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Privatschulen sind unverzichtbar

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Über das Öffentlichkeitsrecht, die Bestimmungen über die Erfüllung der Schulpflicht und die finanziellen Probleme der Privatschulen lohnt es sich, Bescheid zu wissen.

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Über das Öffentlichkeitsrecht, die Bestimmungen über die Erfüllung der Schulpflicht und die finanziellen Probleme der Privatschulen lohnt es sich, Bescheid zu wissen.

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Ein kluger Staat anerkennt, daß die Eltern die erste Erziehungsinstanz ihrer Kinder sind und daher in Schulfragen eine gewisse Entscheidungsfreiheit besitzen wollen. Wüßten manche Bildungspolitiker, welchen heiklen Boden sie hier mit Reformvorschlägen betreten, so würden wohl diverse Auseinandersetzungen — wie zum Beispiel unlängst in Frankreich — über ein freies Privatschulwesen

(das natürlich auch an einen bestimmten gesetzlichen Rahmen gebunden sein muß) von vornherein vermieden.

In Österreich bekennt sich der Staat zum Pluralismus auf diesem Gebiet. „Er geht davon aus”, betont Sektionschef Leo Leitner vom Unterrichtsministerium, der die Privatschulen in Österreich für „unverzichtbar” hält, „daß es primär Angelegenheit der Eltern ist, über Erziehungsaufgaben punkto ihrer Kinder zu entscheiden.”

Artikel 17, Absatz 2 des Staatsgrundgesetzes räumt jedem Staatsbürger das Recht ein, Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu erteilen, wenn er die entsprechende Befähigung nachgewiesen hat und der Unterricht erzieherische Ziele verfolgt. Aus letzterem Grund fallen Schulen, die nur auf Vermittlung einer bestimmten Fertigkeit zielen (etwa Skischulen, Fahrschulen etc.), nicht unter das Privatschulgesetz.

Auf dieser gesetzlichen Grundlage ruht das österreichische Privatschulwesen, das in seinen Grundzügen freilich wesentlich älter ist als die heute geltenden Schulgesetze. Rechtlich sind Privatschulen jene Schulen, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern — Gemeinden und Länder im Pflichtschulbereich, der Bund im übrigen Schulwesen — betrieben werden. Führt beispielsweise die Gemeinde Wien eine berufsbildende Schule, so gilt diese juristisch als Privatschule.

In Österreich bestehen derzeit ^siehe Kasten) 698 Privatschulen mit 114.863 Schülern. Sie sind meist kleiner und überschaubarer als öffentliche Schulen. Am höchsten ist ihr Anteil an den Berufsbildenden Mittleren Schulen (deren Zahl und Vielfalt so groß ist, daß sie in dieser FURCHE-Serie, die sich auf Pflicht- und Höhere Schulen : konzentriert, ausgeklammert werden), gefolgt von den ab kommendem Schuljahr zu Lehrerbüdenden Höheren Schulen aufgewerteten Bildungsanstalten für Kindergärtner, Arbeitslehrer und Werkerzieher.

Große Bedeutung haben Privatschulen auch im Bereich AHS und BHS, weniger bei den allgemeinbildenden Pflichtschulen (Volks-, Haupt- und Sonderschulen, Polytechnische Lehrgänge), fast gar keine bei den berufsbildenden Pflichtschulen (Lehrlinge).

Alle Privatschulen unterliegen der Aufsicht durch die staatlichen Schulbehörden, allerdings in unterschiedlichem Umfang—je nach dem rechtlichen Status der jeweiligen Schule, wobei es das vielzitierte „öffentlichkeitsrecht” in zwei Varianten gibt.

Im Grunde bestehen drei Typen von Privatschulen:

# Die freie Privatschule: Sie muß relativ wenige Auflagen erfüllen (vor allem staatsbürgerliche und sittliche Eignung des Leiters, Mindeststandard der Lehreinrichtungen), kann nach einem relativ eigenwilligen Lehrplan vorgehen, darf allerdings keine rechtsgültigen Zeugnisse ausstellen.

Alternativer Lehrplan?

• Die Privatschule mit Offent-lichkeitsrecht, die keiner öffentlichen Schulart entspricht: Darunter sind in der Regel sogenannte Alternativschulen mit eigenem „Organisationsstatut” zu verstehen (z. B. Rudolf-Steiner-Schulen), die ein eigenes erzieherisches Konzept verfolgen.

