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Digital In Arbeit

Ersparnisse an Zeit und Kraft

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Produktivität ist das Maß für die Leistung im Verhältnis zum Aufwand. Unter den vielen Faktoren, die bei der Produktion zusammenwirken, ist die Arbeitszeit der einfachste Gradmesser für sie Niedere Produktivität entspringt nicht immer einem Mangel des Arbeitenden, ungenügender Geschicklichkeit oder geringer Anstrengung. Sehr oft sind es die Arbeitsmethoden, die Maschinen die ihr Niveau im ungünstigen Sinne bestimmen

In einer Textilfabrik wurden z. B die veralteten Maschinen entfernt, an ihre Stelle neue installiert und die restlichen instand gesetzt, so daß Sie ein Maximum an Leistung erreichten. Als Erfolg erhöhte sich die Produktion um 38% und. obwohl die allgemeinen Produktionskosten um 15% gesenkt werden konnten, stiegen die Arbeitslöhne um 17%. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine erstklassige maschinelle Einrichtung tür die Leistung ist Die Zahl der erforderlichen Arbeitsstunden bei dem gleichen Arbeitsvorgang reduziert sich bei modernen Maschinen ganz wesentlich gegenüber veralteten Anlagen. Abei eine zweckmäßige Fabriksanlage und moderne Ausstattung allem garantieren noch nicht den höchst erreichbaren Grad von Leistung, wenn nicht Hand in Hand mit der Organisation des Unternehmens auch eine Konzentration dee Arbeitsprozesses bei den einzelnen Arbeitenden erfolgt.

Viele Arbeiter, die seit vielen Jahren bei einer bestimmten Arbeit stehen, rinden es mitunter schwierig, sich von gewissen alten Gewohnheiten zu trennen, bzw. ihre Arbeiten hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der einzelnen Verrichtungen von einem neuen Gesichtspunkt aus zu prüfen. Gewöhnlich kann hier ein geschulter neutraler Beobachter bessere und wirksamere Methoden zur Ersparung von Zeit und Kraft vorschlagen. Nicht nur weil er vielleicht auf diese Art der technischen Prüfung spezialisiert 16t, sondern weil er unvoreingenommen die Dinge in einem neuen Licht sieht. Gerade wenn eine bestimmte Arbeit seit einet Reihe von Jahren verrichtet wird, werden oft überflüssige Handgriffe gemacht und damit Zeit und Energie verschwendet. Bewegungsstudien zeigen, wie die gleiche Arbeit mit weitaus weniger Anstrengung getan werden kann, wenn oft nur eine ganz geringe Veränderung im Arbeitsvorgang erfolgt. Wenn nach einer solchen Verbesserung sich dann die Leistung des Arbeiters hebt, so nicht, weil er zu dieser höheren Leistung angetrieben wurde, sondern weil Ihm geholfen wurde, seine Arbeitskraft mit größerem Erfolg zu verwenden.

In einer Kleiderfabrik mit 100 Arbeitern machte jeder Arbeiter komplette Kleider vom Zuschneiden bis zur Ausfertigung Auf Grund einer Arbeitsstudie wurde der Arbeits-'ozeß aufgespalten in acht bis zehn Arbeitsvorgänge, von denen Jeder durch eine Gruppe von fünf bis sechs Arbeitern ausgeführt wurde. *!ald darauf konnten sechs Arbeiter ihre Wocher leistung von 80 auf 180 also um mehr als 100% steigern. Viele der Arbeiter erhöhten dadurch ihren Stücklohn sehr beträebt lieh.

Arbeitsstudien in Abteilungen mit vorwiegend manueller Arber bringen in der Regel größeren Erfolg als in solchen, die bereits mechanisiert tind. Di Maschine selbst beinhaltet ja meist schon ein gewisse Auamaß zweckmäßig organisierter Leistung. Doch och in diesen Fallen sind Einsparungen möglich

Einer der Hauptgründe für so manche Zeit- und Kraftverluste ist der Mangel an Vereinfachung der Produkte Der dauernde Wechsel von einer Größe zur anderen einem Gewicht zum anderen, verursacht in vielen Fällen beträchtliche Verluste. Die Maschinen müssen jedesmal gestoppt werden, um sie für die neue Type umzustellen, und während dieser Zeit ruht nicht nur die Produktivität der Maschine, sondern auch die des Arbeiters ist gleich Null. Mit diesem Problem wird jedoch gleichzeitig ein anderes Problem angeschnitten nämlich das der Balance zwischen der arbeitsmäßigen Leistung und dem Wunsch des Konsumenten nach größerei Auswahl. Jedoch auch der Konsument ist an einem möglichst hohen Leistungsniveau interessiert, denn dies ist eine der Voraussetzungen für den Verkaufspreis Deshalb muß der Arbeitsplan eines Unternehmens dahingehen dem Konsumenten zwar eine möglichst große Auswahl zu bieten, jedoch nur soweit dies bei pausenloser Produktion möglich ist.

