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Macht gut, was andere verderben!

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Hier nun einige Beispiele, die aufzeigen, was der behördliche und vereinsinäßige Naturschutz in Österreich verhindern oder mildern konnte.

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Hier nun einige Beispiele, die aufzeigen, was der behördliche und vereinsinäßige Naturschutz in Österreich verhindern oder mildern konnte.

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Zwei Millionen Obstbäume sollen lach einem Plan der oberösterreichichen Wirtschaftskammer gerodet werden, da der Streuobstbau liquidiert werden soll. Das Institut für Naturschutz in Wien untersucht die Folgen. Es besteht die Gefahr, daß das allgemeine Klima des Landes nachteilig verändert, daß durch den Entfall des Windschutzes der Boden abgetragen wird.

Die bewaldete Halbinsel Grub am Hallstätter See sollte mit 50 Bungalows und einigen Hotelhochhäusern bebaut werden. Die Oberösterreichische Naturschutzbehörde hat die Zustimmung zu diesen Plänen verweigert. Damit bleibt nicht nur die Halbinsel in ihrer Naturschönheit erhalten, sondern das traute Bild des Sees wird auch nicht beeinträchtigt. Die Schönheit der Landschaft ist auf weite Sicht wertvoller als die wirtschaftliche Nutzung. Hallstatt ist überhaupt ein Modellfall für den Naturschutz. Die neue Straße soll am Westseeufer teilweise über dem Wasser geführt werden, so daß einige ufernahe Objekte ab gerissen werden müssen. Aber man hat die Verkehrsstraße wenigstens im Ort! Freilich auch den Lärm, den Wirbel und die verpestete Luft. Weitsichtiger wäre es, die neue Straße auf dem ostseitigen Ufer, wo der Schienenstrang führt, zu legen, so daß das Ortsbild von Hallstatt erhalten bliebe und die alte, durch den Ort führende Straße die notwendige Entlastung erführe. Man wird sehen, ob die Einsicht oder die Kurzsicht den Sieg davonträgt.

Daß Leoben nicht mehr so sehr von den Abgasen der Donawitzer Stahlwerke heimgesucht wird, ist einerseits der unermüdlichen Klage der Leobener und der Naturschutzbehörde, anderseits aber der Einsicht der Alpinen Montangesellschaft zuzuschreiben, die rund 30 Millionen Schilling investiert hat, um die Abgase zu filtern und gleichzeitig aus ihnen wieder Rohmaterial zu gewinnen.

Der Österreichische Naturschutzbund hat am Neusiedler See einige kleine Schutzgebiete erworben. Damit ist dem Verfall dieser Landschaft wenigstens in diesen Gebieten Einhalt geboten. Das einstige Vogelparadies ist ja weithin durch das Befahren der Niststätten mit Autos zunichte gemacht worden. Es wurde meliorisiert und entwässert und dlamit das Steppenklima vergrößert, so daß jetzt auf weiten Flächen nur noch eine Maschinensteppe übriggeblieben ist, auf der nicht einmal mehr Steppengräser gedeihen und wo der Flugsand die Rebenkulturen erstickt. Schlimm ist die Verbauung der Seeufer, so daß gerade das, was die Erholungslandschaft ausmacht, immer mehr verlorengeht. Die Seenschutztagung in Gmun-den 1961 hat die natürliche Erholungslandschaft der österreichischen Seen untersucht und den dringenden Appell an die Landesregierungen gerichtet, die Seen vor weiterer Zerstörung zu schützen: vor Versieglung der Ufer, weiterem Verkauf von Grundstücken im Uferbereich und dadurch bedingter Absperrung, Benützungs- oder Sichtbeschränkung der Ufer; vor Verunreinigung durch Abwässer oder Treib-stoffrückstände; vor naturfremder Ufer-verbauung.

Außer den Bundesländern Steiermark und Vorarlberg, wo noch das Reichsnaturschutzgesetz aus dem Jahre 193 5 gilt, haben alle anderen Bundesländer nach 1945 neue, eigene Landesgesetze erlassen. Das Naturschutzgesetz schützt wild wachsende Pflanzen und frei lebende Tiere, die Landschaft als bildhafte Gesamterscheinung der Natur, Einzelschöpfungen der Natur mit ihrer Umgebung als Naturdenkmal und räumlich abgegrenzte Gebiete als Naturschutzgebiete. Außer dem Naturschutzgebiet, in dem jeder Handgriff des Menschen grundsätzlich untersagt ist, gibt es auch das Landschaftsschutzgebiet, in dem jeder Bauplan daraufhin begutachtet werden muß, ob er in die Landschaft und das biologische Landschaftsgefüge paßt. Der behördliche Naturschutz wird unterstützt vom vereinsmäßigen, dem Österreichischen Naturschutzbund mit seinen rund 41.000 Mitgliedern, dem Institut für Naturschutz und der Bewegung der Naturschutzjugend.

Die Aufgabe des modernen Naturschutzes gilt der Gesunderhaltung des menschlichen Lebensraumes. Er muß die Natur nicht nur vor, sondern für den Menschen schützen. Er umfaßt also Landschaftspflege und Raumordnung sowie Gestaltplaming. Gesetze genügen nicht. Mit Verbieten oder Verhindern allein ist es nicht getan. Technik und Wirtschaft müssen den Lebensgesetzen der Natur sich freiwillig unterordnen. Landschaftsarchitekt Alwin Seifert (München) fordert nicht Feindschaft gegen Technik und Wirtschaft, sondern, „es ist eine Bremse in die Technik einzubauen, die darüber entscheidet, ob sie bea ihrem Wirken in der Natur, in den Bereichen des Lebendigen, zum Heil des Menschen oder zu seinem Unglück wird“. Diese Bremse muß sich auch die Wirtschaft auferlegen, will sie nicht an ihrer Unersättlichkeit selber zugrunde gehen. Wir müssen heute einsehen, daß wir nicht unumschränkt Herrscher der Natur, sondern Diener des Lebendigen sind. Richard Neutra fordert: „Physiologische Einsicht muß den technischen Fortschritt der von uns geschaffenen Umwelt leiten und überwachen. Von ihr hängt unsere ganze Existenz ab.“ Gestaltplanen von Menschen, die von den Lebensvorgängen und -zusammenhängen der Natur wissen und sie achten, kann den „vagen Zufallscharakter der uns umgebenden Welt aufheben“. Und Fairneid O s b o r n sagt in seinem Werk „Unsere ausgeplünderte Erde“: „Es gibt nur eine Lösung: Der Mensch muß erkennen, daß er genötigt ist, mit der Natur zusammenzuarbeiten. Er muß seine Begierden zügeln und die natürlichen Schätze dieser unserer Erde in der Art nutzen und erhalten, die allein eine Gewähr für dde Fortdauer unserer Kultur bietet.“

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