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Digital In Arbeit

Meta-Trends ins nächste Jahrtausend

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Wird Arbeit wieder interessanter als Freizeit? Was wollen die Mitarbeiter von morgen und wie müssen Führungskräfte das „managen?" Welches weltwirtschaftliche Umfeld erwartet Österreich? Manche Perspektiven für das Jahr 2000, sagen Experten, sind atemberaubend.

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Wird Arbeit wieder interessanter als Freizeit? Was wollen die Mitarbeiter von morgen und wie müssen Führungskräfte das „managen?" Welches weltwirtschaftliche Umfeld erwartet Österreich? Manche Perspektiven für das Jahr 2000, sagen Experten, sind atemberaubend.

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Der 1. Jänner 2000 wird vielleicht ein Tag wie jeder andere sein. Dennoch bringt der jetzt erfolgte Anbruch des letzten Jahrzehnts vor der Jahrtausendwende eine Hochkonjunktur für all diejenigen nach sich, die uns erklären wollen, was ab diesem Datum alles ganz anders sein wird (oder sein muß).

Viele sind überzeugt, daß diese letzten zehn Jahre ganz besonders „atemberaubend" sein werden.

Wieviel man darauf geben kann, zeigt die Tatsache, daß praktisch alle Sterndeuter bis vor kurzem nicht recht sagen konnten, was denn im Detail so atemberaubend sein wird, bis die Entwicklung im Ostblock sie von ihren diesbezüglichen Qualen erlöste.

Wie dem auch sei: Eines der seriöseren und beachtenswerten Bücher dieses Genres hat Gerd Gerken, ein Unternehmensberater aus der Bundesrepublik, unter dem Titel „Die Trends für das Jahr2000" vorgelegt. Er begnügt sich nicht mehr mit den Naisbitt'sehen MegaTrends, sondern für ihn müssen „Meta-Trends" her. Denn die MegaTrends sind bereits wieder „viel zu paradox und zappelig" geworden, um wirkliche Orientierungshilfen zu bieten. Ihnen auf höherer Ebene übergelagert sind eben die MetaTrends, die sich durch größere Komplexität und Grundsätzlichkeit auszeichnen.

Damit hat Gerken die „Adlerperspektive" gefunden und identifiziert von dort aus stechenden Blicks lediglich sechs essentielle MetaTrends, die es teilweise allerdings tatsächlich in sich haben:

• Der erste Meta-Trend bezieht sich auf ein völlig neues Denken in „ökoethischen" Kategorien. Gerken warnt eindringlich davor, die derzeit zu beobachtenden grünen Trends als parteipolitische Spielart links oder sonstwo liegenzulassen. Diese werden vielmehr zu den stabilsten Strömungen der neunziger Jahre gehören und zusammen mit sozialen Neukonstruktionen dieses Jahrzehnt überhaupt erst bewältigbar machen. Im Begriff „Öko-Sozialismus" dürfe der Sozialismus nicht nur als reine Ausgleichsfunktion zu sozialen Verzerrungen verstanden werden (wie etwa in der Sozialen Marktwirtschaft). Er weist vielmehr auf die Notwendigkeit grundlegender sozialer Umgestaltungen hin.

• Reichlich diskutabler erscheint der zweite Meta-Trend, der sich „Trend zur Informations-Ökonomie" nennt. Hinter diesem schon älteren Hut verbirgt sich bei Gerken aber mehr, nämlich ein Trend zur mündigen Fortschrittsbejahung. High-Tech wird wieder mehr akzeptiert, ja geradezu zur Grundlage einer „zweiten Moderne" werden, durch welche die Überwindung von „Rückwärts-Nostalgie" und Fortschrittsverneinung gelingen soll.

Eine entscheidende Rolle wird dabei natürlich die Elektronik spielen, durch die der „entscheidende Schritt zu einer dienenden Technologie" getan werden kann. Die Angst vor Robotern und vor der Gen-Technologie (!) wird völlig abgebaut werden und diese werden dem Menschen als Instrumente Untertan gemacht. Von „ethisch disziplinierter Konditionierung der Natur" ist die Rede. Ja, sogar die neuentdecktenmythisch-spirituel-len Neigungen der New-Age-Be-wegten werden über die Elektronik eingefangen beziehungsweise über diese auch wieder auf Knopfdruck abgerufen: Spirituelles per Chip, das hat noch gefehlt - die berüchtigten amerikanischen Fernsehprediger werden dagegen wie Stümper aussehen.

• Etwas unproblematischer erscheint der dritte Meta-Trend, genannt der „Pazifik-Trend". Gemeint ist die Verlagerung diverser Schwerpunkte weg von Europa in Richtung Osten, eben in den pazifischen Raum. Diese Verlagerung ist nicht nur ökonomisch zu sehen - das wäre schon bekannt -, sondern vor allem auch als geistigkulturelle Konkurrenz, als Kampf des asiatischen gegen den europäischen Geist.

