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Willkomm mit scharfen Kugeln

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Auf halbem Weg in das südlibanesische Dorf Mata wird auf unsere Pkw-Kolonne das Feuer eröffnet. Als die ersten Maschinengewehrgarben vor unserem Auto einschlagen, sage ich mir: „Verdammt, hast Du das noch einmal nötig gehabt."

Es ist in der Tat ein seltsamer Empfang, der uns von den Insassen einer israelischen Stellung, ungefähr einen Kilometer von der neuen syrischen Befestigungslinie im Südlibanon entfernt, bereitet wird. Die wachhabenden Soldaten wurden versehentlich nicht benachrichtigt, daß Journalisten eintreffen.

Im Libanon läßt man sich nicht auf Eventualitäten ein. Es hätte ja auch ein schiitisches Selbstmordkommando sein können, das da auf die Stellung zurollte. Der wachhabende Soldat entschuldigt sich: „Ich habe Ihnen ja nur angedeutet, stehen zu bleiben." Den richtigen Vorgeschmack von Libanon haben wir jedenfalls mitbekommen.

Außer den Hauptstraßen Damaskus—Beirut und Beirut—Sidon sind alle Verkehrswege im Libanon schmal, holperig und zeichnen sich durch Schlaglöcher aus. Sie wurden zumeist während des Zweiten Weltkrieges gebaut und sind seither nicht repariert worden.

Im Libanon fährt man schnell. Denn fahrende Autos gelten als beliebte Zielscheibe für jedermann, der eine Waffe besitzt. Und das gehört hier bekanntlich zum guten Ton.

Wir passieren mehrere Militärsperren, eine der UNO-Soldaten, eine der südlibanesischen Armee (die ehemalige Saad-Haddad-Mi-liz) und einige israelische. An manchen Stellen prüft man unsere Papiere genau, andere Wachposten wiederum lassen uns winkend vorbeifahren.

Ähnlich wie die syrischen sind auch die israelischen Stellungen ein Komplex aus Schützengräben und riesigen aufgeschütteten Erdwällen. Dahinter befinden sich die Schlafbaracken der Soldaten, kleine israelische Fertigteilhäuser. Auch einige Panzer sind in diesen Stellungen stationiert, die im Falle eines Feuerwechsels sofort in ihre Gefechtspositionen rollen.

Auf dem Weg in die Stellung, die sich in der Nähe des Berges Sultan Jakuv befindet, passieren wir ein kleines Schild: „Hier sind drei Soldaten durch eine Mine umgekommen." Längs der Straßen sind aber auch viele andere hebräische Schilder angebracht. Sie warnen vor zu großer Geschwindigkeit. Denn im Libanon sind auf den Straßen mehr Leute getötet worden als durch Anschläge.

Die israelischen Soldaten kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Ein Bauer, dessen Hof für einen Monat stillgelegt ist, während er seinen Dienst im Libanon versieht, flucht, was das Zeug hält. Und wütend stellt er die Frage, warum die Israelis ausgerechnet hier im Südlibanon stehen müßten.

Nur ein einziger Soldate, derjenige, der auf uns geschossen hat, erklärt trocken: „Wir tun alle unsere Pflicht und führen unsere Aufgaben so gut wie möglich aus, denn hier verteidigen wir in erster Linie unser eigenes Leben. Auch für mich ist ein Monat Reservedienst schwer. Aber ich verlasse mich auf die Regierung. Die weiß, warum wir hier sitzen."

Eine Erklärung für die andauernde israelische Besetzung des Südlibanons erhielten wir im Hauptquartier der Division, untergebracht in einem ehemaligen syrischen Gefängnis, das sich auf halbem Weg in das Dorf Raschi-dihje befindet. Major Ejtan, Informationsoffizier der Division, sagt:

„Im Libanon sind mehr als 50 Prozent der syrischen Armee konzentriert. Sie befindet sich in Verteidigungsstellungen, die gleichzeitig als Ausgangsposition für einen Angriff dienen können."

Die Straßen im Libanon führen meistens vom Norden in den Süden und sind für größere Truppenbewegungen geeignet. Doch vom Osten nach dem Westen muß man drei Bergketten passieren, so daß die einzige syrische Hauptverkehrsader, die einen Bewegungskrieg ermöglicht, die Beirut—Damaskus-Straße ist.

Die Israelis wiederum befinden sich auf dem Berg Baruch, der nur fünf Kilometer von dieser strategisch so wichtigen Verbindung entfernt ist. Etwas weiter südlich befinden sich Stellungen, von denen aus die gesamte Verbindung der im Libanon stationierten syrischen Armee in das Hinterland kontrolliert werden kann.

Die israelischen Stellungen auf dem Hermon-Gebirge sind 25 bis 30 Kilometer von Damaskus entfernt. Die syrische Hauptstadt kann also nicht nur aus der Luft, sondern auch mit israelischer Artillerie vom Land aus angegriffen werden. Syrien hält hier vier Divisionen, davon drei gepanzerte und eine mechanisierte, um einer israelischen Bedrohung begegnen zu können.

Von Truppenbewegungen kann hier im Moment keine Rede sein. Wohl werden von Zeit zu Zeit Einheiten ausgetauscht, die im Hinterland dienen öder an Manövern teilnehmen. In den letzten Monaten aber herrschte hier an der Ostfront Ruhe, obwohl es zu vereinzeltem Schußwechsel kam, wenn einer der Kommandanten nervös wurde.

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