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Wenn sich die Zahl der Häuser verdreifacht

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Das Landschaftsbild prägt entscheidend das Wohlbefinden des Menschen, seine Beziehung zur Heimat. Heute wird es durch zahllose Eingriffe oft massiv verändert. Oberösterreich stellt sich dieser Entwicklung.

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Das Landschaftsbild prägt entscheidend das Wohlbefinden des Menschen, seine Beziehung zur Heimat. Heute wird es durch zahllose Eingriffe oft massiv verändert. Oberösterreich stellt sich dieser Entwicklung.

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Oberösterreich verfügt über eine große Vielfalt unterschiedlichster Landschaften, ihre Schönheit zieht Jahr für Jahr viele Menschen aus dem In- und Ausland in ihren Bann. Jedoch sind diese landschaftsästhetisch hochwertigen Gebiete einer ständigen Veränderung unterworfen. Laufend werden zusätzliche Freizeiteinrichtungen geschaffen, neue I läuser errichtet. Dafür sind wiederum neue Straßen und Wege notwendig. Jede einzelne Baumaßnahme, die im Zuge dieser Entwicklung ausgeführt wird, trägt dazu bei, den Charakter unserer Landschaften fast unbemerkt, jedoch unwiderruflich zu verändern. Diese Veränderung wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Es ist jedoch ein Thema, das uns alle betrifft, geht es doch um die Schönheit unserer Heimat, die wir auch unseren Kindern erhalten wollen.

Die Eigenschaften und Merkmale einer 1 .andschaft setzen sich aus einer .Tülle von Eindrücken und Sinneswahrnehmungen zusammen, die auf uns einwirken und in ihrer Gesamtheit den Charakter einer Landschaft bedeuten. Mit unseren Sinnen riechen wir Heu, spüren das Moos unter den Füßen, hören das Rauschen der Bäume im Wind und sehen Formen-und Farbspiele im Wechsel der Jahreszeiten. Die mit den Augen wahrgenommene Landschaft, „das Landschaftsbild”, ist ein ganz wesentlicher Teil des Eindrucks, den eine Landschaft in uns hervorruft. Das Landschaftsbild läßt sich auf einige wenige elementare Formen zurückführen: flächenhafte Elemente wie zum Beispiel Almwiesen, aber auch Seeflächen, linienförmige Elemente, etwa Hecken und Wege, punktuelle Elemente, wie Felsblöcke oder solitär stehende Bäume, schließlich auch figurata Elemente in Form von Gebäuden. Durch die Kombination der Anordnung dieser Elemente erhält jede Landschaft ihre charakteristische Prägung. Diese Eindrücke werden in unseren Gedankenmustern automatisch und unbewußt bewertet. Positiv besetzt sind sie, wenn sie mit Naturnähe in Verbindung gebracht wer den und wenn die Elemente des Landschaftsbildes abwechslungsreich verknüpft sind - diese Landschaften werden von den Bewohnern und den Besuchern als attraktiv empfunden.

Die Eigenart von Landschaft als identitätsprägendes Merkmal stellt einen wichtigen Aspekt des Heimatgefühls dar - die Unterscheidbarkeit von Landschaften ist dafür eine der Voraussetzungen. Viele dieser Merkmale sind Folge einer oft jahrhundertelangen Nutzung der I.jandschaft durch den Menschen. Natürliche Landschaften im engeren Sinne des Wortes sind kaum noch vorhanden, mit Ausnahme der Gebirgsregionen. Dennoch werden die weiten, über lange Zeiträume der landwirtschaftlichen Nutzung entstandenen Kulturlandschaften zumindest als natürlich empfunden. Im Salzkammergut hat diese Entwicklung im Grunde bereits zur Römerzeit begonnen, schon damals wurden zumindest acht gewissermaßen als Zweitwohnsitz genutzte Landhäuser im heutigen Gebiet von Weyregg errichtet. Bekannter sind einige Villen aus der Zeit der Jahrhundertwende, in denen sich unter anderem auch Künstler aufgehalten haben, wie zum Beispiel Gustav Klimt in der Paulick-Villa in Seewalchen. Diese Bauwerke sind somit Ausdruck jener Phase, in der städtische Lebensformen mit den entsprechend repräsentativen Bauten in diese vorher fast ausschließlich von landwirtschaftlicher Nutzung dominierten Regionen eingedrungen sind. Das waren somit die ersten Ansätze des heutigen Fremdenverkehrs, der damals einigen wenigen Privilegierten vorbehalten war. Mit dem steigenden Wohlstand hat diese Entwicklung immer mehr zugenommen und letztendlich zum heutigen Stand der Besiedelung oder sollten wir besser Zersiedelung sagen? - geführt.

