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Klimawandel oder Taktik?

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Mit Vorschußlorbeeren wurde der neue Staatspräsident Südafrikas Frederik Willem de Klerk in den letzten Monaten häufig bedacht. Während Pretorias verunsicherter Propagandaapparat die obsoleten Losungen der Botha-Zeit nur mühsam zu ersetzen weiß, sind Amtsantritt und erste politische Schritte der neuen Mannschaft in der breiten Öffentlichkeit mit Genugtuung aufgenommen worden.

Vor allem die Freilassung von acht der prominentesten politischen Gefangenen Südafrikas - darunter

des früheren ANC-Generalsekre-tärs Walter Sisulu - am 14. Oktober und die Ankündigung von weiteren Reformen wurden als Zeichen einer flexibleren Haltung gedeutet. Und mit der Verlängerung der Rückzahlungsfristen für die fälligen Kredite trugen auch die internationalen Gläubigerbanken zum allgemeinen Optimismus bei: Kommt es nun tatsächlich zur Entspannung im Apartheidstaat?

Nicht zum ersten Mal freilich ist der Amtsantritt eines neuen Herrn im Unionbuilding von euphorischen Untertönen begleitet. Schon Pieter Willem Botha hatte - trotz Spaltung seiner eigenen Partei und gegen den anhaltenden Widerstand unter anderen eines Erziehungsministers namens de Klerk - seine eigene Regierungszeit mit einem „adapt or die“ begonnen.

Botha war es auch gewesen, der durch den neuen Kurs in der Nami-

bia-Frage eine neue Konzeption der regionalen Hegemonie Pretorias im Südlichen Afrika vorantrieb, und der - freilich ergebnislos - durch Geheimverhandlungen mit Nelson Mandela Möglichkeiten einer Spaltung des African National Congress sondierte.

Ruhm- und vor allem erfolglos ging Bothas zehnjährige Amtszeit dennoch zu Ende. Trotz aller „Reformen“ waren weder innere Stabilität noch internationales Ansehen wiederhergestellt. Nur der Ausnahmezustand und ein durch Zensurbestimmungen mühsam kaschierter militärischer Brutaleinsatz in den Townships konnten einigermaßen die Vorstellungen von „law and order“ sichern. Und der Widerstand war auch dadurch, wie der fast vollkommene Wahlboykott der Kommunalwahlen vom Oktober 1988 durch Schwarze, Inder und Farbige zeigte, nicht zu brechen.

Nicht zuletzt deshalb ist de Klerk in seiner Anpassung an politische Realitäten in mancher Hinsicht weiter als sein Amtsvorgänger gegangen.

In dieser Politik kommen zum einen die Konsequenzen aus dem gewachsenen internationalen Druck auf Südafrika - internationale Sanktionen haben in den vergangenen Jahren eine merkliche Einschränkung des Handels und den Abfluß von etwa einem Drittel des gesamten ausländischen Investitionskapitals bewirkt - zum Ausdruck. Zum anderen und vor allem sind hier bemerkenswerte Lehren aus den Township-Auf ständen nach 1984 gezogen worden: Selbst unter den Bedingungen des Notstands ist auf Dauer die in einem Prozeß politischer Einigung und Organisierung begriffene schwarze Bevölkerungsmehrheit militärisch nicht mehr unter Kontrolle zu halten. Um die Grundpfeiler der Apartheid zu retten, wird die Entwicklung einer neuen politischen Perspektive in Richtung auf eine politische Einbindung der demokratischen Massenbewegung - und damit des ANC - für erforderlich gehalten.

Was angesichts der Ereignisse der letzten Monate auch nicht verwundert. Denn was im Sommer als Defiance Campaign der demokratischen Massenbewegung begonnen hatte, sich im September anläßlich der Rückführung der Leiche des prominenten ANC-Unterstützers King Sabata Dalindyebo nach Transkei sowie Mitte Oktober mit Protesten gegen den neuen, arbeitsrechtlich repressiven Labour Rela-tions Amendment Act fortsetzte und Ende Oktober mit der von knapp hunderttausend Menschen besuchten Willkommenskundgebung für die freigelassenen Häftlinge im Stadion von Soweto einen Höhepunkt erreichte, war nichts ande-

res als eine gewaltige Demonstration der Präsenz des ANC innerhalb Südafrikas. Von Polizei und Behörden toleriert, ist damit der Prozeß der faktischen Entbannung des ANC in Südafrika eingeleitet worden.

Über eine Änderung des bestehenden Systems,'etwa eine neue Verfassung mit einer Art parlamentarischer Vertretung für Schwarze, könne durchaus mit allen, die an einer friedvollen Zukunft des Landes interessiert seien - auch mit dem ANC oder Teilen des ANC -gesprochen werden, wird offiziel-lerseits nun immer wieder betont.

Diese Idee einer „Kooptierung“ des ANC in das bestehende politische System wird auf Seiten der Befreiungsbewegung allerdings strikt abgelehnt. Verhandlungen könne es nicht über Veränderungen, sondern nur über die Beendi-

gung der Apartheid geben, erklärte etwa der „Außenminister“ des ANC, Thabo Mbeki, anläßlich eines Treffens mit Vertretern der österreichischen Anti-Apartheid-Bewegung Mitte Oktober. Darin liegt eben der Unterschied zwischen den Vorstellungen des ANC und jenen de Klerks. Und Verhandlungen dieser Art könne es nicht geben ohne die Schaffung eines entsprechenden Klimas, worunter etwa die Freilassung Nelson Mandelas und aller anderen politischen Gefangenen, die offizielle Wiederzulassung aller verbotenen politischen Organisationen sowie die Aufhebung aller Ausnahmegesetze zu verstehen seien.

Ob es in absehbarer Zeit zu derartigen Verhandlungen kommen wird - auch wenn der Ausnahmezustand aufgehoben und Mandela in Kürze freigelassen werden sollte

- , sei dahingestellt. Keine der Äußerungen de Klerks deutete bisher eine Bereitschaft an, über eine Abschaffung der weißen Gewaltherrschaft am Kap insgesamt verhandeln zu wollen.

Kommt es nicht zu Verhandlungen, ist folgendes Szenario möglich: Der Rückgriff auf Bothas Militärs und „Securöcrats“ im Zeichen der bestehenden oder neuer Ausnahmegesetze. Eine Option, die mit dem 1989 neuerlich (und trotz des vereinbarten Rückzugs der südafrikanischen Armee aus Namibia) beträchtlich angestiegenen Rüstungsbudget übereinstimmen würde.

In der Reihe „Dokumentationen“ der österreichischen Anti-Apartheid-Bewegung ist soeben der Band 6 „Nelson Mandela - Ein Porträt“ mit neuen Mandela-Texten erschienen. Bezogen werden kann das Bändchen bei AAB, 1061 Wien, Postfach 146.

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