Es stimmt nicht, sagt Gerken, daß die asiatische Philosophie und Kultur zu weich und zu wenig dynamisch im Vergleich zur europäisch-protestantischen Wirtschaftsauffassung seien. Die Asiaten werden entgegen anderslautender Meinung ihre Anpassung an die weltwirtschaftlichen Erfordernisse auch nicht mit einem kulturellen Absturz bezahlen müssen.

Im Gegenteil: In Asien selbst wächst das Selbstbewußtsein und man kommt immer mehr zur Überzeugung, daß die dortige Kultur die Kultur der Zukunft sein werddeshalb, weil die europäischtur auf der Beherrschung votur und Umfeld beruhe undimmer mehr an ihre GrenzenDie asiatische Kultur hingegeine Kultur der AnpassungGegebenheiten, und das weZukunft die notwendige Strsein. Wenn die Europäer mitwollen, müssen sie mehr Elevon Zen, Tao und Konfuzinehmen.

• Der vierte Punkt ist übersben mit „Die Gesellschaft wigleicher" .Damit verbindet sicerst in zweiter Linie Soziaetwa an der Tatsache zunehmVerarmung der südlichensphäre oder an der Entstneuer unterprivilegierter Sten. Gemeint sind „Fragmrung" und „Regionalisierunwird immer mehr „Szenenunterschiedlichen Werthaltgeben, auf die sich Warenpzenten und politische Parteiestellen müssen. Es wird auMobilität sowohl in regiHinsicht wie auch zwischeGruppen steigen. Zwar beGerkeh, daß durch den Fortbhoher Arbeitslosigkeit undAufkommen von „neuer Armut" gleichfalls eine Segmentierung eintritt, sieht in dem ganzen Komplex aber eher nur ein Problem für die Marketingabteilungen der Unternehmen, die allen Gruppen et asiatische Denkweisen als geistig-kulturelle Konkurrenz was anzubieten haben müssen.

• Nicht besonders erfreulich ist auch, was als fünfter Meta-Trend unter der wunderbaren neusprachlichen Bezeichnung „Babyboomer verändern unseren Lifestyle" angeboten wird.Im Jahr 2000 werden die herangewachsenen Folgen des Babybooms der Jahre zwischen 1960 und 1970 weitgehend den Ton angeben. Es sind die Kinder der Protestgeneration, der Zeit der Hippie- und Studentenbewegungen, aber auch Kinder einer echten Wohlstandsphase, teils antiautoritär erzogen und von klein auf dem Einfluß des Fernsehens ausgesetzt. Daraus ergeben sich notwendigerweise gewisse fixe Erwartungshaltungen dieser Generation.

Gerken und andere glauben, daß diese Erwartungen in erheblichem Ausmaß frustriert werden müssen, zunächst schon einmal deshalb, weil diese Bevölkerungskohorte eben relativ zahlreich ist. Nicht jeder (oder genauer gesagt: anteilsmäßig noch weniger als jetzt) wird eine halbwegs akzeptable Karriere machen können. Die Babyboom-Generation wird sich einigermaßen einschränken müssen, und das wird ihr gerade aufgrund der Umstände in der Zeit ihres Auf Wachsens recht schwerfallen. Ein Protestpotential, aber auch die Gefahr des Abglei-tens in spirituelle Ablenkungen und in Esoterik werden entstehen.

„Revolutionen" werden dabei eher konservativen bis reaktionären Charakter haben.

• Wieder mehr dem Unternehmensbereich ist der sechste Meta-Trend zuzuordnen. Es ist der Trend zum CIM-Marketing (CIM steht für Computer Integrated Manufactu-ring) und folgt eigentlich weitgehend aus den diversen anderen Trends.

Die erwähnte Fragmentierung und Unkalkulierbarkeit der Konsumentenwünsche erfordern eine hohe Flexibilität im Unternehmensbereich, die nur durch Computerisierung und Roboterisierung zu erreichen ist. Das wird unter anderem vor allem für die Markenartikel-Industrie ein Umdenken bedeuten, deren Produkte viel zu starr und unwandelbar sein werden.

Alles in allem sind das interessante Perspektiven, wenn einem auch nicht jeder Meta-Trend behagen mag. Teilweise provokant formuliert, können sie Grundlage für Diskussion und eventuell auch für Überlegungen sein, wie man dem einen oder anderen Meta-Trend vielleicht doch noch entkommen kann.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Experte in der Nationalbank.

DIE TRENDS FÜR DAS JAHR 2000. VonCerd Gerken. Econ-Verlag, Düsseldorf, Wien, New York 1989.

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