7107364-1995_37_08.jpg
Digital In Arbeit

Ziesel zwischen Weinreben

Werbung
Werbung
Werbung

Der Raum Krems liegt im Übergangsbereich zweier sehr unterschiedlicher Landschaften: zum einen die östlich gelegene Ebene des Tullner Feldes mit ihrem trockenen pannonischen Klima, zum anderen das hügelige Waldviertel im Nordwesten mit regnerischen Sommern und schneereichen Wintern. Dieser Schnittpunktlage verdankt Krems seine große Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. Viele der in diesem Raum vorkommenden Lebensformen stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.

Besonders auffällig ist die Vogelwelt. Als österreichweit einmalig gilt der dichte Bestand an Heidelerchen, die vom Aussterben bedroht sind und nur noch inselartige Vorkommen aufweisen. Die Zippammer, eine mediterrane Singvogelart, besitzt hier eine Enklave. Bemerkenswert ist auch das Auftreten des Steinkauzes, der erst vor drei Jahren in diesem Gebiet entdeckt wurde und - was völlig ungewöhnlich ist - in Lößsteilwänden seine Brutplätze anlegt. Weitere, selten gewordene Arten wie Eisvogel, Rotmilan, Wiedehopf oder Bienenfresser können hier beobachtet werden.

Aber auch die Insektenwelt zeigt Besonderheiten: die Gottesanbeterin, die Italienische Schönschrecke (eine seltene Heuschreckenart) oder, als bemerkenswerte Rarität, den Schmetterlingshaft, ein räuberisch lebendes In-sektmitschmetterlingsartigen, bunten Flügeln. Seit kurzem liegen diese Erkenntnisse als Ergebnis der dreijährigen „Biotopkartierung Krems”, ein Beitrag zur 1 .OOO-Jahr-Feier der Stadt, vor. Sie erfaßte im gesamten Magistratsgebiet (52 Quadratkilometer) verschiedene Lebensräume und deren tierische und pflanzliche Bewohner. Insgesamt wurden etwa 6.000 Biotope analysiert. Für die Zukunft plant die Forschergruppe, Veränderungen laufend zu überwachen.

Da die für Krems charakteristischen Trockenrasen in hohem Maße gefährdet sind, wurden sie besonders gründlich kartiert und umfangreiche Artenlisten erstellt. Am Schiffberg beispielsweise existiert ein lokales Vorkommen des sehr seltenen Rosmarin-Seidelbastes; und am Braunsdorfer wachsen anderswo rar gewordene Orchideen wie die Adriatische Riemenzunge oder das Kleine Knabenkraut. Ebenso können bis zu zwei Meter hohe Eselsdistelfluren angetroffen werden. „Vor allem für wärmeliebende, mediterrane Arten hat Krems eine hohe lokale Bedeutung”, hebt Wenger hervor.

Einer besonders gründlichen Bestandsaufnahme unterzog man auch die Weingärten, deren Mauern, Hecken und Raine einer Vielzahl von Tierarten Lebensraum bieten.

Die Frage, ob der 1680 zum ersten Mal erwähnte und nur an einer einzigen Stelle auf einer Steinmauer anzutreffende Karpaten-Skorpion tatsächlich zur ursprünglichen Fauna gehört oder erst durch Menschen eingeschleppt wurde, können auch Wissenschaftler nicht beantworten. Der Stich dieses Spinnentieres stellt jedenfalls keine Gefahr dar, da er nicht stärker wirkt als der einer Wespe.

Erfreulich ist auch, daß die Zieselbestände wieder erstarkt sind. Dieses ebenfalls auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehende Erdhörnchen, das vor allem die Ungarische Tiefebene bewohnt, konnte lange Zeit im Raum Krems im gesamten Lößbereich häufig angetroffen werden (bis in die späten sechziger Jahre zahlten die Gemeinden sogar sogenannte „Schworferl-Prämien” für deren Erlegung). Dann aber war es durch Hochwasser und wohl auch durch den Pe-stizideinsatz in den Weinbergen zu einem starken Rückgang gekommen.

Auch Feuchtbiotope wurden untersucht Am Kremsfluß stellte man Vorkommen der Würfelnatter fest, einer auf schnellfließende, strukturreiche und unverbaute Gewässer angewiesenen Schlange. Die Laichgewässer von Amphibien wurden ebenso analysiert wie Krötenwanderungen und Laubfroschpopulationen.

Aus den Ergebnissen der Biotopkartierung zieht Andreas Wenger, der diese Arbeit geleitet hat, ein positives Resümee: „Krems ist ein Beispiel für eine reich strukturierte Landschaft. Der ökologische Wert dieser Landschaft besteht in der großen Zahl von Randstrukturen, die einer großen Zahl von Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten.” Dabei weist er auf den glücklichen Umstand hin, daß die Steilheit des Geländes ein großflächiges Terras-sieren unmöglich macht, sodaß die

Kleinräumigkeit und damit die Reichhaltigkeit erhalten bleiben konnte.

Ein Ziel dieser Studie sei es, die Sensibilität der Bevölkerung für Krems als Naturstadt zu fördern. Gemeindeeigene Flächen von ökologischer Bedeutung sollten vermehrt einen Schutzstatus, zum Beispiel als Naturdenkmal, erlangen. Strengere Auflagen für Weinbauern seien zu erteilen.

Weniger Düngung und Gifteinsatz

Die Tendenz, schmale Weinterrassen zu größeren zusammenzulegen, müsse gebremst und ein koordiniertes Vorgehen mit Straßen- und Wasserbau angestrebt werden. Und nicht zuletzt müsse der hohe Dünge- und Spritzmitteleintrag zurückgedrängt werden, da sich anderenfalls die Ruderal-flora (Unkraut) auf Kosten der ökologisch wertvolleren, selteneren Trockenrasengesellschaft weiter ausbreiten würde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung