Becciu - ©  APA / AFP / Filippo Monteforte

Giovanni Angelo Becciu, der verurteilte Kardinal

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Kardinal Giovanni Angelo Becciu (75) wurde im vatikanischen Finanzstrafverfahren zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er berief gegen das Verdikt.

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Kardinal Giovanni Angelo Becciu (75) wurde im vatikanischen Finanzstrafverfahren zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er berief gegen das Verdikt.

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Bislang war solches schlicht undenkbar: Ein Kardinal und langjähriger Oberer der römischen Kurie wurde von einem vatikanischen Gericht, das sich aus Laien und nicht aus Klerikern zusammensetzte, zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt. Im Pontifikat von Franziskus ist auch solche Entwicklung möglich, die jedenfalls auf den ersten Blick die Hoffnung nährt, dass es in der Couloirs an der Spitze der katholischen Kirche doch so etwas Ähnliches wie Rechtsstaatlichkeit gibt.

Giovanni Angelo Becciu kommt die zweifelhafte Rolle zu, dass an ihm als Erstem ein Exempel statuiert wurde: Becciu wurde vom Gericht in erster Instanz für schuldig befunden, eine mit 100 Millionen Euro Verlust endende Finanzinvestition in London durch das vatikanische Staatssekretariat nicht ausreichend beaufsichtigt zu haben. Außerdem wurde Becciu angelastet, eine halbe Million Euro an eine Bekannte als Lösegeld für einen entführten Priester in Afrika übergeben zu haben, wobei diese das Geld für private Einkäufe genutzt hatte. Auch die Unterstützung eines von seinem Bruder auf Sardinien geleiteten Sozialprojekts wurde Becciu angekreidet. Der Kardinal beteuerte auch nach dem Urteil seine Unschuld – und berief gegen das Verdikt.

Der 75-jährige gebürtige Sarde wurde 2011 durch Benedikt XVI. „Substitut“ im Staatssekretariat und damit einer der politisch, aber auch finanziell mächtigsten Männer der Kurie. Die Scharmützel, die er sich mit dem konservativen Hardliner Kardinal George Pell († 2023), den Papst Franziskus als Oberaufseher über die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kurie eingesetzt hatte, lieferte, waren legendär. Franziskus ernannte Becciu 2018 zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation und zum Kardinal. Bereits ein Jahr zuvor hatte der Papst
Becciu als Sonderbeauftragten zum Malteser-Ritterorden geschickt, bei dem es große innere Spannungen gab.

Wegen des Finanzskandals trat Becciu Ende 2020 von seinen Ämtern zurück und verzichtet auf alle Rechte eines Kardinals, insbesondere auf das Recht zur Papstwahl; Franziskus beließ ihm allerdings die Kardinalswürde.

Ob Becciu aber tatsächlich hinter Gitter muss, ist zweifelhaft. Denn zum einen wird der Instanzenweg nach der Berufung noch Jahre dauern – die Richter sind nun aber nicht mehr Laien, sondern Geistliche und Angehörige der Kurie. Und selbst wenn der Schuldspruch bestätigt werden sollte, kann der Papst das Strafausmaß herab­setzen oder den Verurteilten begnadigen.

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