„öffentlichkeitsrecht bedeutet in diesem Fall, daß kontrolliert wird, ob die Schule ihr eigenes Bildungsziel erreicht”, sagt Werner Jisa, Jurist im Unterrichtsministerium. Wollen Schüler solcher Schulen in öffentliche Schulen übertreten oder maturieren, müssen sie Einstufungsprüfungen oder die Externistenprüfungen ablegen, da die Zeugnisse nicht anerkannt werden.

• Die Privatschule mit öffentlichkeitsrecht und dem Recht zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung: Hier besteht völlige Identität, was Lehrpläne, Bildungsziele und Wert der Zeugnisse betrifft, mit der gleichartigen öffentlichen Schule.

Für die Erfüllung der Schulpflicht (in Österreich neun Jahre) muß keineswegs eine Schule mit öffentlichkeitsrecht besucht werden, auch beim Besuch etlicher anderer Schulen (etwa mit ausländischem Lehrplan) kann vom Unterrichtsministerium diese Pflicht als erfüllt betrachtet werden, sofern anzunehmen ist, daß der dortige Unterricht jenem an öffentlichen Schulen „mindestens gleichwertig” ist.

Fällt seine Schule aus diesem weiten Rahmen, oder haben ihn seine Eltern — was auch möglich ist - zum häuslichen Unterricht abgemeldet, so muß der schulpflichtige Schüler jährlich vor Schulschluß die „Gleichwertigkeit” seines Unterrichts durch eine Prüfung an einer entsprechenden öffentlichen Schule oder an einer Privatschule mit öffentlichkeitsrecht nachweisen und muß seine Schullaufbahn an einer solchen Schule fortsetzen, wenn ihm der Nachweis nicht gelingt.

Mit anderen Worten: Es gibt Privatschulen, die durch einen alternativen Lehrplan locken, aber unter Umständen eine längere Ausbüdungszeit bedeuten, und es gibt die weitestgehend am öffentlichen Schulsystem angelehnten Privatschulen, die trotzdem ihren unverwechselbaren Charakter haben und große Anziehungskraft ausüben.

Finanziell stehen Privatschulen meist auf mehreren Beinen. An konfessionellen Privatschulen ist der Staat gesetzlich verpflichtet, die Lehrerpersonalkosten zu tragen, an anderen liegt dies in seinem Ermessen.

• Viele Schulerhalter, ob Orden, Stiftung, Fonds, Diözese oder Verein, müssen in der Regel auf andere Mittel und Einnahmen zurückgreifen, um das Auslangen zu finden, denn auch das eingehobene Schulgeld reicht meist nicht aus, um alle Kosten abzudecken. Und zu einer „Schule der Reichen” wollen die Privatschulen nicht werden. „Eine Auslese dieser Art lehnen wir ab”, betont Herbert Emberger, Präsident des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine, der die Elterninteressen an Katholischen Privatschulen (die Katholische Kirche ist Österreichs größter privater Schulerhalter) vertritt.

Da die Eltern von Privatschülern doppelt belastet sind (sie bezahlen Schulgeld und finanzieren mit ihren Steuern auch das öffentliche Schulwesen), findet Emberger ein etwas stärkeres finanzielles Engagment des Staates im Privatschulbereich - solange das Subsidiaritätsprinzip gewahrt bleibt — nur recht und billig. Freilich, und hier stimmt auch Sektionschef Leitner zu: „Die Privatschule muß Privatschule bleiben.”

Meist geht es ja um vorübergehende Engpässe, wenn bauliche Veränderungen oder Neuausstattungen - wie jetzt Computer (zu denen der Staat zwei Drittel der Kosten beiträgt) — nötig sind. Der Trend vom Internat zum Halbinternat, von der reinen Bubenoder Mädchenschule zur Koedukation, die Senkung der Klassen-schülerhöchstzahlen, all das erfordert kostspielige Veränderungen, die zunächst den Schulerhalter und die betroffenen Eltern belasten.

Trotzdem sind die Privatschulen attraktiv wie eh und je. Mußten sie früher sogar regelmäßig Schüler abweisen, so sind sie jetzt — trotz des Geburtenrückganges — zum Unterschied von öffentlichen Schulen noch immer gut ausgelastet. Warum das so ist, soll im nächsten Teü dieser Serie zu beantworten versucht werden.

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