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Zwischen Ost und West

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Veranstaltet von. der Hanns-Seidel- Stiftung, fand im bayrischen Bad Wiessee ein Symposium statt mit dem Thema „Die Tschechoslowakei zwischen Ost und West“, Teilnehmer waren exilierte Tschechen und Slowaken, Hochschulprofessoren und namhafte Publizisten. Besonders bemerkenswert die Teilnahme von Walter Becher (Sudetendeutsche Landsmannschaft). Rainer Geppenth van der Akademie für Politik und Zeitgeschichte (CSU) erklärte auf der Pressekonferenz, daß seime Stiftung zum erstenmal eine derartige Veranstaltung durchführe; es gelte, die Probleme Mitteleuropas auf breiter Wattform zu diskutieren. Andere parteipolitische Stiftungen hätten derartige Symposien über den Prager Frühling bisher nicht veranstaltet.

In der Tat mutete die Zusammensetzung der Teilnehmer —„Solisten, Klerus, „Rechte" rr( recht ungewöhnlich an. Doch die Diskussionen vertiefen eher In sachlicher, selten polemischer Wehm. Bechers Wortmeldungen waren versöhnlich und konstruktiv. Eine Atmosphäre also, die Pavel Tigrid, tschechischer Sozialdemokrat und Herausgeber einer in Prag gefürchteten Pariser Exilzeitschrift als „Geist der Toleranz“ bezeichnete, den er hier nicht erwartet hätte. War ein neuer Anfang gemacht im Dialog zwischen den durch die Vergangenheit so schwer belasteten Deutschen und Tschechen?

Botho Kirsch von der Deutschen Welle (Köln) analysierte, bestens fundiert, die Machtstrukturen innerhalb der sowjetischen KP, wobei er Breschnjews Krankheit (sowohl physisch als auch politisch) als bevorstehenden Sturz des bisher mächtigsten Kreml-Herrschers interpretierte. Wolf Oschlies (Köln) behandelte das historische Verhältnis zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen mit dem Akzent auf die DDR-Deutoschen, etwa, wenn er die

Doppelzüngigkeit der DDR in den Beziehungen zur CSSR betonte.

Weitere Refernten waren Professor Rabas (Würzburg), der über die kirchliche Entwicklung während des Prager Frühlings sprach, sowie die Tschechen Rudolf Ströbinger (Deutsche Welle), Pokstefl (Heidelberg) und Ivan Svitäk, der bekannte tschechische Philosoph, der heute in Kalifornien lehrt.

Jiri Pelikan (Rom), ehemals Prager Femsehdirektor, heute Herausgeber der unermüdlichen Oppositionszeitschrift „Listy“, sagte seine Teilnahme mit der Begründung ab, er könne neben einem Manne wie Becher nicht auftreten. Und wegen Pelikan hatten schon vorher fünf weitere Tschechen abgesagt. Ein Beispiel auch dafür, wie zerstritten die heutige tschechoslowakische Emigration ist. Ludak Bachman (heute Berlin) referierte über die beiden Exil- welleri ‘vöh’1948 und 1968. Während es sich IS nach Pachmann — 1948 mit den 80.000 Emigranten um ein junges, fast ausschließlich politisches Exil handelte, sei von den 125.000 von 1968 nur ein Prozent als politisch engagiert anzusehen. Eine These, die »der Lyriker Antonin Brousek (Berlin) scharf bestritt; seine Literaturwissenschaft sei keineswegs unpolitisch.

Fachmann rief zu einer Aktionseinheit aller Exilgruppen auf, zur Überwindung der Differenzen zwischen den Bürgerlichen, Soziaiemo- knaten und den Sozialisten, vor allem der Listy-Gruppe um Pelikan. Die heutige Situation in der CSSR bezeichnete Pachman mit der BöUschen Metapher vom „Kulturfriedhof“.

Schließlich meldete sich noch der Jungexulant Ota Filip (München) zu Wort; er wolle hier die tschechischen Träume repräsentieren. Was ihn wundere, sei, daß er hier (wie schon in der CSSR) in die „Falle der Politiker“ geraten sei. — Tatsächlich kam die Kultur auf diesem Symposium eiin wenig zu kurz.

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