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Neuer Trend zu Privatschulen

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Erst kürzlich entdeckte der aufmerksame Zeitungsleser einen erfreulichen Bericht: „Der Trend, der Zulauf zu katholischen Privatschulen, hält unvermindert an." Trotz Schulgeld und anderer Budgetbelastungen für die Eltern.

Die konfessionelle Heranbildung der Kinder scheint den Familien wieder stärker am Herzen, am christlichen Herzen zu liegen. Tatsächlich schreiben die katholischen Privatschulen noch christliche Werte auf ihr Papier, und sie versuchen stärker als der öffentliche Schulbetrieb, eine Synthese zwischen fachlicher und menschlicher Bildung zu erreichen. Und diese Ziele, so scheint es, veranlassen viele Eltern, ihre Kinder einer solchen Schule anzuvertrauen.

Wie jedoch die wahren Motive aussehen, ist aus Trendmeldungen und wachsenden Schülerzahlen nicht zu ersehen. Nicht der Entschluß, die Bildung der Kinder nach höheren Werten zu orientieren, dürfte in allen Fällen ausschlaggebend sein, sondern beispielsweise auch die Zwangslage vieler Familien, die finanzielle Erfordernisse nur mehr durch Doppelverdienen bewältigen zu können.

Kinderreiche Familien werden durch die Politik in Österreich bekanntermaßen nicht gerade gefördert. (Der Katholische Familienverband kämpft seit Jahren dagegen.) Letztlich wird für die Kinder ein Hort, ein Halbinternat gesucht, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, gemeinsam die finanziellen Löcher im Familienbudget zu stopfen.

Gerade diejenigen Eltern, die es jedoch lieber hätten, wenn Mutter und Kinder nicht auseinandergerissen würden, sind es, die durch die Wahl ei-

ner besonders guten Schule wenigstens „noch das Beste herausholen" wollen.

Was viele Eltern aus einer Zwangslage heraus praktizieren müssen, versuchen aber andere, auch aus Bequemlichkeit oder aus materiellen Motiven zu erreichen: die Deponierung der Kinder je nach Verantwortungsgrad in irgendwelchen oder in besonders „vertrauenserweckenden" Anstalten. Die Ursachen beider Motive sind bedenklich.

Bei der einen Gruppe zeigt sich, daß die Familienpolitik

hoch revisionsbedürftig ist, bei der anderen Gruppe fehlt die richtige Einstellung zum Kind schlechthin. Und in allen Fällen soll die Privatschule Wunder vollbringen und Lücken schließen. Eine Erwartung, die gewiß zu hoch angesetzt ist, weil den Schülern mehr und mehr das elterliche Fundament fehlt.

Die alte Erfolgsregel, basierend auf dem Zusammenwirken von Elternhaus und Schule, kann immer weniger angewendet werden. Die doppel verdienenden, das Schulgeld er-

wirtschaftenden Eltern bringen durch die Belastungen der Arbeitstage immer weniger Zeit, Geduld, Verständnis für ihre Kinder auf und verlassen sich mehr und mehr auf die Schule - auf die gute, sorgfältig ausgewählte Privatschule.

Hier allerdings befindet sich der größte Fehler. Ohne familiäres, ohne religiöses Fundament kann auch die beste Schule keine Erfolge, zumindest keine umfassenden Erfolge erzielen.

Hier beispielsweise liegt auch die Ursache, daß ein Großteil der Schüler eines katholischen Gymnasiums nicht mehr der Sonntagspflicht nachkommt, wie eine Befragung ergab. Wie es die Eltern dieser Schüler wohl halten? Diese Gretchenfrage wurde gar nicht erst gestellt. Warum? Ich weiß es nicht.

Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß eine gute katholische Privatschule ohne weiteres eine solche Frage stellen könnte. Sogar sollte. Oder ginge dann der Trend zu Ende?

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