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Gegenüber dem Festspielhaus, dessen Neugestaltung an anderer Stelle gewürdigt wird, liegt das im Verhältnis zu ihm einfache Gebäude der alten Benediktineruniversität. Als Nutzbau, wie Franz Martin es genannt hat, 1618 bis 1652 im Dreißigjährigen Krieg errichtet, hat es nur in den Arkaden des trapezförmigen Innenhofes ein gewisses Aussehen. Bemerkenswert sind aber die Stuba academica, das Konferenzzimmer der Professoren der Theologischen Fakultät, mit Stukkaturen von Benedikt Zöpf (etwa 1760) und den Porträts der Fürsterzbischöfe von Marcus Sitti-cus bis Hieronymus Colloredo, und die stattliche Aula academica mit den Altarbildern der Ordensstifter und Llniversitätspatronen und den fünfzehn Geheimnissen des Rosenkranzes an den Hochwänden. Der Hof könnte zu einem Kleinod werden, wenn einmal die Theologische Fakultät, die eine beständige Mahnung an die 1810 gewaltsam unterdrückte Universität ist, in hoffentlich nicht zu ferner Zeit das ganze Gebäude wieder zurück erhielte. Bis dahin müssen die Promotoren der Bestrebungen, die seit Jahrzehnten vom Katholischen Universitätsverein, der Theologischen Universitätsfakultät und der Salzburger Benediktinerkonföderation getragen werden, jene Möglichkeiten zu verwerten suchen, die sich ihnen heute bieten. Da ist es vor allem das Internationale Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften, dessen Grundkonzept nach Befragung von etwa 200 Wissenschaftern von Rang entworfen wurde, das zunächst verwirklicht werden soll.

Nach der Widmung der sogenannten Edmunds-burg oberhalb des Festspielhauses auf dem MönclisbTerg an den Universitätsverein 'für' die künftige Universität durch den Erzbischof und die Erzdiözese von Salzburg beim Festakt der Salzburger Hoohschulwochen am 8. August 1959 sind die verantwortlichen Stellen sogleich darangegangen, die Edniundsburg für die auf der ersten Stufe der Planung vorgesehenen Institute zu adaptieren. Bis zum September dieses Jahres dürfte der sogenannte Neubau, bis zum Sommer nächsten Jahres der barocke Altbau hergerichtet sein. Vor mir liegt ein kolorierter Stich aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf dem dieser Altbau mit der unter ihm liegenden Felsenreitschule der Fürsterzbischöfe eine in Zuordnung und Proportion überaus ansprechende Baugruppe bildet. Da die Musen seit altersher nicht nur Schirmherrinnen der Poesie und Musik, sondern auch der Philosophie sind, die nach Vergil die Bahn der himmlischen Lichter verstehen lehrt, ist es symbolisch, daß über dem Festspielhaus die Institute sich erheben, die, wie E. R. Curtius es formuliert hat, die Erkenntnis der kosmischen Gesetze im weitesten Sinne erforschen sollen. Das Institut für Theorie der Geschichte hat, vorläufig noch an anderer Stelle, seine Tätigkeit schon aufgenommen. Für das Collegium Euro-Asiaticum (Ostkolleg) sind fünf namhafte Forscher in Aussicht genommen respektive schon verpflichtet. Sie werden an zwei Instituten, einem für die Erforschung des christlichen Ostens, einem anderen für die Erforschung des nichtchristlichen Ostens, arbeiten. Das Institut für Universalgeschichte wird ebenfalls auf der Edmundsburg beheimatet werden. Dazu kommt noch ein Institut für kirchliche Zeitgeschichte. Und schließlich noch ein sehr notwendiges Institut für Grundfragen der Sozialwissenschaften.

Diese Institute können aber, in Verbindung mit den schon längst bestehenden Instituten in Salzburg, namentlich dem sich lehrmäßig wie publizistisch erweiternden Philosophischen Institut, nur dann wirksam arbeiten, wenn gleichzeitig ein Anliegen verwirklicht wird, das schon in den zwanziger Jahren den Neubeieber der Salzburger Universitätsbestrebungen, den resig. Erzabt Dr. Petrus Klotz von St. Peter, beschäftigt hat: die Errichtung einer zentralen Bibliothek, die alle in Salzburg vorhandenen Bücher in einem Präsenzkatalog aufzeigt und selbst die für die aktuelle Forschung erforderlichen Bücher enthält. Man möge es dem Kurator der Salzburger Universitätsbestrebungen nachsehen, wenn er aus seiner neunjährigen Erfahrung in den Vereinigten Staaten; daran erinfflert.wi: oft all den dortigen Universitäten und Colleges -die.. Inschrift zu lesen ist: „Memorial Library“, mit dem Namen des Stifters oder der Stifter. Ähnliches wäre in der Zeit des Wirtschaftswunders in Salzburg, das so reich ist an Monumenten der Munifizenz und Liberalität früherer Jahrhunderte unter kirchlichen Mäzenen, nicht undenkbar und würde vielleicht in gewisser Hinsicht notwendiger sein als die eine oder andere Raketenbasis. Jedenfalls meinen wir, daß nicht nur eine* Bibliothek, sondern ein Forschungszentrum, wie wir es planen, eine dringende Notwendigkeit sei. In einem Artikel des „Rheinischen Merkurs“ vom 1. Juli 1960 wird berichtet, daß der Rektor der Technischen Hochschule Aachen die Gründung eines Forschungsmittelfonds vorschlug, „um den Hochschulen in einem sinnvollen LImfang wieder die frühere Bedeutung auf dem Gebiet der Forschung zu ver< schaffen“. Er bedauerte den teils schon eingetretenen, teils drohenden Verlust der Einheit von Lehre und Forschung an den deutschen wissenschaftlichen Hochschulen. Was hier beklagt wird, hat uns in Salzburg schon lange beschäftigt. Deshalb sind wir überzeugt, daß ein Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften in Salzburg, an einem Schnittpunkt so vieler Kulturen und geistigen Bewegungen, eine besondere Aufgabe zu erfüllen hätte, gewiß so sehr und in anderer Weise als die offiziell geplante Europa-Universität in Florenz. Wer sich bewußt ist, was für unheilvolle Wirkungen für das gesamte L,eben der Menschheit von falschen Ideologien ausgehen, der wird zustimmen, daß es Forschungsstätten geben muß, an denen in strenger Arbeit mit den neuen Mitteln der dialogischen Methode, in den Instituten selbst wie unter den verschiedenen Disziplinen, nur der Erforschung und Erkenntnis der Wahrheit gedient wird. Sollen wir warten, bis die neue Weltuniversität in Moskau die Kader von Wissenschaftern für Europa, Asien und Afrika ausgebildet hat, die dann die Welt für die „Heilslehre“ des Marxismus-Leninismus erobern sollen? Mit einer Rückbesinnung auf Europa allein kommt man hier nicht weiter, so sehr wir jede Stärkung europäisch-abendländischer Tradition begrüßen. Aber der Universalismus der Wahrheit und Wissenschaft greift weiter.

Er greift auch über auf die Erziehung in einer Gemeinschaft, die nicht paramilitärische Schulung ist mit zweckbestimmter Tendenz zur Unfreiheit hin, sondern Bildung des freien Menschen in einer von der wahren Humanität geformten Gesellschaft.

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