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Wird die Kirche elitär ?

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Mit einer „Tour d'horizon” über die großen Fragen der Weltkirche (so der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl) begann am 25. März in Wien die Frühjahrssession der österreichischen Bischofskonferenz. Der Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, Kardinal Josef Ratzinger, war einer Einladung der österreichischen Bischöfe gefolgt und referierte im Rahmen des traditionellen Studiennachmittags über aktuelle Probleme wie Theologie der Befreiung, künstliche Befruchtung oder die bevorstehende Bischofssynode über die Rolle der Laien in der Kirche.

Zur Theologie der Befreiung hat Rom nach dem ersten kritisch gehaltenen Dokument eine „in-struetio secunda”, also ein zweites Papier, angekündigt, das nun die positiven Aspekte dieser umstrittenen Theologie würdigen soll. Ebenfalls in Vorbereitung befindet sich eine römische Stellungnahme zu den Fragen der künstlichen Befruchtung.

Genau zu diesen Fragen gab Weihbischof Helmut Krätzl als Sprecher der Bischöfe bei der Pressekonfernz am Ende der Frühjahrssession eine Erklärung ab, die er „nicht als endgültige Stellungnahme, sondern als Diskussionsbeitrag” verstanden wissen will, da es sich um ein völlig neues, noch kaum überschaubares Gebiet handle.

Dennoch wurden bereits klare Grenzziehungen erkennbar, nämlich gegenüber der außerehelichen (heterologen) Befruchtung, der sogenannten „Mietmutter” (Krätzl: „Eine solche Praxis verstößt mehrfach gegen grundlegende humane Werte.”) und gegenüber dem Experimentieren mit oder Lagern von befruchteten Eizellen. Das Kind werde hier nicht selten zum Objekt degradiert und verzweckt, die Gebärfähigkeit der Frau unter Umständen zur Handelsware.

Vorsichtiger fiel die Erklärung zur ehelichen (homologen) künstlichen Befruchtung aus, da die Sehnsucht kinderloser Eheleute nach einem Kind als Frucht ihrer Liebe, für das sie auch Opfer zu bringen bereit sind, sehr ernst zu nehmen sei: „Von dieser Haltung der Eltern her gesehen, ist eine homologe künstliche Befruchtung nicht in jedem Fall abzulehnen.” Die Sehnsucht solcher Ehepaare nach einem Kind zeige auch in einer Zeit zahlreicher Abtreibungen den Wert werdenden menschlichen Lebens.

In einem Papier der Bischöfe zur Bedeutung der Familie als Fundament der Gesellschaft wird an den Nationalrat appelliert, im Sinne einer im Herbst 1984 eingebrachten Petition des Katholischen Familienverbandes weitere konkrete Maßnahmen zugunsten der Familien zu setzen. Die Bischöfe hoffen auch, daß von der Petition der Plattform „Geborene für Ungeborene” möglichst viel verwirklicht wird.

Der Grazer Diözesanbischof Johann Weber sprach namens der Bischöfe zu den staatlichen Jubiläen dieses Jahres (40 Jahre Zweite Republik, 30 Jahre Staatsvertrag); man wolle, wie es im Maria-zeller Manifest von 1952 heißt, als „eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft” wirken, nicht als Machtfaktor, aber aus Verantwortung für diesen Staat. Vielleicht hätten sich die Christen in letzter Zeit zu sehr nach innen gewandt, nun gelte es, im Sinne der Papstansprache bei der Europavesper 1983 aus dem Glauben heraus nach außen zu wirken.

Bei der Pressekonferenz kam auch eine Tendenz der letzten Jahre (immer weniger Priester und Kirchenmitglieder, diese aber dafür sehr aktiv beim Sakramentenempfang und in kirchlichen Gruppen) zur Sprache. Journalisten sahen hier die Gefahr einer „elitären Kirche”. Die Bischöfe erwiderten, gerade aktive Gruppen und Pfarren seien für Außenstehende attraktiv. Die Christen dürften nur nicht — so Krätzl - in den Fehler verfallen, sich „in Kuschelecken zurückzuziehen”.

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