Die Glut hinter dem Rauch

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"Herr Schmidt, vergessen Sie nicht die Kraft des persönlichen Gebets!“ Mit diesen Worten hat sich der Wiener Kardinal Franz König bei ihrem letzten Zusammentreffen von Helmut Schmidt verabschiedet. Der kühle hanseatische Protestant, der sich nicht sicher ist, ob ihn Martin Luther oder der Vatikan überhaupt als einen Christen anerkennen würden, weiß sich dem Wiener Kardinal ebenso verbunden wie anderen herausragenden Vertretern und Vertreterinnen großer Religionen. Das Christentum, so meint er, hat lange gebraucht, um Toleranz zu lernen. Von Missionierungsabsichten und religiöser Besserwisserei hält er nichts, beides hat in der Zeit des notwendigen Dialogs keine Berechtigung mehr. Die Globalisierung fordert den Friedensbeitrag der Religionen, heute ist ihre Hauptaufgabe der weltweite Einsatz für gegenseitigen Respekt und Kooperation. Mit dem Friedensengagement und vor allem der ethisch begründeten Ablehnung atomarer Waffen der evangelischen Kirche ist Schmidt als Bundeskanzler in einen heftigen Konflikt geraten. Ursache war sein Betreiben des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 und die Aufstellung von Raketen in Deutschland. Mit dem Hamburger Kirchentag von 1981, auf dem sich Schmidt der Diskussion stellte, begann die "neue“ Friedensbewegung gegen atomare Abschreckung. Für Helmut Schmidt, von seiner persönlichen Einstellung her "ein sehr distanzierter Christ“, kam ein Kirchenaustritt nie in Frage. Für ihn bietet die Kirche Halt, sie steht für Werte und trägt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.

Geboren am 23. Dezember 1918, begann er nach der einschneidenden Erfahrung als Soldat während des Zweiten Weltkrieges seine politische Laufbahn. Unvergessen bleibt sein entschlossenes Agieren als Hamburger Innensenator in den Tagen der großen Flutkatastrophe im Jahr 1962. Tatkraft vermisst er auch angesichts der jetzigen Krise in Europa, zu der er sich lautstark zu Wort meldet ("Europa braucht einen Putsch“). Das tut er am liebsten im Gespräch, zumeist in dicht verqualmten Räumen.

Kardinal Königs Mahnung, das persönliche Gebet nicht zu vergessen, hat er nicht befolgt. Auf die Frage, ob er betet, kommt die knappe Antwort: Nein. Allerdings gehen ihm nach eigener Aussage zwei Gebete zu Herzen, einmal das Vaterunser und dann jenes, das Reinhold Niebuhr zugeschrieben wird: "Gott, gib mit die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

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