Noch nicht verloren - © Getty Images

In christlichem Freimut

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Daniel Bogner, Moraltheologe im schweizerischen Fribourg, legt in seinem Büchlein „Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu!“ eine luzide Streitschrift zur aktuellen Kirchenkrise vor.

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Daniel Bogner, Moraltheologe im schweizerischen Fribourg, legt in seinem Büchlein „Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu!“ eine luzide Streitschrift zur aktuellen Kirchenkrise vor.

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Es herrscht zurzeit kein Mangel an Literatur zur Rettung der katholischen Kirche. Das hat ursächlich mit der tatsächlich prekären Situation der Institution Kirche zumal in Europa zu tun. Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass der innerkirchliche Freimut gewachsen ist und sich nicht mehr vor Zensur oder Korsett durch die zentralen Glaubenshüter beeindrucken lässt. Das manifestiert sich auf beinahe allen Ebenen.

So legte beispielsweise der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald jüngst in „Reform. Dieselbe Kirche anders denken“ (FURCHE 34/2019) erfrischend schlüssig dar, dass die vorgeblich in Stein gemeißelte unveränderliche Lehre ganz neu interpretiert werden kann. Die Lehre, so Seewald sinngemäß, stehe unter der Fuchtel der Verrechtlichung.
Sozusagen als komplementäre „Streitschrift“, als die sie der Autor charakterisiert, kann Daniel Bogners Büchlein „Ihr macht uns die Kirche kaputt … aber wir lassen das nicht zu!“ gelesen werden.

Bogner nimmt sich die Freiheit des Christen­menschen, um den bereits seit Jahrzehnten in Bezug auf die heißen Eisen lavierenden Bischöfen in Rom und anderswo die Leviten zu lesen.

Bogner, Jahrgang 1972, ist Professor für Moraltheologie in Fribourg/CH und nimmt sich zu den „heißen Eisen“ der Reformdiskussion kein Blatt vor den Mund. Dabei argumentiert er nicht direkt von seinem theologischen Fach her, sondern nimmt sich die Freiheit des Christenmenschen, um den bereits seit Jahrzehnten in Bezug auf ebendiese heißen Eisen lavierenden Bischöfen in Rom und anderswo die Leviten zu lesen.

Für Bogner ist klar: Weder die Beschwichtigungen, man müsse auf das Wirken des Geistes warten, noch das Hoffen auf kirchliche Evolution (wie: zuerst Frauen als Dia­koninnen, und dann kann man vielleicht doch über Priesterinnen reden …) haben die Kirche auf den rechten Weg gebracht. Der Autor argumentiert unverblümt, dass sich die realen wie spirituellen Herrschaftsverhältnisse in der katholischen Kirche so weit von den Lebensrealitäten der Menschen entfernt haben, dass sie nicht mehr zu verantworten sind.

Ungerechtes Kirchenrecht

Bogners Diagnose geht davon aus, dass es nicht nur eine legitime Forderung ist, das Weiheamt auch Frauen zu öffnen, sondern dass es für die Kirche, will sie jedenfalls in den hiesigen Breiten noch eine Chance haben will, eine unabdingbare Forderung ist.

Was seine Kritik und Analyse besonders spannend macht, ist, dass Bogner an der juridischen Verfasstheit der Kirche ansetzt: Er argumentiert und postuliert, dass das kirchliche Rechtssystem mit der Lebens- und Erfahrungswelt der Glaubenden nicht mehr in Einklang zu bringen ist: Er macht beispielsweise klar, wie in den westlichen Demokratien, deren Modell fürs säkulare Leben auch von Bischöfen gepredigt wird, aufgrund der Menschenwürde ein Rechtssystem geschaffen wurde, das dem Einzelnen Möglichkeiten gibt, zu seinem Recht zu kommen.

Das Kirchenrecht hingegen verharrt weiterhin in der spätantiken/mittelalterlichen Herrschaftsform der absoluten Monarchie, die nicht die Würde des Einzelnen zum Ausgangspunkt hat und somit von unten her gedacht ist, sondern von oben her eine Heilsgewissheit pos­tuliert, der sich das gemeine Kirchenvolk der Laien unterzuordnen hat.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass dieses Herrschaftsrecht mit heutigen Verständnis des Menschen (auch der Kirche!) unvereinbar ist. Bogner dekliniert dies an verschiedenen Phänomenen der Kirchenkrise durch. Sein Ansatz geht dahin, dass er die Betroffenen, etwa Frauen in kirchlichen Tätigkeiten, ermuntert, sich diese menschen­ungerechten Verhältnisse nicht länger bieten zu lassen. Es überrascht nicht, dass er so viel mehr Berührungspunkte zwischen einer funktionierenden Demokratie findet, als die Hierarchiebewahrer auf den Bischofsstühlen und in Rom zulassen wollen.

Im jüngsten Gutachten des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte gegen den „Syn­odalen Weg“ in Deutschland (vgl. Seite 13 dieser FURCHE) wird explizit darauf hingewiesen, dass die Kirche nicht demokratisch strukturiert sei. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie richtig Daniel Bogners Einlassungen sind, so liegt dieser spätes­tens hier vor.

Ihr macht uns die Kirche kaputt - © Herder
© Herder
Buch

Ihr macht uns die Kirche kaputt …

... doch wir lassen das nicht zu!
Von Daniel Bogner
Herder 2019
160 Seiten, geb.,
€ 16,50

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