Es wird zu viel gebaut

Die rege Bautätigkeit verändert unser gewohntes und als ästhetisch ansprechend empfundenes Landschaftsbild. So hat sich etwa am Attersee die Anzahl der Gebäude in den letzten 50 Jahren verdreifacht. Mit jedem zusätzlichen Neubau wird der Weg zur Urbanisierung dieser von vielen zur Erholung genutzten Gebiete weiter fortgesetzt. Bezogen auf die Seeufer des Attersees sind die agrarisch genutzten Sichthangzonen zwischen Seeufer und Wald wesentlicher Bestandteil des Landschaftsbildes. Durch die Zunahme der Bautätigkeit entlang der Seeufer, aber auch in den Sichthangzonen, geht der derzeitige Charakter und die Identität zunehmend verloren. Sinngemäß gilt dies auch für viele andere Regionen Oberösterreichs. Schon in der Vergangenheit waren die Landschaften immer einem ständigen langsamen Wandel unterzogen, ausgelöst durch

Änderungen in der landwirtschaftlichen Nutzung und natürlich auch durch die Errichtung immer neuer Bauwerke und Siedlungen. Die intensive Zersiedelung hat jedoch erst in diesem Jahrhundert eingesetzt.

Will man dieser Entwicklung bewußt gegensteuern, so kann das nur mit weitblickender Planung und kon -sequenter Umsetzung mit den Instrumenten der Baumordnung, den Flächenwidmungsplänen, örtlichen Entwicklungskonzepten und der Einflußnahme auf Einzelvorhaben erfolgen. Der Schutz des Landschaftsbildes beginnt daher bereits bei der Raumplanung.

Zur Vermeidung einer weiteren Zersiedelung müßten teilweise Flächen in Grünland rückgewidmet werden und zusätzliches Bauland nur entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen und unmittelbar an bestehende Ortskerne angebunden werden. Eine derartige Strategie stößt in der Praxis auf erhebliche Hindernisse und wird daher kaum jemals durch -gängig verwirklicht. Schließlich werden davon einerseits massive wirtschaftliche Interessen berührt, andererseits sind auch individuelle Einschränkungen damit verbunden. Daß von diesen Einschränkungen in erster Linie die Einwohner, die regionale Wirtschaft und allenfalls die Errich-ter von Zweitwohnsitzen betroffen sind, liegt auf der Hand.

Mehr Behutsamkeit

Nicht immer werden daher von den Einheimischen die Vorteile und der langfristige Nutzen des derzeitigen Landschaftscharakters in ihrem vollen Ausmaß erkannt. Auch Urlauber und Ausflügler, die unsere Erholungsgebiete nutzen und die Schönheit, Eigenart und Naturnähe genießen, stellen kaum jemals bewußt den direkten Zusammenhang zu den Qualitäten des Landschaftsbildes her.

Im Sinne der nachhaltigen Nutzung unseres Lebensraumes muß es uns jedoch allen ein wichtiges Anliegen sein, unsere Heimat durch konsequente Erhaltung der Eigenart der einzelnen Landschaftsteile im Konsens mit den Bewohnern langfristig lebens- und erlebenswert zu erhalten. Fortschritt und Wandel müssen behutsam mit diesem Ziel in Einklang gebracht werden. In der Praxis werden die rechtlichen Möglichkeiten, die im Raumordnungsgesetz, dem Baurecht und dem Naturschutzrecht enthalten sind, mit regional unterschiedlicher Intensität eingesetzt. Die Bedeutung einer intakten Kulturlandschaft wird jedoch nie in ihrer Gesamtheit berücksichtigt.

Es ist daher Aufgabe der Kommunen und der Planer, den Wert des Landschaftsbildes und den Einfluß von Bautätigkeit darauf in der Öffentlichkeit darzulegen. Der Schutz des Landschaftsbildes durch Umsetzung von Raumplanungsstrategien und Einflußnahme auf Einzelvorhaben wird langfristig nur möglich sein, wenn durch ausreichende Information die Basis für ein Verständnis der Bedeutung des Landschaftsbildes in der Bevölkerung geschaffen wird.

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