Es war eine der ersten Regeln für junge Journalisten, die uns Hugo Portisch mitgegeben hat: Eine Zeitung ist keine Ego-Show. Also: Das "Ich“ des Schreibers hat hinter den Inhalt seiner Arbeit zurückzutreten. Journalismus ist Dienstleistung am Leser/Hörer/Seher. Das hieß als Selbstverpflichtung zumindest dreierlei:
* "Sag’ niemandem ungefragt, was du von Beruf bist. So angesehen ist er nicht“.
* "Wer immer dir schmeichelt, er meint gar nicht dich, er meint das Medium“.
* Und: "Vergiss nie: Journalismus ist geborgte Macht. Alle Bekanntheit erlischt mit dem Ende deiner Aufgabe“.
Illusionen eigener Wichtigkeit
Diese drei Sätze sind mir in den Stürmen eines langen Berufslebens zur stillen "Magna Charta“ geworden. Sie haben sich gerade dann bewährt, wenn der Drang zur Selbstverwirklichung mit der Selbstüberschätzung zu kollidieren drohte; wenn Gefahr bestand (und besteht), der verlockenden Illusion eigener Wichtigkeit zum Opfer zu fallen.
Gerda Schaffelhofer hat mich in der FURCHE der Vorwoche an dieser Stelle mit so ehrenden Worten bedacht, dass es gut war, mich dieser alten Regeln zu entsinnen. Zugleich aber haben mich ihre Worte ermutigt, die vergangenen Jahrzehnte einmal mehr zu überdenken. Dabei ist mir das Gefühl großer Dankbarkeit immer deutlich stärker bewusst geworden: Die Dankbarkeit zunächst, Teil einer Generation sein zu dürfen, die jedenfalls in den bewusst erlebten Jahren allen Schrecken des Krieges entkommen ist. Ich bin historisch nicht sattelfest genug, aber mein Gefühl sagt mir: Vermutlich hat Europas Geschichte keine Generation zuvor mit diesem Friedens-Privileg verwöhnt. Ja, unserer Kindheit haben zu oft die Väter gefehlt, die auf den Schlachtfeldern geblieben sind. Vermutlich deshalb war es für uns später nicht leicht, die Vater-Rolle neu zu entwerfen. Haben die nachfolgenden Väter-Generationen dieses Problem überwunden? Nicht gleich, aber doch weit mehr als wir.
Österreicher, in Dankbarkeit
Dann die Dankbarkeit, Österreicher zu sein. Wie glücklich war ich so oft, aus den Schattenzonen dieser Erde aus Krisen- und Katastrophengebieten in dieses von solchem Wohlstand gesegnete Land heimkehren zu dürfen! Gemeinsam mit manchen Kollegen habe ich deshalb unseren Beruf auch als Dienst an mehr Weltoffenheit und an Empathie für jene Völker empfunden, denen das Schicksal weniger gnädig war als uns. Ob wir dabei erfolgreich waren? Noch immer fürchte ich, dass die Sonne allzu schnell hinter unseren Schrebergärten untergeht. Und schließlich die Dankbarkeit, ein Journalist zu sein. Als Chronist miterleben zu dürfen, wenn der erste Rohentwurf der Zeitgeschichte geschrieben wurde. "Bitte nicht immer nur Konflikte beschreiben“, hat mich einmal ein Leser gemahnt, "Journalismus ist auch Friedensarbeit!“ Können wir, kann ich im Rückblick vor diesem Auftrag bestehen? Die Antwort bleibt offen.
Ganz sicher aber bin ich, den schönsten Beruf auf Erden gefunden zu haben.
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