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Nicht nur eine Bewegung, die sich nicht mehr bewegt

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Das Leben der katholischen Kirche in Österreich ist bis heute tief von der Katholischen Aktion geprägt. Doch man sagt, sie selbst sei bereits in den Kanzleien erstickt. Sie bestehe aus bezahlten Funktionären.Sie verwalten eine Bewegung, die sich nicht mehr bewegt; sie treten im Namen von Mitgliedern auf, die sie nicht mehr haben; sie fuhren einen Firmennamen weiter, obwohl die ursprünglichen Träger dieses Namens schon gestorben sind oder die Firma bereits verkauft haben. Man sagt, der KA sei es ergangen wie dem Dinosaurier: Je größer und differenzierter er wurde, desto unbeweglicher und anfälliger wurde er auch, bis er schließlich ausstarb. Es gibt von ihm nur noch Fossilien, wenn auch recht interessante.

Heute fragt man schon: Brauchen wir eigentlich mehr als eine Zentrale, die ein gewisser gesellschaftspolitischer Arm der Kirche ist? Werden nicht die pastoralen Aufgaben in den Gemeinden ausreichend durch die Pfarrgemeinderäte und ihre Ausschüsse wahrgenommen? Brauchen wir überhaupt noch die KA an der Basis, das heißt: in den Gemeinden, in den Pfarren?

Die entscheidene Frage ist gewiß nicht: Wie retten wir die Katholische Aktion? Sondern wir müssen fragen: Wie entdecken wir wieder das Apostolat - nach allen Fragen der Organisation, Struktur, der Politik und sozialen Aktion? Wie bringen wir uns selbst und die KA dazu, trotz der vielen Dinge, um die wir uns kümmern und kümmern müssen, das „eine Notwen- dige”.zu tun? Werden wir uns in dieser Stundevom Engel’der Gemeinde in Ephesüs’tagen läSäerif’TUe deine ersten-Werkewieder.

Nach der Erfahrung und Auffassung der Kirche darf das allgemeine Apostolat der Christen nicht allein Sache der privaten Initiative einzelner Überlassen werden. Apostolat muß organisiert und institutionalisiert sein ‘ wie die Kirche selbst. Wo aber und auf welchen Ebenen soll die KA arbeiten? Welche Vorschläge könnte man machen?

• Die KA muß die Pfarrgemeinde wieder als den wichtigsten Ort ihrer Wirksamkeit entdecken. Sie muß sich von einer Randgruppenideologie lösen, als hätte sich Christus nur um die Sonderfälle gekümmert und nicht vor allem um das Volk. Sie muß dort sein, wo sich die Kirche versammelt, wo sie feiert, verkündigt, wo man von ihr Dienste erwartet.

• In den Pfarrgemeinden muß es wieder, oder wieder mehr apostolische Gruppen geben, die sich regelmäßig treffen, erst recht in jenen Gemeinden, die keinen ortsansässigen Pfarrer mehr haben. - Wo sich Gruppen nicht nach Gliederungen der KA bilden lassen, sollen sich eben jene treffen, die am Apostolat interessiert sind.

• Der Aufbau (oder Wiederaufbau) der KA in den Gemeinden darf nicht von den Pfarrern, zumindest nicht von diesen allein erwartet werden. Wohl aber darf erwartet werden, daß die Pfarrer die Bedeutung der KA für die Pfarrgemeinde kennen und den Aufbau und die Tätigkeit der KA begrüßen und fördern.

• Die KA braucht Elemente der Verbindlichkeit sowie Identifikationshilfen. In einer Zeit, in der uns die Humanwissenschaften die Bedeutung von Abzeichen, Kleidung, Mitgliedschaft, Verpflichtungskatalog und dergleichen bestätigen, hat die Kirche zum Teil aufgegeben, was sie Jahrhunderte vor der human wissenschaftlichen Reflexion aus Erfahrung wußte. Es ist an der Zeit, wieder darüber nachzudenken und zu prüfen, welche von diesen uralten Mitteln zur Feststellung von Gemeinsamkeit und Unterscheidung heute praktikabel erscheinen.

Die KA muß neue Methoden entwickeln. Sie darf nicht mit der Gießkanne arbeiten, sondern sie muß sich auf jeweils ein Projekt konzentrieren. Als Modelle können durchaus die beiden ORF-Kollegs, die neue Mappe „Jugendarbeit in der Pfarrgemeinde” dienen.

• Die Katholische Aktion muß wieder Vertrauen gewinnen: Das Vertrauen junger Menschen, daß ihnen durch sie Ziele gesteckt und Wege gezeigt werden; das Vertrauen der Eltern, daß durch die KA ihre Söhne und Töchter und auch ihre Kinder zu einem gläubigen und guten Leben geführt werden; das Vertrauen der Männer und Frauen, daß sie durch die KA Orientierungshilfen für ihr Verhalten in Beruf und Familie bekommen; das Vertrauen der Arbeiter, daß man sich ihrer Anliegen annimmt, ohne sie nach links oder rechts drängen zu wollen; das Vertrauen der Intellektuellen, daß die KA ein Ort redlichen Denkens und Redens ist; das Vertrauen der gesellschaftlichen Institutionen und Kräfte in unserem Land, daß man sie nicht erpressen will, sondern christliche Alternativen sucht; schließlich das Vertrauen der Bischöfe und Pfarrer, daß die Katholische Aktion Apostolat, Kirche und Gemeinde will und auch dafür geeignete Ideen und Methoden entwickelt.

Die wichtigste Aufgabe der Katholischen Aktion an der Basis liegt wohl derzeit im Bereich der „distanzierten Kirchlichkeit”. Vor dieser Frage steht heute jede Pfarrgemeinde und wird sich ihrer Dringlichkeit immer mehr bewußt. Die KA müßte dafür garantie ren, daß die Gottesdienstgemeinde nicht sich selbst genügt und sich um die anderen nicht mehr kümmert. Die KA müßte immer die gesamte Pfarrgemeinde im Auge haben und der Blick unermüdlich auf jene lenken, die sich am gemeindlichen Leben nichl mehr beteiligen. Sie müßte zur rechten Einschätzung distanzierter Kirchlichkeit in der Gemeinde beitragen und Identifikationshilfe leisten.

Wenn sich die Führung der Katholischen Aktion entschließen kann, als Ziel für die nächste Zeit anzustreben, daß es die KA wieder und noch mehi in den Pfarrgemeinden gibt, wenn sie also KA an der Basis will, so darf man auch in Erinnerung rufen, was Basis heißt: Basis kommt von „bainein”, das heißt „zu Fuß gehen”. Wenn sie Basis will, festen Boden, auf dem dei Fuß einen Platz findet, muß sie sich aui einen „langen Marsch” gefaßt machen und zwar auf einen Fußmarsch. Danr darf sie die Mühe nicht scheuen, vor Mensch zu Mensch und von Gemeinde zu Gemeinde zu werben und zu motivieren. Sie wird so selbst am intensivsten erleben, was Apostolat heißt: Unterwegs sein und bleiben mit dem Auftrag: Geht hin und werbet für mich Jünger.

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