Ein Weg. dem Arbeiter seinen gerechten Anteil an den Vorteilen der gesteigerten Produktivität zu sichern, ist die Einführung incentiver Entlohnung. Durch eine Produktionsstudie wird der Normalstandard zunächst festgestellt, die Einführung eines Incentiv-Schemas i6t dann verhältnismäßig einfach. Das Prinzip beruht darauf, daß der Arbeiter seinen ihm zustehenden Anteil aus den aus der Verringerung der Arbeitskosten resultierenden Ersparnissen erhält Das Unternehmen profitiert beim höheren Ausstoß durch die reduzier-

tem Kotten bei den allgemeinen Kosten Solcherart incentive Lohnschemen führen in der Regel zu einer Erhöhung der Produktion und der Löhne um über 20%.

Eines darf nämlich nicht vergessen werden: wenn der Impuls zur Produktionssteigerung auch vom Unternehmer kommt, die tatsächliche Erhöhung der Leistung kommt allein vom Arbeiter Freie Arbeiter kann man nicht antreiben, 6ie müssen wissen, warum die Produktionestudien unternommen werden und sie müssen sicher sein, ihren gerechten Anteil an den Errungenschaften der gesteigerten Produktivität zu erhalten und sie müssen Vertrauen haben zu einem System als fair und durchführbar.

Produktivität hebt Löhne

Dem Londoner .Economlst* zufolge stieg die Produktivität bei .General Motors“ von 1948 auf auf 1949 um 22% und von 1949 auf 1950 auf weitere 25%, und zwar im wesentlichen auf Grund von Verbesserungen im Produktionßfluß und infolge kürzerer Leerlaufzeiten bei der Montage GleichzeiUg erhöhte sioh der durchschnittliche Wochenverdienst der Arbeiter von Dollar 64.— im Jahre 1948 auf Dollar 72.50 im Jahre 1950.

Ein kleines Brett genügte

In Birmingham wurden kürzlich im Rahmen einer Ausstellung kleine Erfindungen gezeigt, die von den Arbeitern selbst entwickelt wurden, wenig oder gar kein Geld kosteten und sowohl arbeits-erleichternd als auch produktionsfördernd wirkten.

In einer feinmechanischen Werkstätte z. B. hatte eine Arbeiterin nichts anderes zu tun, als mit der linken Hand ein Säckchen zu halten und mit der rechten aus einer Schale 72 Schrauben aufzunehmen und in das Säckchen zu werfen Die Arbeit war ebenso langweilig wie ermüdend, von den Irrtümern gar nicht zu reden die beim Verzählen entstanden Ein kleines Gerät führte zu einer überraschenden Wendung Die Arbeiterin ließ sich von einem Kollegen ein Rasterbrett mit 72 Vertiefungen anfertigen, über das sie die Schrauben wahllos hinwarf Mit einer Hand-bewegrmg strich 6ie alle, die nicht in einer Vertiefung Platz gefunden hatten, zurück. Garantiert 72 Schrauben ließen sich nun mühellos verpacken. Die Leistung erhöhte sich um 900%, die Arbeit wurde weniger langweilig und die Beanspruchung der Arbeiterin wesentlich geringer als zuvor.

Beratung der Tischlermeister

Während größere Betriebe sich auf die Beratung von Spezialisten und auf die Untersuchungsergebnisse der Laboratorien stützen, ist es für die kleineren Gewerbetreibenden oft schwer, sich mit richtigen Produktionsgrundsätzen und mit den Neuerscheinungen auf dem Markt vertraut zu machen. Die Landesinnung der Wiener Tischlermeister hat daher mit Hilfe des österreichischen Produktivitäts-Zentrums eine Beratungsstelle eingerichtet, die die Erfahrungen vieler Betriebe sammelt und teils in persönlichen, teils über die monatlich erscheinenden „Merkblätter für Tischlermeister' der gesamten Branche zur Verfügung stellt

Die Beratung besteht einerseits in einer Kalkulationshilfe, die dem einzelnen Meister durch eingehende Analysen des Materialverbrauchs und der Reqieberechnung vor Augen führt, wo in seinem Betrieb die Mängel liegen. Besonders wichtig ist auch die Beratung der Meister auf technologischem Gebiet Eine der eisten Aktionen bestand in der Einrichtunq einer Maschinenkartei. Diese stützt sich auf Grundlaqen. die Erzeugerund Händlerfirmen von Holzbearbeitungsmaschinen in Österreich sowie einige schweizerische und deutsche Firmen beigestellt haben. Beratung kostenlos.

