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Klares Ziel für morgen

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Innovation ist ein oft gehörtes Schlagwort. Wie man aber Neuerungen konkret in einem Unternehmen einführt, zeigt das folgende Beispiel aus einem niederösterreichischen Betrieb.

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Innovation ist ein oft gehörtes Schlagwort. Wie man aber Neuerungen konkret in einem Unternehmen einführt, zeigt das folgende Beispiel aus einem niederösterreichischen Betrieb.

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Nach sechzehnjähriger Tätigkeit in der Sport- und Freizeitbranche als Verkäufer und Einkäufer gründete ich 1975 meinen Betrieb. Mit drei Personen fertigten wir einfache Zubehörartikel für verschiedene Sportbereiche.

Anfangs waren wir in drei gemieteten, baufälligen Objekten untergebracht. Das rasche Wachstum machte es 1980 notwendig, eine neue Fabrik am Ortsrand von Haag zu bauen. Heute — acht Jahre nach Beginn —

beschäftigen wir über 120 Mitarbeiter und exportieren in fast 40 Staaten aller Kontinente.

Alles in allem gesehen konnten wir sowohl mit der Betriebsentwicklung als auch mit der Auftragslage grundsätzlich zufrieden sein. Trotzdem hatte ich im Unterbewußtsein Angst vor der Zukunft. Gerade 1980 verging kaum ein Tag, an dem man nicht von Firmenzusammenbrüchen und Pleiten hören oder lesen konnte.

In Gedanken an die zwar rosige Gegenwart, jedoch eher düstere Zukunft las ich in den Kammer- Nachrichten von einem „Innovations-Referat“, das in Niederösterreich gegründet wurde. Schon bei der ersten Kontaktaufnahme war mir klar, auf dem richtigen Dampfer zu sein. Der Leiter des Referats übernahm selbst deri

„Dirigentenposten“ für unser geplantes Innovationsprojekt.

Der erste Schritt war die Findung eines Firmenleitbildes. Wir hatten unsere Stärken und Schwächen zu analysieren, Neigungen festzustellen und klar zu definieren, in welcher Produktions-, Produkt- und Zielgruppenrichtung wir uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bewegen wollten.

Mit folgendem klarem Bekenntnis war unser Leitbild gefunden: Wir wollten Produkte erfinden, erzeugen und verkaufen, die zum „Transportieren und Schützen“ von Menschen und Sachwerten im Freizeitbereich geeignet sind. Als übergeordnetes, ehrgeiziges Ziel haben wir uns vorgdnommen „Nr. 1“ bei „Nr. 2-Produkten“ zu werden.

War das Wort Innovation bis dahin bestenfalls als Modewort ein Begriff, so war mir spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, was wirklich darunter zu verstehen war: Erneuerung im Denken und Handeln, Erforschung der Zukunft und als Ziel Kreation von Produkten und Leistungen, die aufgrund der veränderten Umweltbedingungen künftig benötigt werden.

Als nächstes erforschten wir, wie sich die Zukunft unserer Zielgruppe in den nächsten Jahren verändern würde, in unserem Fall also die Freizeit. Wir erkannten, daß die Freizeit zwar immer län ger wird, aber immer schwerer finanzierbar. Fazit: Die Menschen werden wesentlich überlegter Geld ausgeben und nur erkennbar sinnvolle Produkte anschaffen. Gleichzeitig wird sich der Trend „Zurück zur Natur“ weiter verstärken.

Die Anforderungen waren also klar. Wir wußten, daß es eine Produktfamilie werden sollte für Menschen, die sich in der Freizeit in der Natur aufhalten und bewegen.

Eine Innovationsrunde wurde gebildet. Sie bestand aus dem Wifi-Innovationsreferenten, einem Designer, einem Erfinder, einem Arzt, einem Orthopäden, aus Spitzensportlern verschiedener Bereiche, einer Mutter, einer Di- rectrice, aus Mitarbeitern der Firma und dem Betriebsinhaber. Bei manchen Sitzungen war auch der spätere Verkaufsstratege dabei, damit auch die Vermarktungsstrategie von Anfang an mitwachsen konnte.

Bei diesen bunt zusammengewürfelten Sitzungen, die in angemessenen Abständen erfolgten, ging es mitunter recht turbulent zu. Sehr viele Meinungen und Ansichten waren auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Vor allem mußten oft gute Ideen aus Verkauf preisgründen wieder auf die Erde zurückgeholt werden.

Nach Anwendung verschiedenster Kreativmethoden, Bewertungshilfen und nach dem Abwä gen verschiedener Faktoren gab es einen Konsens, nämlich eine peue Produktfamilie:

#Eine Hüfttasche mit thermo- isoherter Ein-Liter-Flasche für kalte und warme Getränke, deren Schraubverschluß als Becher verwendet werden kann. Sie bietet Platz für eine Notausrüstung, einen Fotoapparat oder Proviant und ist für fast alle Sportarten und jede Aktivität in der Natur geeignet.

# Ein Fahrräd-Packtaschensy- stem, das (ähnlich dem Raketen- Andocksystem) zum Andocken verschieden großer und verschiedenartiger Taschen an einen Fahrradrahmen geeignet ist. Es ist sehr leicht montierbar, beliebig kombinierbar und daher für kürzere und längere Touren geeignet.

# Ein körpernahes Transportsystem mit einer medizinisch und biologisch konzipierten Rückenplatte, die ermüdungsfreies Tragen ermöglicht. Angedockt werden können sowohl ein leichter Wanderrucksack als auch eine Kindertrage oder eine Einkaufstasche.

Das Wort Innovation ist natürlich kein Zauberstab. In letzter Konsequenz müssen die Produkte entsprechend verkauft werden. Zwei der angeführten Produkte laufen bereits im Handel, das zuletzt entwickelte wird es ab Frühjahr 1984 für Endverbraucher geben.

Daß die Investitionen gut und notwendig waren, beweisen die Reaktionen auf Fachmessen, aber auch zahlreiche Anfragen aus dem In- und Ausland.

Nicht das Spionieren und Kopieren von Konkurrenzprodukten, nicht das Nachahmen von Ideen bringt uns weiter, sondern wir müssen selbst den ersten Schritt tun.

Auszug aus einem Beitrag des Autors auf der Wirtscnaftsbundtagung „Innovationsimpulse für den Mittelstand“ am 18. November 1983 in St. Pölten.

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