Dialog als kirchliches Herzstück

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Wer sich vom interreligiösen Dialog abwendet, wendet sich von den Grundpfeilern kirchlicher Identität ab. Anmerkungen zum Konzilsdokument über die nicht christlichen Religionen.

Das konziliare Leitwort Aggiornamento brachte den höchst komplexen Prozess auf den Punkt, wie sich Glaube, Tradition und Schrift mit dem Leben in den unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen verbinden. Dabei war auch eine Neubestimmung der Haltung der Kirche zu anderen Religionen, auf dem Hintergrund der Schoa im "christlichen Abendland“, vor allem zum Judentum, überfällig. Die von Papst Johannes XXIII. angestoßene Erklärung zum Judentum entwickelte das Konzil zu einer eigenständigen Erklärung zu allen Religionen, da die weltweite Perspektive auch die Religionen in anderen Erdteilen in den Blick nahm.

"Nostra Aetate“ (NA) erläutert die Beziehung der Kirche zu anderen Religionen, indem sie die Gläubigen zur eigentlichen christlichen Haltung Andersgläubigen gegenüber hinführt. Die Einheit der Schöpfung liegt nach NA in dem einen Gott begründet, der alle Menschen zum Heil beruft. Denn alle Menschen sind - auch in ihrer religiösen Vielfalt - Gottes Kinder und Gottes Volk. So lehnt die Kirche "nichts von dem ab[…], was in diesen Religionen wahr und heilig ist.“ (NA 2). Dass sie nunmehr kein Monopol auf die Wahrheit beansprucht, ist auch religionsgeschichtlich sehr bedeutsam.

Bedeutsam ist auch, dass NA eine solche Haltung nicht als Anhängsel zum Eigentlichen verhandelt, sondern im Herzen des eigenen Glaubens verwurzelt. Ohne diese Haltung kann die Kirche "Gott, den Vater aller“, nicht anrufen, denn Gottes- und Nächstenliebe "stehen in so engem Zusammenhang, dass die Schrift sagt: ‚Wer nicht liebt, kennt Gott nicht.‘ (1 Joh 4,8)“ (NA 5). Deshalb betrachtet die Kirche die anderen Religionen "mit Hochachtung“ (NA 3) und will deren "geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte … anerkennen, wahren und schützen“ (NA 2).

Die Kirche verzichtet auf das Wahrheitsmonopol

Die Kirche verzichtet also auch auf das Heilsmonopol. Auch das ist angesichts der Unheilsgeschichten der Religionen höchst bedeutsam. NA entdeckt dabei vor allem die Texte der Bibel neu, die Gottes Heil für alle Menschen öffnen. Die Glaubensgrenzen sind nicht identisch mit den Heilsgrenzen! Exemplarisch interpretiert das Konzil "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6) nicht mehr ausgrenzend, sondern inklusiv. Durch das Christusereignis selbst finden alle Menschen "die Fülle des religiösen Lebens […], in dem Gott alles mit sich versöhnt hat.“ (NA 2).

Das Konzil proklamiert den interreligiösen Dialog als Herzstück des kirchlichen Selbstvollzugs. Wer sich von diesem Dialog abwendet, wendet sich von den Grundpfeilern kirchlicher Identität ab. Der Christusglaube selbst erfordert es, mit Menschen anderen Glaubens im Dialog für Frieden, Gerechtigkeit, dem Ende von Rassismus und Gewaltherrschaft einzutreten (NA 5).

Für die Zukunft wird entscheidend sein, dass Verschiedenheit einem gemeinsamen Ziel nicht schaden muss! Der Dialog um die respektvolle Anerkenntnis der anderen als andere (natürlich auch nicht-religiöser Menschen) freut sich zwar über jeden Konsens, darf ihn aber nicht als Bedingung für diesen Umgang miteinander voraussetzen. Dies ermöglicht die grundlegende Haltung, dass alle Menschen Kinder Gottes und zum Heil berufen sind.

Dies als Zentrum der eigenen Frömmigkeit und Theologie zu erfahren, benötigt spirituelle Ein-übung und konzeptionelle Vertiefung. Solche Ressourcen stärken das Eintreten für Gerechtigkeit und Gewaltfreiheit, auch wenn es viel "kostet“, in der eigenen Gesellschaft genauso wie zwischen Ländern.

Nostra Aetate war ein Kairos, ein günstiger Augenblick theologischen Denkens. Die Haltung, mit der die Kirche von innen her anderen Religionen begegnet, hat sich als Paradigma für eine zukunftsfähige Wegweisung erwiesen. Diese theologische Denkweise gilt es weiterzuentwickeln, spirituell zu verankern und strukturell abzusichern, in einem Dialog, der in seinen verschiedenen Formen nicht nur redet, sondern das Dasein der anderen will und schützt.

Eine Religion unter vielen

Die christliche Haltung zu Menschen mit anderer Religion

Vortrag von Ulrike Bechmann, Professorin für Religionswissenschaft an der Uni Graz.

Reihe: Religion am Donnerstag

Do, 8. November, 19 Uhr, Universitätszentrum Theologie

8010 Graz, Heinrichstraße 78. http://theol.uni-graz.at

In Kooperation mit der FURCHE.

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