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Randhemerkungen zur woche

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DER BUNDESHAUPTSTADT STEHT demnächst eine „Kultur wo che“ und in etwas jernerer Zukunft die sogenannte „Wiener Saison“ bevor. Die Veranstalter der „Kulturwoche“ haben ein Programm aufgestellt, in dem einige Punkte enthalten sind, die mit Kultur wahrhaftig nicht viel zu tun haben. Da ist zum Beispiel jener sonderbare Wettbewerb, ' in dessen Verlauf österreichische Dichter pleitere“ Verse über die einheimische Automo-bilistilc zu dichten haben: die Verfasser der besten Gedichte werden, dies ihr Preis, 24 Stunden lang Gäste von Auto-b e sitzern sein, welch letztere dafür wahrscheinlich als „Kultur(be)förderer“ ins Goldene Buch des Österreich-Instituts eingetragen werden. Und Vorschläge, nach denen die Theater eine Woche lang kostenlos spielen und die Museen sieben Tage hindurch keinen Eintritt verlangen sollen, sind, wenn man sie genauer bedenkt, alles andere als begrüßenswert. Denn Kulturgüter werden in den Augen der Masse nicht wertvoller, wenn sie von einem billigen Jakob umsonst abgegeben werden; daß im übrigen die Eintrittspreise in den Museen außerordentlich niedrig sind und im Falle der Theater nicht an deren schlechten Besuch schuld sind, sei in Paranthese hinzugefügt. Nein, fiese „Kulturwoche“ ist nicht dazu angetan, viel Freude zu erwecken. Schlimmer noch aber — weil von offizieller Stelle geplant — dürfte die sogenannte „Wiener Saison“ werden, die in seltsam und nicht sehr großstädtisch anmutender Weise kulturelle Veranstaltungen und — Fußballspiele miteinander zu mücen gedenkt; hier wird, vielleicht in der beuten Absicht, vielleicht auch unbewußt, auf die massenanziehende Kraft des Kitschs und der lokalgefärbten Pseudokultur spekuliert, die dann entsteht, wenn man ein Radrennen mit Walzerklängen untermalt. Es scheint uns, als ob man den Wiener Fremdenverkehr mit anderen und weniger die Begriffe verwirrenden Mitteln, besser fördern könnte.

AUS DEM RUNDFUNK TÖNTEN DEM

Österreicher, der in diesen Tagen im Rundfunk der Ravag die Morgennachrichten hören wollte, stürmische Trompetenstöße entgegen, gefolgt von rabiaten kommunistischen Proklamationen, denen als sinnvoller Abschluß wieder kriegerische Musikfanfaren folgten: Diesmal also keine Unterschriftenwerbung für den Frieden, im Gegenteil: Haß und Hetze. Das war nun freilich keine Ausnahme. Zu allen Tageszeiten konnte man jetzt durch die im Dienste der Ravag überall eingestreuten „russischen Sendungen“ der beiden „Wiener“ Sender Kampf- und Streikparolen verkünden hören, die in keinem anderen Lande West- oder Osteuropas, am allerwenigsten in Sowjetrußland, über den staatliehen Rundfunk laufen dürften. Wien hat zwar eine Sende anläge, aber — auch im sechsten Jahre nach Kriegsende und der verheißenen Befreiung — noch immer nicht die Verfügungsgewalt über das Sende Programm. So gehen auf der Wiener Welle Nachrichten in die Welt, für die unser Land jede Verantwortung ablehnen muß. Ein Gegenstück zur „österreichischen Zensur“, die im Widerspruch zur österreichischen Verfassung In bestimmten Teilen des Landes auf unsere Kosten auf rechterhalten wird. Beide Einrichtungen haben immerhin den einen Vorzug, auch dem simpelsten Denker beispielsweise klarzumachen, welche Herrlichkeiten eine Volksdemokratie kommunistischer Gattung ihm zu schenken gedächte.

