Keine Rückkehr zum Protektionismus

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Auch Regulierungsideen wie die Tobin-Steuer sind kontraproduktiv, da sie den optimalen Einsatz der Kapitalressourcen behindern.

In den letzten Jahren werden vermehrt kritische Stimmen gegen die Globalisierung laut. Gegner mobilisieren die Straße. Leicht lesbare Fast-Food-Bücher verstärken - nicht selten auf Kosten der Seriosität - die verständliche Angst vor unvermeidbaren Reformen, welche die Liberalisierung der Weltwirtschaft, die Dynamik auf dem Weg in die Informationsgesellschaft erzwingt. Man kann die auf uns zukommenden Veränderungen begrüßen oder bedauern, die Entwicklung auch mit erheblichem Wohlstandsverlust verzögern, definitiv verhindern kann man sie nicht. Denn es gibt keine ernst zu nehmende Alternative. Die zentrale Kommandowirtschaft ist mit der Implosion des Sowjetimperiums und nach der Einführung der "sozialistischen Marktwirtschaft" in China diskreditiert.

Auch die Rückkehr zum Protektionismus vergangener Tage (wie die Einhebung von Zöllen, Importbeschränkungen, Devisenbewirtschaftung, Kapitalverkehrskontrollen) ist unrealistisch. Ebenso wären neue Regulierungsideen wie die in den Siebzigern erfundene Tobin-Steuer kontraproduktiv, da sie den optimalen Einsatz der knappen Kapitalressourcen behindern. Die Behauptung, die internationalen Finanz- und Kapitalmärkte würden ohne jeden sozialen Bezug und ohne güterwirtschaftliche Untermauerung agieren, ist unrichtig. Sie reagieren sehr wohl auf die Wirtschaftspolitik der Nationalstaaten und ihrer Wirtschaftsgemeinschaften. Der Staat kann durch beschränkte Geldemission und durch eine solide Budgetpolitik schädliche Finanzspekulationen von vornherein verhindern. Die Politik hat auch ohne Tobin-Steuer wirkungsvolle Einflussmöglichkeiten.

Wir können aber nicht die Vorteile offener Märkte in Anspruch nehmen und uns zugleich dem internationalen Wettbewerb entziehen. Ernster zu nehmend als der Griff in die ideologische Mottenkiste ist der von Interessen bestimmte Widerstand. Denn die Globalisierung schafft wie jede bedeutende Veränderung des wirtschaftlichen Umfelds neben Gewinnern (die von niedrigeren Energie- und Telefonkosten profitieren) auch Verlierer (Privilegierte im Geschützten Sektor, aber auch Rationalisierungsopfer, denen eine verantwortungsbewusste Solidargemeinschaft verpflichtet zu sein hat).

Einschnitte, wie wir sie um diese Jahrhundertwende erleben, führen zur Krise, die - wie uns die alten Griechen und das chinesische Schriftzeichen lehren - stets "Gefahr" und "Chance zugleich" bedeutet. Wie aber eine Veränderung empfunden wird, hängt von der Fähigkeit und Bereitschaft zur Anpassung an veränderte Bedingungen ab. Wer sich der Herausforderung des Neuen stellt, zählt zu den Gewinnern; wer seine Besitzstände mit Zähnen und Klauen verteidigt, zählt ohne Erfolgsaussichten letztlich zu den Verlierern.

Allerdings: Die Liberalisierung der Märkte sichert wünschenswerte Lebensqualität nur unter bestimmten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die sozialen und ökologischen Erfordernissen Rechnung tragen und auch einen fairen Wettbewerb - etwa durch eine globale Kartellbekämpfung - gewährleisten. Diese sind heute meist nur auf nationalstaatlicher Ebene gegeben. Viele transnationalen Akteure der Wirtschaft handeln global. Die Politik dagegen agiert noch immer national oder regional - ein folgenschwerer Mangel. Hier sind EU und Welthandelsorganisation gefordert, die auch die Anliegen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen hätten. Diese leiden weniger unter der Globalisierung als unter dem Protektionismus der Industriestaaten. Das alles deutlicher zu machen, wäre eine wichtige Aufgabe derjenigen, die der Globalisierung kritisch gegenüberstehen, und in diesem Sinn gehen einige Vorschläge des Antiglobalisierungsmanifests italienischer Katholiken, die sich am ersten Juliwochenende in Genua getroffen haben, in die richtige Richtung.

Der Autor ist freier Publizist.

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