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Schillers Beispiel...

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„Wir müssen trachten, auch Wirtschaftsministerien zu erhalten“, hatte in der Wahlnacht Gewerkschaftspräsident Benya erklärt und damit gleich jene Forderung nach indirekter Mitbestimmung formuliert, wie sie bereits im sozialistischen Wirtschaftsprogramm angemeldet worden war. In der ÖVP-Zentrale hatte man die Benya-Forderung durchaus gelassen aufgenommen, denn man war sich darüber im klaren, daß man angesichts des sozialistischen Wahlsieges zumindest das eine oder andere der von Benya als „Wirtschaftsministerien“ bezeichneten Ressorts werde abgeben müssen.

Bisher hatte nämlich die ÖVP auch in Zeiten der Koalition mehrere zentrale Wirtschaftsressorts verwaltet, denn

Ct sowohl das Finanzministerium

• wie auch das Handelsministerium, damit das heutige Bautenressort, sowie

• das Landwirtschaftsministerium hatten bisher immer einen Ressortchef mit ÖVP-Parteibuch gehabt Schon im sozialistischen Wirtschafts-

programm hatte man sich das Bonner Wirtschaftsministerium von Prof. Schiller zum Modell für ein kompaktes sozialistisches Monsterministerium genommen. Das derzeitige deutsche Wirtschaftsministerium, auf Österreich transferiert, würde bedeuten, daß nicht weniger als vier bis sechs Ministerien schwere Kompetenzeinfoußen zu erleiden hätten.

So sind im Wirtschaftsministerium der deutschen Bundesrepublik unter anderem folgende Aufgaben vereint:

• Die sogenannte Abteilung E umfaßt die gesamte zwischenstaatliche europäische Zusammenarbeit und Wirtschaftspolitik.

• Die Abteilung 1 befaßt sich mit der innerdeutschen Wirtschaftspolitik.

• Die Abteilung 2 zählt zu ihren Aufgaben die Fragen des gewerblichen Mittelstands, der Absatzwirtschaft und der Leistungssteigerungen auf diesen Gebieten.

• Die Abteilung 3 verwaltet die Energiepolitik und die Grundstoffwirtschaft. Dazu zählen Bergbau,

Energie, Wasserwirtschaft, Eisen und Stahl, Mineralöl.

• Die Abteilung 4 befaßt sich ebenfalls mit Problemen der gewerblichen Wirtschaft und des Handels.

• Die Abteilung 5 hat Außenwirtschaft und Entwicklungshilfe übernommen, obwohl es für den letzteren Aufgabenbereich in Bonn noch ein eigenes Ressort gibt.

• Die Abteilung 6 schließlich befaßt sich mit Fragen der Geld- und Kreditwirtschaft.

Wie schwer man sich mit diesem „Vorbild“ in der deutschen Bundesrepublik tut, zeigt wohl am deutlichsten die Tatsache, daß zur Leitung neben Minister Schiller noch zwei beamtete und ein parlamentarischer Staatssekretär notwendig sind. Meint ein Beamter der deutschen Botschaft in Wien: „Das Bundeswirtschaftsministerium ist ein Rest aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als wir noch kein eigenes Außenministerium hatten.“ Auf österreichische Begriffe übertragen, würde ein solches Großministerium bedeuten, daß nicht weniger als fünf bis sechs der bis-

herigen Ressorts Federn lassen müßten:

• Aus dem Außenministerium würden gewisse Funktionen in Sachen EWG herausgelöst werden.

• Das Handelsministerium würde geradezu kompetenzlos werden.

• Das Finanzministerium würde nicht nur zu einem reinen Budgetministerium degradiert werden, sondern darüber hinaus auch noch die Stellung einer Aufsichtsbehörde des Geld- und Kreditsektors verlieren.

• Das Bundesministerium für Verkehr würde Kompetenzen auf dem Energiesektor verlieren.

• Schließlich würden auch jene Ministerien, die wie das Bundeskanzleramt mit Entwicklungshilfe befaßt sind, reduziert werden.

Daß angesichts eines solchen Versuches wirtschaftlicher Machtkonzentration auch die Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft nicht schweigen werde, war klar. Postwendend kam denn auch die Stellungnahme vom Stubenring, wo man im Sinne des sozialistischen Wirt-schaftsprogrammes zwar „Ja“ zu allen Industrialisierungstendenzen sagt, weil diese ein „Schrittmacher für die mittelständische Wirtschaft“ wären, aber zum geplanten Wirtschaftsministerium meint: „Wir halten nichts von dirigistischen Apparaten mit Superkompetenzen.“ Und auch sonst sieht man in Kreisen der Wirtschaft einem solchen ministeriellen Monstrum eher skeptisch entgegen: „Wenn man schon den Außenhandel umbringen will, dann bleibt es gleichgültig, ob durch Verstaatlichung oder durch frustrierte Beamte eines Ministeriums.“ Von Seiten der ÖVP würde aber ein Wirtschaftsministerium fast sicher als Thema für das Anheizen der Opposition aufgegriffen werden, denn welches Ministerium mit wirtschaftlichen Kompetenzen man auch immer der ÖVP anbieten wollte, es wäre nur noch ein Schatten seiner selbst.

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