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Viele Worte, wenig Taten
Vor kurzem propagierte Bruno Kreisky wieder seine Vorstellungen eines Marshall-Planes für die Dritte Welt. Wie steht es um sein Erbe in Sachen heimischer Entwicklungshilfe?
Vor kurzem propagierte Bruno Kreisky wieder seine Vorstellungen eines Marshall-Planes für die Dritte Welt. Wie steht es um sein Erbe in Sachen heimischer Entwicklungshilfe?
Wenn man die heimischen Entwicklungshilfeleistungen vorerst einmal von der quantitativen Seite, also anhand von Statistiken, betrachtet und mit den anderen Industrienationen vergleicht, so gehört Österreich zweifellos zu den Geizkragen.
Noch immer ist unser Land weit davon entfernt, dem Beschluß aller OECD-Staaten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von 1968 zu entsprechen, 0,7 Prozent des Brut-tonationalproduktes (BNP) in Form von Entwicklungshilfe in die sogenannte Dritte Welt fließen zu lassen.
Im Gegenteil: 1983 betrug die Gesamthilfe der öffentlichen Hand 0,2 Prozent des BNP bzw. 2,8 Milliarden Schilling. Das entspricht dem langjährigen Durchschnitt auf dem Entwicklungshilfesektor und bedeutete im Vorjahr mit Abstand die Schlußlichtposition in der Rangliste der 17 Geberländer.
Das Geld für die Entwicklungshilfeleistungen kommt aus verschiedenen Töpfen. Hauptsächlich aus Budgetmitteln und vom Kapitalmarkt sowie von Zahlungen seitens der Bundesländer und der Bundeskammer.
Die Hauptkompetenz für die Verteilung erhielt 1973 das Bundeskanzleramt mit einem eigenen
Staatssekretär (bis vor kurzem Ferdinand Lacina) für wirtschaftliche Koordination, Verstaatlichte Industrie und Entwicklungshilfe und der Zuständigkeit für direkte Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Ausbildung, Gesundheit und Soziales sowie Personaleinsätze und günstige Kredite.
Trotz dieser Hauptkompetenz kann die Gruppe Entwicklungshilfe im Bundeskanzleramt nur einen geringen Teil der Gesamthilfe zur Verteilung bringen. Von dem 2,8-Müliarden-Gesamtbetrag im Vorjahr waren es lediglich 213 Millionen (rund acht Prozent). Den ins Auge springenden Löwenanteil nehmen die sogenannten Exportförderungskredite ein. (1983: 1,2 Milliarden Schilling). Die Zuständigkeit liegt beim Finanzministerium, das diese aus kommerziell orientierten Krediten bestehende Finanzhilfe vergibt.
Auffallend dabei sind die überaus harten Bedingungen, die Österreich an die Gewährung dieser Kredite für die Entwicklungsländer knüpft. Obwohl dazu aus dem Finanzministerium keine genauen Werte zu erfahren waren, bewegen sich die Zinssätze um sechs Prozent mit Laufzeiten von durchschnittlich zehn Jahren. Das bedeutet etwa doppelt so hohe Zinssätze und halb so lange Laufzeiten wie in den übrigen OECD-Ländern.
Das sogenannte Schenkungselement (das ist die Differenz zwischen Krediten zu normalen
Bedingungen und , begünstigten Entwicklungshilfekrediten) liegt damit nur knapp über jenen Werten, die noch vom Entwicklungshilfekomitee der OECD als Hilfeleistung anerkannt werden (derzeit 25 Prozent). Österreich ist außerdem zeitweise das einzige Geberland, dessen Kredite an den Bezug von heimischen Waren und Dienstleistungen gebunden sind.
Daß Wirtschaftshilfe kein Almosen sein soll, sondern bestenfalls partnerschaftliche Beziehung, wurde des öfteren von offizieller Seite betont. Im Finanzministerium gibt man allerdings unverhohlen zu, was hinter den Exportförderungskrediten steckt: Beinhartes ökonomisches Denken. Wörtliches Zitat aus dem Mund des zuständigen Beamten: „Der Gedanke an Entwicklungshilfe ist bei Krediten des Finanzministeriums völlig unzutreffend. Sie dienen lediglich dazu, die OECD-Statistik aufzubessern."
Das bedeutet, daß rund 50 Prozent österreichischer Entwicklungshilfeleistungen qualitativ und quantitativ in einem schiefen Licht erscheinen und die schöngeistigen Reden der Politiker bei internationalen Konferenzen und Nord-Süd-Dialogen Lügen strafen.
Daran ändern auch die restlichen Beträge der Gesamthilfe nichts, die an internationale Organisationen der UNO sowie internationale Entwicklungsbanken zur Vergabe von überregionalen Projekten eingezahlt werden. Daß humanitäre Gesinnung sich auch in entsprechende Taten umsetzen läßt, zeigt zum Beispiel Schweden. Das Land gibt im Durchschnitt neunmal soviel Budgetmittel aus wie Österreich; rund 90 Prozent davon sind Schenkungen.
Dazu kommt ein breiter Konsens aus der Bevölkerung, hervorgerufen durch gezielte Information und Unterstützung auch von nichtstaatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Im Unterschied zu Österreich war auch die schwedische Arbeiterbewegung an der Definition entwicklungspolitischer Ziele wesentlich beteiligt.
In Österreich dagegen wird als Hauptgrund für die ineffiziente Entwicklungshilfe noch immer gern das mangelnde Solidaritätsgefühl mit ärmeren Ländern an-. geführt, das angesichts schlechter werdender Zeiten zusehends schwindet.
Im Bundeskanzleramt befürchtet man außerdem nach dem Abgang von Ferdinand Läcina, dem' allgemein ein echtes politisches Engagement in Sache Entwicklungshilfe attestiert wird, und einer geplanten Ubersiedlung der Kompetenz ins Außenamt eine weitere Verschlechterung des ohnehin fragwürdigen Beitrages Österreichs zur Lösung des Nord-Süd-Konfliktes.
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