Die Maschinenkartei ist für jeden, der an die Modernisierung seines technischen Inventars denkt, von Wert, weil 6ie ihm über die wichtigsten Daten jeder einzelnen Maschine Aufschluß gibt. Auf diese Weise können Fehlinvestitionen vermieden werden.

rtVanlschen Arbeiter Ihr Atv

gehörigen mii ihrem Arbeitsmilieu jnd ihren Berufskollegen bekannt, zeigen ihnen die Maschinen, die sie bedienen und die verschiedenen Arbeitsvorgänge, die sie täglich verrichten. Die Amerikaner wollen dadurch nicht allein praktischtechnisches Wissen verbreiten, sie sind auch überzeugt, daß die Einführung der „open days“ in bedeutendem Maße zur Erhöhung der Arbeitsfreude und damit der Leistung beiträgt.

Keine unnötigen Bewegungen

Der Besitzer iiner Schuh fab'-k in Auturt Louis Dou heret, führte nach seiner Rückkehr von einer Studienreise nach den Vereinigten Staaten, die er mit Unterstützung der Marshall-Pan-Hilfe unternommen hatte, eine Reihe von Verbesserungen in seinem Betrieb ein. In der Hauptsache handelte es sich dabei um die Ausschaltung unnötiger Bewegungen und der damit verbundenen Anstrengungen. Eine Produktionssteigerung von täglich 400 bis 600 Paar Lederschuhen war das Ergebnis verschiedener Umstellungsmaßnahmen. Für die Arbeiter konnten Lohnerhöhungen um 20% durchgeführt werden.

„Technical Assistance“

Für die Förderung der Produktivität der österreichischen Industrie kommt jener Abteilung der Marshall-Plan-Verwaltung besondere Bedeutung zu, die unter dem Namen „Technical Assistance“ allgemein bekannt geworden ist. Ein Teil davon betrifft die Studienarbeit amerikanischer Fachleute in Europa, während der andere wesentlichere Teil den Kontakt zwischen Gruppen europäischer Industrieabordnungen und den amerikanischen Industrien betrifft.

In einem Monat allein unternahmen fünfundzwanzig solcher europäischer Teams mit einer Teilnehmerzahl von 400 technischen Fachleuten Reisen von insgesamt 7500 Meilen durch die Vereinigten Staaten. Die Teams setzten sich aus Vertreiern jedes einzelnen Funkiionsbereiches innerhalb der Industriebetriebe zusammen: Geschäftsführung, Arbeiter, Techniker. Ihr Ziel war umfassend sämtliche Methoden, Verfahren oder Ratschläge heimzubringen, die geeignet erscheinen, die Produktion Europas zu erhöhen. Zehn lahre lang waren die europäische Industrie und die Landwirtschaft von de. Welterfahrung isoliert, während die Produktion in den USA auf vollen Touren lief.

Technical Assistance beschränkt sich durchaus nicht nur auf Fabriken. Holländische Bauern lebten und arbeiteten auf amerikanischen Farmen, Österreicher studierten amerikanische Holzverarbeitungsmethoden. Norweger prüften amerikanische Bergwerke, um die im Krieg zerstörten wieder verbessert aufbauen zu können. Ein Team türkische/ Ingenieure analysierte die amerikanische Wasserkraftkontrolle und Stromverteilung. Dänen kamen, um Methoden der Fleischverpackung zu untersuchen.

Die Teams arbeiten äußerst intensiv. Bei der Besichtigung eines Betiiebes hat jeder Delegationsteilnehmer seine be stimmte Anweisung, worauf er sein Augenmerk zu lenken hat. Dei darauffolgende Tag steht für die Diskussion zur Verfügung Jede' einzelne erläutert seine besonderen Erkenntnisse und de Gesamtheit der Eindrücke vvird zu einem gemeinsamen Bericht verarbeitet. Die maßgebliche Zahl ist die Produktion pro Mann im lahr.

Wenn das Team zurückkehrt, vereinigt es die einzelne/1 Berichte in einem umfassenden Hauptbericht mit Interpretation und Anweisungen, die der heimischen Industrie anempfohlen werden.

Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Wirtscbattsverlag Druck- und Verlagsges m. b. H.. Um. — Für den Inhalt verantwortlich: Chet-redakteur Leonidas Martinides, alle Wien, 1., Bankgasse i — Druck: E Metten NW„ Wien, IX., CaniJlu-

greifen an, in welche unheimliche Gefahr Ich selber geraten war. Die Füße fanden Immer noch nicht festen Grundj ich fühlte sogar, daß ich langsam, langsam tiefer absank. Allmählich verschob •Ich die Ursache meiner Angst und Qual — aus der zähe breiigen Tiefe herauf kroch mir eine Eiseskälte empor bis ans Herz. Was weiß ein Kind vom Tod?

