggenommen werden. Man weiß noch nicht, ob eine genügende Klärung der Machtstruktur dieses Landes gelingen wird. Man weiß auch nicht, ob im Verlauf der Untersuchung Mächte aufgespürt werden, die nicht so ohne weiteres oder gar nicht zu orten sind. Vielleicht gibt es anonyme Macht, die sich dem Zugriff der Transparenz und somit auch jedem Gespräch und jeder Partnerschaft entzieht und daher höchstens in ihrer Wirkung erfahrbar ist. Ich denke hier an geheime Männerbünde, denen manchmal sehr viel Macht, gerade auf kulturellem Gebiet zugesprochen wird. Schier aussichtslos scheint die Aufgabe, kleine Machtcliquen oder Clans aufzuspüren, die es doch auch geben soll.

Wir dürfen uns also keine perfekten Ergebnisse unserer Analyse erwarten, nicht zuletzt auch deshalb, weil unsere teilnehmenden Künstler aus Selbsterhaltung nicht immer von ihrem ganzen Wissen öffentlich Gebrauch machen können. Das gilt wohl auch für so manchen Teilnehmer am Kulturgespräch, der selbst ein Innehabender' von Verantwortung ist.

Das Gespräch kann Lösungen bringen, die neu sind; es wird aber wahrscheinlich überwiegend Lösungen vorlegen, die schon bei früheren Kulturgesprächen erarbeitet wurden.

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