Am 28. Mai beginnt der Katholikentag in Regensburg. Er wird auch Rückschau halten auf die Erklärung "Nostra Aetate", die 2015 fünfzig Jahre alt wird. Nach 1945 war eine beispiellose Annäherung zwischen Katholischer Kirche und dem Judentum möglich, getragen von dem Bemühen der Kirche, "Gottes erste Liebe" (Friedrich Heer) anzuerkennen und auf eigene Spurensuche zu gehen. Das Pontifikat Benedikts XVI. hatte dagegen Irritationen ausgelöst. Für den links-charismatischen US-Rabbiner Michael Lerner war Benedikt XVI. ein "rabiater Reaktionär", Anführer jener Kräfte, die die freiheitlichen Aspekte des Zweiten Vatikanums unterdrückt und die kreativsten Anführer der Kirche ausgeschaltet haben. So hatte man den Eindruck, dass Kardinal Walter Kasper unter Benedikt kein Teil des inneren Entscheidungszirkels war. Viele hat es überrascht, wie sehr Papst Franziskus öffentlich den Schulterschluss mit ihm vollzog. Bereits in den 1970er-Jahren hatte Kasper den Standpunkt vertreten, es bestehe keine Notwendigkeit, Juden zu missionieren, weil sie eine authentische Offenbarung besitzen und aus der Sicht des Zweiten Vatikanums im Bund mit Gott bleiben. "Nostra Aetate" ruft das Band in Erinnerung, dass das Volk des Neuen Testaments mit dem Stamm Abrahams verbindet. Die Erklärung weist jede Geringschätzung gegenüber Juden zurück und distanziert sich klar von jeder Form des Antisemitismus. Papst Franziskus hat das nun bekräftigt, wenn er für echten Dialog plädiert:
"Der Dialog entsteht aus einer respektvollen Haltung einer anderen Person gegenüber, aus der Überzeugung, dass der andere etwas Wertvolles zu sagen hat."
Es reicht aber nicht, dass Christen sich auf ihre jüdischen Wurzeln berufen. Dialog verlangt Zeitgenossenschaft, das Gespräch zwischen heutigen Christen und Juden. Zugunsten einer gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft unserer gefährdeten Welt.
Der Autor ist Rabbiner und leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin
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