Öko-Psychologie: Natur auf Krankenschein
Eine schwierige Lebensgeschichte als Triebfeder einer tiefgründigen Spurensuche: Lucy F. Jones zeigt anschaulich, wie intakte Wälder, Flüsse oder Seen die seelische Gesundheit fördern.
Eine schwierige Lebensgeschichte als Triebfeder einer tiefgründigen Spurensuche: Lucy F. Jones zeigt anschaulich, wie intakte Wälder, Flüsse oder Seen die seelische Gesundheit fördern.
Der gesunde Mensch ist liebes- und arbeitsfähig. So Sigmund Freud. Alfred Adler fügte dem noch den Gemeinschaftssinn hinzu. Mit Lucy F. Jones kommt die Natur ins Spiel. Auf über 300 Seiten geht die englische Wissenschaftsjournalistin der Frage nach, inwiefern wir Naturerfahrungen brauchen, um „geistig gesund“ zu bleiben. Rund acht Jahre Recherche fließen ein in das Buch, das Sachinhalte mit persönlichen Erlebnissen verknüpft. „Die Wurzeln des Glücks“ sticht aus den vielen Publikationen, die derzeit den Markt der „Ökosachbücher“ überfluten, heraus: Denn es zeichnet auch die ganz persönliche Forschungsreise der Autorin nach.
Im Bann des Birnbaums
Was der Leser gleich zu Beginn über sie erfährt, ist durchaus radikal. Jones beschreibt ihre Jugendtage im südlichen England der späten 1990er Jahre als eine Zeit, die geprägt war von Alkohol und Drogen. Mit Anfang 20 bestimmt die Sucht ihren Londoner Berufsalltag als Journalistin für den Daily Telegraph. Die heute 36-Jährige kommt zu dem Schluss: „Für meinen Weg aus der Sucht waren vier Faktoren entscheidend. Drei davon lagen auf der Hand: psychiatrische Betreuung und Medikamentierung, eine Psychotherapie sowie die Unterstützung von Freunden, meiner Familie und anderen Suchtkranken.“ Der vierte Heilfaktor aber sei die Natur gewesen, berichtet Jones. Sie macht dafür ein prägendes Erlebnis verantwortlich – die besondere Beziehung zu dem Birnbaum vor ihrem Schlafzimmerfenster. Kein Einzelfall: Anhand einer Fülle von Studien schildert die Autorin, wie sich die positive Auswirkung von Natur auf die psychische Gesundheit wissenschaftlich belegen lässt.
Nicht zuletzt beschäftigte sich eine der ersten Studien zum Zusammenhang von Natur und Gesundheit, durchgeführt vom amerikanischen Architekturprofessor Roger Ulrich am Krankenhaus von Pennsylvania, mit genau jenem Aspekt – der Natur vor dem Fenster. Ulrich stellte ab Beginn der 1970er Jahre fest, dass OP-Patienten mit Grünblick wesentlich rascher genasen als solche, die auf diesen Blick verzichten mussten. Ulrich arbeitete in den 2000er Jahren als Berater für das nationale Gesundheitssystem Großbritanniens. So begannen seine Erkenntnisse den Bau von Krankenhäusern in den USA und Großbritannien wesentlich zu beeinflussen.
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