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Digital In Arbeit

Vertrauen schaffen und helfen

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Vielen Kindern könnte das Leben gerettet werden, wenn in der ersten Panik nach Entdecken einer un- vorhergesehenenSchwan- gerschaft geeignete Hilfe bei der Hand wäre.

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Vielen Kindern könnte das Leben gerettet werden, wenn in der ersten Panik nach Entdecken einer un- vorhergesehenenSchwan- gerschaft geeignete Hilfe bei der Hand wäre.

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Ein Mädchen, knapp 18 Jahre alt, soll in ein paar Monaten maturieren. Da entdeckt sie, daß sie schwanger ist. Der Vater des Kindes ist ebenfalls ein Schüler, etwa gleich alt wie sie. Beide kennen sich zwar schon relativ lang, ihre Beziehung ist jedoch keinesfalls wirklich belastbar.

Der Schreck ist groß. Das Mädchen kommt in die Beratungsstelle der Erzdiözese Wien, verzweifelt. Sie traut sich weder, es ihren Eltern, noch ihrem Freund zu sagen. Es ist ohnedies klar, was diese antworten werden: “Mach die Schule fertig. Ohne sie hast du keine Chance im Leben. Was willst du denn beruflich sonst machen? Und daher kannst du jetzt unmöglich dein Kind bekommen.“

Die Beraterin beruhigt das Mädchen und begleitet es nach Hause, um beim Gespräch mit den Eltern Schützenhilfe zu leisten. Und die Reaktion war wie vorhergesehen: “Entweder du treibst ab oder du verschwindest“, ist der Kommentar der Familie.

Bisher hatte die Schülerin bei den Eltern gewohnt, war finanziell von ihnen versorgt worden. Plötzlich aber steht sie vor dem materiellen Nichts. Wovon soll sie jetzt leben?

Dazu kommen selbstverständlich die weiteren Sorgen: Wie sollte es in der Schule weitergehen? Wird sie die Schule fertigmachen, maturieren können, wenn sie schwanger ist? Sorgen über Sorgen. Überall das Gefühl der totalen Hilflosigkeit.

Woran soll sich dieser junge Mensch in einer solchen dramatischen Situation orientieren? An der Reaktion der Eltern etwa? Wo soll das Mädchen Halt finden, da alles ins Wanken gerät?

Hier ist die große Aufgabe der Beratungsorganisationen: Sie können in der totalenVerwirrung Orientierung und in der vollkommenen Aussichtslosigkeit materielle Hilf e- stellung und damit Zukunftsperspektiven bieten.

Wie geschieht dies aber konkret? Oft ist der erste Kontakt nur ein Telefonanruf. Dann gilt es, möglichst rasch zu einem nahegelegenen Treffpunkt zu eilen. Die Beraterin läßt dann alles liegen und stehen, um möglichst rasch den ersten Kontakt herzustellen - bevor es zu spät ist.

Wichtig ist da vor allem, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Die verzweifelte Frau muß erfahren, daß hier jemand ist, der zu ihr und zu ihrem Kind steht - und zwar nicht nur mit Worten, sondern mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Beraterin bietet also eine glaubhafte Beziehung an, die Fixpunkt in den kommenden Wochen und Monaten des Lebens dieser jungen Frau sein kann.

Das bedeutet aber, daß die Beraterin erreichbar sein muß, verfügbar, wenn es die Situation erfordert.

Weiters aber sind ganz konkrete Schritte zu setzen: Eine Ultraschalluntersuchung gab dem 18jährigen Mädchen Auskunft über den voraussichtlichen Geburtstermin. Dadurch wurde der Zeitrahmen für weitere Maßnahmen klar und es entfiel der Druck, sich überhastet und unüberlegt in eine Abtreibung zu stürzen.

Als nächstes stellte sich die Frage der Unterbringung. In einem der Kirche nahestehenden Mutter-

Kind-Heim fand sich ein Platz für das Mädchen, das vor die Türe ihres Elternhauses gesetzt worden war.

Dank des Diözesanen Hilfsfonds für schwangere Frauen in N otsitua- tionen konnte auch bis zur weiteren Klärung der Situation eine Garantie für den materiellen Lebensunterhalt der Schwangeren abgegeben werden. (Mit den im vergangenen Jahr gespendeten Mitteln konnte 1070 Frauen wirksam geholfen werden.)

Als nächstes galt es, die Fragen im Zusammenhang mit der Schule zu klären. Die Beraterin informierte sich bei der Direktion bezüglich des Matura-Termins. Er war rechtzeitig. Wenn das Mädchen es körperlich und psychisch schaffte, konnte sie ohne weiteres antreten. Die Direktorin versprach Unterstützung: Ein weiterer Fixpunkt der Geborgenheit war damit gegeben,

Hoffnung konnte bei dem Mädchen wachsen. Es erlebte sich nicht mehr rettungslos verloren - und entschied sich daher auch für ihr Kind . Gott sei Dank.

Später hat sich herausgestellt, daß die Klassenkameraden ausge-

sprochen lieb zu ihr waren, ihr bei den Matura Vorbereitungen geholfen haben. Weil ihr auch eine Teilzeitbeschäftigung vermittelt werden konnte, bekam sie auch Anspruch auf Karenzgeld, was ihre finanzielle Situation weiter entschärft und ihr darüber hinaus dank des Karenzjahres einen weiteren Zeithori zont eröffnet hat.

Nach der Geburt des Kindes geht die Hilfe weiter. Meist findet dann auch eine behutsame Versöhnung mit der zunächst abweisenden Familie statt. Vielfach kommt es zu einer Heimkehr…

Was zunächst als unabwendbare Katastrophe ausgesehen hatte, geht langsam zu einem normalen Leben über. Rasche und entschiedene Hilfe hat das Leben zweier Menschen gelingen lassen.

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