Kampf um Garten Eden
DISKURSNaturschutz: „Ein gespanntes Verhältnis“
Christine Pichler-Koban über historische Meilensteine der Umweltbewegung, neue Konfliktlinien zwischen Natur- und Klimaschutz, die Proteste gegen den Lobautunnel sowie Gratwanderungen im Tourismus.
Christine Pichler-Koban über historische Meilensteine der Umweltbewegung, neue Konfliktlinien zwischen Natur- und Klimaschutz, die Proteste gegen den Lobautunnel sowie Gratwanderungen im Tourismus.
Welche kollektiven Verhaltensänderungen zu einem nachhaltigen Umgang mit der Natur führen können, war eines der großen Themen beim „Biologicum Almtal“, das heuer wieder als Präsenzveranstaltung in Grünau durchgeführt werden konnte (30.9.–2.10.2021). Die studierte Landschaftsplanerin Christine Pichler-Koban vom E.C.O. Institut für Ökologie in Klagenfurt erläuterte dort, wie Naturschutz „vom Verhinderer zum Ermöglicher“ werden kann. Die FURCHE hat nachgefragt.
DIE FURCHE: Beim Biologicum Almtal sprachen Sie über Naturschutz „avant la lettre“. Welche Beispiele gibt es dafür?
Christina Pichler-Koban: Tatsächlich haben bereits frühe Hochkulturen Taburäume ausgewiesen: heilige Wälder und heilige Berge weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit heutigen Schutzgebieten auf. Selbst der Garten Eden könnte in moderner Lesart als Schutzgebiet gesehen werden. Auch fällt mir das Beispiel des indischen Kaisers Ashoka im 3. Jahrhundert vor Christus ein. Er konvertierte zum Buddhismus und forderte Respekt für alle Lebewesen: Tieren sollte kein vermeidbares Leid zugefügt werden, sie durften nicht ohne Grund getötet oder ihr Lebensraum zerstört werden.
DIE FURCHE: Wie beginnt dann der Naturschutz im heutigen Sinn?
Pichler-Koban: Im 19. Jahrhundert wollten wissenschaftliche Gesellschaften und Vereine im Zuge ihrer Forschungen besonders herausragende Naturerscheinungen schützen. Die Idee, ganze Landstriche großräumig unter Schutz zu stellen, ging von den USA aus. Ein Meilenstein war die Einrichtung des ersten Nationalparks in Yellowstone. Es waren vor allem wohlhabende und gebildete Handelsreisende, die diese Idee nach Europa brachten.
DIE FURCHE: Welche Motive und Ereignisse sind in dieser Geschichte bemerkenswert?
Pichler-Koban: Außerhalb Europas hängt die Einrichtung der frühen Großschutzgebiete mit der Inbesitznahme spärlich besiedelter Gebiete zusammen, in den USA auch mit der Sehnsucht nach nationaler Identität. Denn diese baute im Vergleich zu Europa viel weniger auf kulturellen Errungenschaften auf. Im deutschen Sprachraum gab es immer wieder Verquickungen mit nationalistischem Gedankengut. Beachtliche Erfolge der heimischen Naturschutzbewegung sind die Unterschriftensammlung zur Erhaltung der Krimmler Wasserfälle 1952, die Besetzung der Hainburger Au 1984 sowie die Initiative zur Rettung des Dorfertales 1987. In allen Fällen spielte die Nutzung der Wasserkraft eine Rolle. Fast ebenso häufig gaben touristische Pläne den Anstoß für Naturschutzinitiativen, so 1914 am Großglockner oder 1980 in den Kärntner Nockbergen.
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