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Nicht am Hirn sparen

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Am 14. November gehen Studenten und Hochschullehrer gemeinsam auf die Straße. Sie protestieren gegen unsinnige Kürzungen beim Personalaufwand der Universitäten.

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Am 14. November gehen Studenten und Hochschullehrer gemeinsam auf die Straße. Sie protestieren gegen unsinnige Kürzungen beim Personalaufwand der Universitäten.

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Im eben angelaufenen Wintersemester 1984/85 wurden an allen österreichischen Universitäten Lehraufträge in verschieden hohem, insgesamt aber beträchtlichem Ausmaß vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gekürzt. Die Hochschule Linz setzte sich auch prompt mit einer Streikaktion dagegen zur Wehr. Demnächst wird auch in der Bundeshauptstadt eine großangelegte Demonstration stattfinden.

Die untenstehende Tabelle bezieht sich auf die Universität Wien und zeigt, daß diese Lehr-auftragskürzungen nach völlig undurchsichtigen Kriterien und — was noch schlimmer ist — auch ohne Rücksicht auf den vielfach durch neue Studienordnungen bedingten vermehrten Bedarf an Unterrichtsfächern und entsprechenden Lehraufträgen erfolgten.

Das Problem erschöpft sich aber nicht in der Tatsache, daß Vater Staat — wieder einmal — die Folgekosten eigener Maßnahmen — Massenuniversität verbunden mit neuen Studienordnungen und Vermehrung der Lehrfächer — nicht bedacht hat oder wenigstens nicht zu tragen bereit ist. Die Kürzungen gingen noch viel weiter.

So wurde beispielsweise der an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eingerichtete „Lehrgang für internationale Studien", der eine der ganz wenigen post-graduate Studien darstellte und mehr zur Völkerverständigung beitrug als so manches Konferenzzentrum, zur Gänze gestrichen.

Um die dadurch erzielte Einsparung ins rechte Lot zu bringen: sie beträgt ziemlich genau 84.000 Schilling pro Semester. In diesem

Zusammenhang sei auch einem Hochschullehrer — unter voller Achtung des dafür bestehenden Politikermonopols - ein kleiner demagogischer Vergleich gestattet. Allein für die Abwrackungs-kosten des Kraftwerks Zwebendorf - nach letzten Informationen rund 800 Millionen Schilling -könnte man diesen Lehrgang 4700 Jahre lang veranstalten.

Das Stichwort Zwentendorf bringt uns zwangsläufig zum Kernproblem: wenn der Staat schon sparen muß, so soll er es tun - aber mit Hirn, nicht am Hirn.

Die Kürzungen der Lehraufträge erscheinen noch problematischer, wenn man sie vor dem aktuellen gesamtgesellschaftlichen Hintergrund sieht. Minister Fischer wird nicht müde, mit einer Unmenge von Zahlen zu beweisen, daß der Lehr- und Forschungsaufwand des Bundes ohnehin stetig steige.

Mag sein, nur muß man dazusa-gen, daß diese Mittel immer mehr in außeruniversitäre bundeseigene oder bundesnahe Institutionen fließen, die nicht dem Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes („Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei"), dafür aber bei Bedarf dem direkten Zugriff der Regierung unterliegen.

Sehr selten werden Universitätsinstitute mit politisch brisanten Forschungsaufgaben betraut, und so kann es vorkommen, daß eines der für den (Nicht)Bau des Kraftwerks Hainburg maßgeblichen wissenschaftlichen Gutachten von einem Professor stammt, der zwar große Erfahrung in Presseprozessen, aber kein abgeschlossenes Hochschulstudium aufzuweisen hat.

Aber nicht nur hinter dieser Verlagerung von Forschungsmitteln weg von den Universitäten und hin zu gefügigeren Institutionen steckt traurige Methode, sondern auch hinter den Lehrauf-tragskürzungen. Sie sind nämlich das konsequente Ergebnis einer Auffassung von Politik, die darin besteht, den auftretenden Sach-zwängen dadurch zu entsprechen, daß man immer nur jenen weh tut, von denen die geringste Gegenwehr zu erwarten ist.

Dies trifft auf die oft wirklich idealistisch gesinnten Hochschullehrer durchaus zu, die aufgrund der für diesen Berufsstand typischen Persönlichkeitsstruktur kaum gewerkschaftlich organisiert sind und die seit Jahren nicht gerade verwöhnt werden.

Was bei dieser Art von Politik, die zwangsläufig immer größere Ungerechtigkeiten produziert, auf Dauer vollends auf der Strek-ke bleibt, heißt schlicht „Moral" und hat sich schon vor längerer Zeit aus Österreichs Innenpolitik leise verabschiedet.

Vor diesem Szenario darf es nicht verwundern, wenn sich die Universitäten nun ebenfalls massiv gegen Kürzungen in ihrem Bereich zur Wehr setzen, wobei sie sich aber zugute halten können, dies nicht nur im eigenen, sondern vor allem im Interesse der von der Bundesverfassung als unabhängig gedachten Lehre und Forschung zu tun.

Am 14. November werden erstmals Studenten und Hochschullehrer Schulter an Schulter von der Universität zum Minoriten-platz marschieren. Im Wissenschaftsbereich steht ein „heißer Herbst" bevor.

Der Autor ist Universitätsassistent und Mittelbauvertreter im Akademischen Senat sowie Vorstandsmitglied des Wiener Universitätslehrverbandes.

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