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Requiem für unsere Brüder?

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Vor mehr als einem Jahrzehnt erregte das Buch,,Der stumme Frühling” großes A ufsehen. Inzwischen hat sich das Problem des Umweltschutzes noch erheblich verschärft. Die „Grünen” sind eine politische Kraft geworden, der,, World Wildlife Fund” ist ins Bewußtsein der Bevölkerung eingedrungen. Aber noch immer wird vielzu weniggetan. Die FURCHE versucht hier mit zwei Beiträgen aufzuzeigen, daß mit dem A ussterben einzelner Tierarten und der Zerstörung ihres Lebensraumes das gesamte ökologische Gleichgewicht und auch der Lebensraum des Menschen auf dem Spiel steht.

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Vor mehr als einem Jahrzehnt erregte das Buch,,Der stumme Frühling” großes A ufsehen. Inzwischen hat sich das Problem des Umweltschutzes noch erheblich verschärft. Die „Grünen” sind eine politische Kraft geworden, der,, World Wildlife Fund” ist ins Bewußtsein der Bevölkerung eingedrungen. Aber noch immer wird vielzu weniggetan. Die FURCHE versucht hier mit zwei Beiträgen aufzuzeigen, daß mit dem A ussterben einzelner Tierarten und der Zerstörung ihres Lebensraumes das gesamte ökologische Gleichgewicht und auch der Lebensraum des Menschen auf dem Spiel steht.

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Die Österreicher, tier- und naturliebend, wie sie nun einmal sind, sagen zwar begeistert „Ja zur Natur” und geizen auch nicht mit Geldspenden zur Erhaltung des burgenländischen Seewinkels als Naturreservat, trotzdem stehen bereits rund 30 heimische Säugetier-und mehr als 50.Vogelarten als von der Ausrottung bedroht auf den „Rotlisten” der Weltnaturschutzorganisation „World Wildlife Fund” (WWF). Müsser wir für unsere tierischen Brüder bald ein Requiem anstimmen?

Diese erschreckende Bilanz geht nicht nur auf die gnadenlose Bejagung von Raubzeug und Schädlingen zurück, sondern immer stärker auf die Schattenseiten eines falsch verstandenen Fortschrittglaubens.

Dort, wo der Mensch Auwälder ro-. det, Moore und Sumpfwiesen trockenlegt, Flüsse und Bäche begradigt und Felder ihrer schützenden Hecken beraubt, verlieren Österreichs Wildtiere, vor allem aber Singvögel, Zwergmäuse, Feldhasen, Wachteln und Rebhühner ihren Lebensraum und ihre Brutplätze. Wer denkt schon daran, daß mit dem Zuschütten von Tümpeln und Teichen Molche, Kröten, Unken und Frösche massenweise ausgerottet werden?

Die Gründlichkeit, mit der wir ernten, Schädlinge mit Chemikalien vergiften und glatte Zweckgebäude errichten dezimiert nicht nur Maulwürfe, Fledermäuse und andere Insektenfresser, wir verlieren damit wertvolle Nütz-linge, kostenlose Ungeziefervertilger, die bisher reihenweise unter Schadinsekten, Ratten und Hausmäusen „aufgeräumt” haben. Gerade diese oft als häßlich verschrieenen Tiere sind wichtige Bioindikatoren, Anzeiger dafür, ob ein Lebensraum ökologisch in Ordnung ist. Fehlen sie, so wird die Sache auch für uns Menschen gesundheitlich bedenklich. Selbst die verachtetsten „Unkräuter” am Feldrand, denen wir seit Jahren mit Chemikalien den Garaus machten, erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Regler biologischer Kreisläufe im Ackerboden.

Neugier und Unverstand so mancher Ausflügler und Touristen tun noch ein übriges, um den Wildtier- und Pflanzenbestand weiter zu reduzieren. Lärm und Mistablagerung in freier Natur aber auch der oft sinnlose Ehrgeiz mancher Amateurfotografen, die unbedingt Vogelbruten auf Zelluloid bannen müssen, helfen kräftig mit, den Frühling kommender Jahre noch „stummer” zu machen.

Um diesem Raubbau Einhalt zu gebieten, arbeiten der World Wildlife Fund und die Naturschutzverbände Österreichs seit Jahren daran, spezielle Lebensräume als „ökozellen” zu erhalten. Die Rettung von Feuchträumen, Auwäldern, Mooren und Teichen, genießen dabei jetzt eindeutig, Vorrang.

Gerade diese Gebiete sind es nämlich, die das kostbare Wasser auffangen, in komplizierten chemischen und physikalischen Vorgängen im Boden reinigen und damit den „Nachschub” an Trinkwasser garantieren.

Österreich verfügt zwar schon jetzt über insgesamt 2316 Hektar Naturreservate (Seewinkel im Burgenland, die Hundsheimer Berge und die Marchauen in Niederösterreich, das Pürg-schachener Moor bei Admont in der Steiermark), in den nächsten Jahren will der WWF aber noch einige weitere ökozellen schaffen:

• das Hundsfeld in den Radstädter Tauern, einziges Brutgebiet des rotster-nigen Blaukehlchens in Mitteleuropa.

• das Rheindelta am Bodensee, als Rast- und Brutgebiet zahlreicher Reiher-, Watvogel- und Entenarten,

• die Hollerau, eine ursprüngliche Aulandschaft in Oberösterreich, wo Schnepfen, Strandläufer und Kiebitze brüten,

• die Schwemm in Tirol, ein Moorgebiet mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzengesellschaft sowie

• das 90 Hektar große Vogelschutzgebiet Sablatnigteich in Kärnten.

Bisher wurden durch den World Wildlife Fund in Österreich fast 20 Millionen Schilling in Naturschutzprojekte investiert, um der sinnlosen Vernichtung unserer erhaltenswerten Landschaft entgegenzuwirken.

Um aber auf Dauer den Bestand gefährdeter Tier- und Pflanzenarten in ihren natürlichen Biotopen zu sichern, genügt es nicht, immer wieder mit Geldspenden Pachtverträge für solche Reservate zu bezahlen. Unsere Biosphäre, jene dünne Schichte der Erde, die das Leben, also auch unser Leben, erhält, muß nicht nur als Quelle von sauberer Luft und reinem Wasser erhalten werden, sondern auch als „Nachschubbasis” für künftige ertragreiche Nutzpflanzen und Haustiersorten. Die Sicherung der genetischen Vielfalt wird immer dringlicher, denn die aus wenigen Wildformen gezüchteten Nutzformen brauchen dringend „Nachschub” bzw. Blutauffrischung, wenn wir nicht nur mit chemischen Produkten Schädlinge und Krankheiten eindämmen und unsere Ernährung vollwertig und gesund erhalten wollen.

Diese dauerhafte, aber sinnvolle Nutzung von Arten und Ökosystemen wäre tatsächlich die einzige Möglichkeit auch die Schönheit und Anmut der Tier- und Pflanzenwelt unseren Enkeln zu sichern.

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