Ich schrie: .Vater, Vater!', doch nicht die Moorweite und nicht die Spiegelfläche des Wassers gaben ein Echo zurück. Als das Ziehen nichts mehr half, ließ ich mich zurücksinken und breitete die Arme aus. Die Tränen liefen mir über die Wangen und schmeckten salzig auf den Lippen, aber ich konnte es ihnen nicht wehren. Ich begann zu beten aus meiner tiefsten Not mit einer Glaubensinbrunst, die Berge versetzen mußte. Allmählich erfüllte mich eine seltsam gehobene Ruhe.

Als es drüben im Schilf auf einmal wieder aufrauschte, dachte ich wieder an die Rinder, die mir ganz aus dem Sinn entschwunden gewesen waren. Die Kühe, ach, Vater, jetzt kann ich mich nicht mehr sorgen um siel So dachte ich in meinen Flüsterträumen. Ich hab getan, was ich bei meinem Bubenverstand nur konnte — vielleicht kannst du es mir noch verzeihen, daß es soweit gekommen istl

Ich hob die Augen und wendete langsam den Kopf gegen das Land hin. Ich glaubte schon ganz ruhig zu sein, aber jählings gab es dem Herzen einen Ruckl Denn da tappten die Rinder, eines hinter dem andern, aus dem Schilf heraus, schüttelten ihre Flanken und schauten unschlüssig herüber zu mir, als warteten sie darauf, daß ich mein Hirtenamt wieder anträte.

Doch zu dieser Stunde konnte ich es nicht mehr. Da trabten die Kühe langsam über den Moorweg heimzu. Ich blickte ihnen nach, bis mir die letzte aus den Augen entschwand.

Dann breitete sich eine tiefe Stille um mich. Von Zeit zu Zeit schrie ich noch, doch ich vertraute nicht mehr dem Hall meines Rufes. Ich sank immer noch langsam, langsam tiefer. Zuletzt versiegten sogar die Tränen; ich lächelte zu den Schäfchenwolken hinauf, die lautlos über mich hinwegzogen.

Ich schloß die Augen und wartete, daß der Vorhang der Welt herabsank vor mir. So ergeben kann man werden, wunderte ich mich. Ich wartete — wartete —

Ich fuhr aber zusammen, als hinter mir ein jäher Ruf aufsprang!

.Bub, Bubi Was tust du da!“ Ein plötzliches Erschrecken lag in den kurz hervorgestoßenen Worten.

Da konnte ich auf einmal wieder jubeln! .Vater, Vater, weil du nur da bist!*

Ich konnte dem Vater nicht einmal zusehen bei seinem Rettungswerk und mußte nur regungslos warten, bis er hinter mir kniete und mich aus den zähen Klammerarmen des Morrschlamms zog. Dann sah ich es erst, daß er von der nahen Moorbrücke die Bohlen gerissen und mit ihnen bis zu mir heraus einen schwimmenden Steg errichtet hatte.

Als mich der Vater auf dem festen Boden draußen hinstellen wollte, sank ich zusammen. Vielleicht war ich gelähmt von der Kälte im Leib, vielleicht war es nur die Erschöpfung nach der Angst — ich lag hilflos zu Füßen des Vaters und lächelte nur unter leisen Tränen. Da geschah es das erste und lebenseinzige Mal, daß ich den Vater weinen sah. Aufschluchzend kniete er hin vor mich und rieb mir den Körper trocken und warm. Wie ein Vorhang zog es sich da weg von meinen Augen — in dieser Stunde lernte ich meinen wirklichen Vater kennen, wie heiß mir sein Herz entgegenschlug, das sonst immer verborgen blieb unter der Kruste der Arbeitsmühe und des Herkommens.

Später lud mich der Vater auf seine Schultern und trug mich heim. Weiter gibt es auch nichts mehr zu erzählen. Daß mich der Vater suchen gegangen war, als die Kühe allein kamen, daß er bald die Rinderspuren im Moor gesehen hatte, die ihn zum See herauswiesen, das war leicht zu erraten.

Wenn ich heute aber zurückschaue auf die weit, weit hinabgeglittenen Jahre meiner Kindheit, dann weiß ich es, daß tiefer als tausend wohlgesetzte väterliche Worte jene Stunde durch mein ganzes Leben wirkte, da ich in der wortlosen Erschütterung meinen Vater kennenlernte.

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