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Thomas Brechenmachers Monografie "Der Vatikan und die Juden", der Sammelband "Katholizismus und Judentum" und ein theologischer Diskussionsband.

Seit mehreren Jahren begehen Österreichs Kirchen am 17. Jänner den Tag des Judentums. Das Datum ist mit Bedacht gewählt, es handelt sich um den Vortag der Gebetswoche für die Einheit der Christen: Als Zeichen, dass das Judentum dem Christentum "vorangegangen" ist, soll dieser Tag auch das Nachdenken über die Höhen, aber vor allem die Verwerfungen der Beziehungen zwischen beiden Religionen anstoßen.

Das vergangene Jahr 2005 war in dieser Hinsicht auch vom Gedenken an den 40. Jahrestag der Konzilserklärung "Nostra Aetate" geprägt, mit der die katholische Kirche eine tiefgreifende Umkehr ihrer Beziehung zum Judentum vollzog. Der Geschichte der katholisch-jüdischen (Nicht-)Beziehungen sind Neuerscheinungen gewidmet. Vor allem die Monografie "Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung" des Münchner Historikers Thomas Brechenmacher und der auf einer Tagung zum Thema beruhende Sammelband "Katholizismus und Judentum" werfen Schlaglichter auf die immer noch schwierige Materie.

Brechenmacher beleuchtet in einem Beitrag für den Sammelband sowie - ausführlicher - in seiner Monografie das Konzept der "doppelten Schutzherrschaft", aufgrund derer Juden im Machtbereich der Päpste lange überleben konnten: Einerseits standen Juden unter päpstlichem Schutz, weil sie als Zeugen der Erlösung "notwendig" waren, wegen ihres Unglaubens mussten aber Christen vor ihnen geschützt und sie daher ins Getto exiliert werden. An dieserAmbivalenz lässt sich Jahrhunderte langer christlicher Umgang, der um 1870 mit dem Fall des Kirchenstaates beendet wurde, beschreiben.

Beide Publikationen gehen auch der Frage nach dem "Schweigen" Pius xii. zu den Judenverfolgungen im Dritten Reich nach und bieten ein differenziertes Bild, das auch dadurch unvollständig bleiben muss, weil die vatikanischen Archive erst bis zum Tod Pius xi. 1939, als der nachmalige Papst Pius xii. noch Kardinal-Staatssekretär Eugenio Pacelli war, geöffnet sind. Wenig überraschend erscheint Pacelli als das Unheil Sehender, aber in der päpstlichen Diplomatie Gefangener. Brechenmacher weist in seiner Monografie auf die Gratwanderung Pius xii. hin, die den Pacelli-Papst von öffentlichem Eintreten für die Juden abhielt, damit er hinter den Kulissen etwa für die Juden Roms agieren konnte. Dieses - etwa durch Rolf Hochhuths Drama " Der Stellvertreter" seit Jahren gepushte Thema harrt weiter der Archivöffnung und der historischen Klärung.

In diesem Zusammenhang ist auch die Affäre um die Priestervereinigung "Amici Israel" (auch sie in beiden Büchern behandelt) erhellend. Der Mitherausgeber des Sammelbandes, der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, erhellt dort das dunkle VatikanKapitel: Denn schon 1928 hatten vor allem deutsche Mitglieder der "Amici Israel" versucht, Änderungen der antijüdischen Bitte in der Karfreitagsliturgie für die "treulosen Juden" zu erreichen, was durch den reaktionär-antisemitischen Flügel in der römische Kurie verhindert wurde. Erst nach dem II. Weltkrieg wurden diese Elemente aus der katholischen Liturgie entfernt.

Thomas Brechenmachers Monografie, die vom 16. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart reicht, ist gut lesbar und aus einem Guss gefertigt. Vielfältiger, weil thematisch bunter, stellt sich der Sammelband dar, der allerdings, da er etwa lateinische Zitate unübersetzt lässt, doch eher ein Fachpublikum im Auge hat.

Den theologischen Leser bedient auch ein Band der Herder-Reihe "Quaestiones disputatae", der den "Streitfall Christologie" thematisiert: Die Gestalt Christi ist zweifellos das Trennende zwischen Judentum und Christentum. Dennoch hat sich nach der Schoa auch hier eine Umorientierung der christlichen Theologie vollzogen - etwa durch das auch für Christen heute selbstverständliche Bekenntnis zur jüdischen Identität Jesu. Wieweit hier die christlich-jüdische Diskussion steht, und vor allem: wie man es anstellt, dass die Christologie nicht - wie in vergangenen Jahrhunderten - zur "Speerspitze des Antijudaismus" wird, ist hier glaubwürdig dargestellt.

Der Vatikan und die Juden

Geschichte einer unheiligen Beziehung

Von Thomas Brechenmacher. C.H. Beck, München 2005. 326 S., geb, e 25,60

Katholizismus und Judentum

Gemeinsamkeiten und Verwerfungen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert

Hg. Florian Schuller, Giuseppe Veltrii, Hubert Wolf. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2005. 300 S., geb., e 27,70

Streitfall Christologie

Vergewisserungen nach der Shoah

Hg.Helmut Hoping , Jan-Heiner Tück. Verlag Herder (Quaestiones disputatae), Freiburg 2005. 263 Seiten, kt., e 26,80

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