Der von den christlichen Kirchen seit einigen Jahren begangene "Tag des Judentums“ am 17. Jänner ist auch jenes Datum, an dem über den Stand des christlich-jüdischen Gesprächs nachzudenken ist (Info dazu: www.christenundjuden.org). Zum Thema gibt es auch eine Reihe lesenswerter Bücher, die vor Kurzem erschienen sind.
Ein Standardwerk dabei ist der Band "Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen“ von Frank Crüsemann. Der protestantische Alttestamentler, einer der führenden christlichen Experten im Gespräch mit den Juden, legt hier eine Summe seiner Forschungen dar. Quasi wie den umgekehrten Versuch, wie ihn Walter Homolka im Artikel oben skizziert, stellt Crüsemanns "neue Sicht der christlichen Bibel“ dar. Der christliche Glaube ist keineswegs die "Überwindung“ des Alten Testaments, sondern diesem kommt derselbe "Rang“ wie dem Neuen zu.
Katholischer Rückschritt gegenüber den Juden?
Was für im christlich-jüdischen Dialog Kundige längst eine Selbstverständlichkeit schien, ist jedenfalls im Christentum römisch-katholischer Konfession ins Wanken geraten. Das argumentiert zumindest der katholische Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler (Regensburg) im Band "Christlich-jüdisches Gespräch - erneut in der Krise?“. Schöttler diagnostiziert eine markante Änderung des katholischen Lehramts und ortet gar einen Bruch zwischen der Theologie Johannes Pauls II. und seines Nachfolgers Benedikts XVI. Schöttler belegt diese Entwicklung vom Umgang mit den Pius-Brüdern bis zu Aussagen Benedikts selber. Der Band, der auch weniger kritische, informative Beiträge sammelt, stellt die Dokumentation einer Ringvorlesung an der Universität Würzburg dar.
Positiver gestimmt, weil die Aufbrüche der katholischen Kirche im Verhältnis zu den Juden aufzeigend, ist eine Neuauflage zum christlich-jüdischen Dialog: Der Jesuit Reinhard Neudecker, Professor am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom, hat sein 1989 aufgelegtes Buch "Die vielen Gesichter des einen Gottes“ bis zum gegenwärtigen Pontifikat aktualisiert. Vor allem die Brisanz der Konzilserklärung "Nostra Aetate“ wird in dieser gleichfalls gut lesbaren Auseindersetzung aufs Neue sichtbar.
Neu aufgelegt wurde auch das Buch "Tora, Sabbat und Schalom - Alltag und Tradition im Judentum“ von Alfred Paffenholz (1937-2002). Der deutsche Radiojournalist legte diesen populärwissenschaftlichen Band erstmals 1995 vor. Sein Verdienst, das zeigt auch diese redaktionell aktualisierte Fassung, ist eine kurze und kurzweilig geschriebene Einführung zu den wichtigsten jüdischen Begriffen und (Lebens-)Vollzügen, die sich für den Einstieg in eine Auseinandersetzung mit dem Judentum mehr als hilfreich erweist.
Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen
Von Frank Crüsemann
Gütersloher Verlagshaus 2011
384 Seiten, geb., € 30,80
Christlich-jüdisches Gespräch - erneut in der Krise
Hg. Dominik Burkard, Erich Garhammer - Echter 2011
320 Seiten, kt., € 25,50
Die vielen Gesichter des einen Gottes
Christlich-jüdischer Dialog.
Von Reinhard Neudecker - Patris 2010.
248 Seiten, kt., € 20,40
Tora, Sabbat und Schalom
Alltag und Tradition im Judentum
Von Alfred Paffenholz - Patmos
2011. 192 Seiten, geb., € 15,40
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!