DIE SOZIALISTISCHE WIRTSCHAFTS hilfe der Arbeit er Studenten Österreichs hat letzte Woche ihr drittes Wiener Studentenheim — diesmal in Biet-zing und für Studentinnen aus den Bundesländern bestimmt — feierlich eröffnet. Beizufügen ist: Innerhalb von drei Jahren das dritte. Wie die Sozialistische Korrespondenz mitfeilt, hofft die Aktion in Kürze schon ein viertes Heim zur Verfügung stellen zu können. Sie betreut jetzt ständig 170 mittellose Hochschüler aus Arbeiterfamilien und hat seit ihrem dreijährigen Bestand in Form von Beihilfen, kurzfristigen Darlehen, Heimkosten oder von geldlichen Zuwendungen rund 350.000 Schilling verteilt. Die Regiebeiträge der Heimbewohner werden in der Höhe von 27 bis 40 Schilling bemessen. Der Bericht vermerkt: „Die erste Schwierigkeit, die sich dem mittellosen Studenten aus den Bundesländern entgegenstellt, ist die Beschaffung eines Quartiers. Dank der Hilfe der Gemeinde Wien konnte diese Bürde genommen werden.“ — Man wird der Aktion die gebührende Achtung nicht versagen, weil sie politisch begrenzt ist. Auf katholischer Seite hat man bisher nicht einmal das Kardinal-Piffl-Xeim. in der Zeltgasse, das jetzt no. von der amerikanischen Besatzungsmaäx verxoendet wird, freibekommen können. Noch viel weniger ist den vielen mittellosen nichtsoziolwti-schen Studierenden aus den Mitteln der Gemeinde Wien eine Erleichterung der Wohnungsnot zuteil geworden. Das Warum? ist einer ernstlichen Gewissenserforschung in den eigenen Reihen wert.

SIEBZIG NOTLEIDENDE WISSENschaftliche Verbände Österreichs haben sich bekanntlich vor Jahresfrist zu einem „Notring“ zusammengeschlossen, der dieser Tage seinen ersten Jahresbericht der Öffentlichkeit unterbreitete. Aus ihm geht hervor, daß derzeit etwa vierhundert druckfertige wissenschaftliche Arbeiten bedeutenden Wertes — darunter Lebenswerke hervorragender Gelehrter — in den Laden ihrer Verfasser liegen, weil das Geld zur Drucklegung fehlt. Der „Notring“ hat versucht, aus den Erträgnissen des Kulturgroschens, des Sporttotos — der dem Staat ja Millionen einbringt — und dem Ravag-Schilling die notwendigen Druckzusdiüsse zu erlangen. Diese Versuche sind fast durchwegs mißglückt; außer einer größeren Unterstützung von seiten der Industrie haben lediglich die Wiener und die nie der ö st er r eichisch e Landesregierung nennenswerte Zuschüsse geleistet, die im Verein mit aus eigener Kraft aufgebrachten Geldern den Druck wenigstens einiger Arbeiten ermöglichen. Die österreichischen Gelehrten weisen in einer Resolution mit gerechter Bitterkeit darauf hin, daß nur der 154. Teil des Staatsbudgets für das Konto „Kultur“ vorgesehen ist und daß wiederum nur ein Bruchteil dieses Teile der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt wird; während im vergangenen Jahr den Sportverbänden 31 Millionen Schilling zugeflossen seien, müsse der „Notring“ fast daran verzweifeln, jemals die kaum eine Million übersteigende Summe aufzubringen, die zur Edition wichtigster wissenschaftlicher Werke notwendig sei...

MIT DEM VORSCHLAG DES PÄPST-lichen Delegaten Testa, die erhabenste christliche Weihestätte, die Heilige Grabeskirche von Jerusalem, vor dem drohenden völligen Ruin durch das Zusammenwirken der ganzen Christenheit zu retten, beschäftigte sich ein bemerkenswerter Aufsatz, den die in Wien erscheinende rechtsstehende zionistische Halbmonatsschrift „Neue Welt und Judenstaat“ in ihrer ersten Oktobernummer veröffentlicht. In diesem Zusammenhang erinnert der Autor, Jerzy Künstlinger, daran, daß in dem 1937 von extremer zionistischer Seite, den Anhängern J ako-b insky s, ausgearbeiteten Verfassungsentwurf für Palästina zur Sicherung der heiligen Stätten die Bestimmung enthalten gewesen sei: „Den unter Aufsicht des Völkerbundes als hellige Stätten abgegrenzten Bezirken der Jerusalemer Altstadt wird die gleiche Exterritorialität zuerkannt, welche im allgermei-nen ausländische Gesandtschaften genießen. Jeder dieser Bezirke bildet eine Gemeindeautonomie, deren Rat von den interessierten kirchlichen Stellen einvernehmlich ernannt wird. Zur Wahrung der auf die heiligen Stätten bezüglichen Interessen wird mit dem Status eines Botschafters ein Delegierter des Völkerbundes ernannt.“ In diesem Rahmen — äußert das zitierte zionistische Blatt — könne „der Plan, einen baufälligen Ort mitte? in Jerusalem in ein schönes Gotteshaus auszubauen, von jüdischer Seite sicherlich nur begrüßt und gebilligt werden“. — Allerdings gehört die Altstadt von Jerusalem derzeit zu dem Staatsgebiet von Transjordanien. Dieser Zustand wird schwerlich anders als durch die v olle I nt er nationalisier ung der htüigen Stetten geändert werden. Zu einer solchen völkerrechtlichen Ordnung sollte, so scheint es, von den Entwurf des Jahres 1937 kein allzu weiter Weg sein.

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