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Ozonkaren im All sind gefährlich

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Mit Technik und Chemie das Ozonloch vom All aus zu kurieren, klingt einfach und machbar. Kritiker warnen vor diesem unkalkulierbaren Eingriff.

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Mit Technik und Chemie das Ozonloch vom All aus zu kurieren, klingt einfach und machbar. Kritiker warnen vor diesem unkalkulierbaren Eingriff.

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dieFurche: Deutsche Wissenschaftler halten es für machbar, mittels solar betriebener Laser-Satelliten das „Ozonloch ” vom AU aus zu stopfen (siehe Seite 16). Was halten Sie davon? Siegfried J. Bauer: Diese Idee ist prinzipiell verwirklichbar. Das Unterfangen ist allerdings technologisch und finanziell extrem aufwendig, einmal abgesehen davon, ob es tatsächlich funktionieren würde. Es wird zwar groß von Satelliteneinsätzen geredet, aber die Realität sieht anders aus. Ich denke da nur an die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA. Die hat schon Schwierigkeiten, jene Satelliten zu finanzieren, die die Beobachtung der Veränderung der Ozonschicht machen sollen. Nicht einmal in Amerika würde man daran denken, so viel Geld für so etwas auszugeben. Deutschland hat noch viel größere finanzielle Probleme.

diefurche: Es gibt auch Pläne, Chemikalien in die Stratosphäre zu sprühen, um den „Ozonkiller” Chlor zu binden.

bauer: Da klingt einfach, ist es aber nicht. Der heikle Punkt ist die ausreichende Menge von Chemiekalien. Die Atmosphäre kennt nämlich keine genau definierten Grenzen, und das Ozonloch ist auch kein wirkliches Loch, in das man Bindemittel einfach nur hineinzuschütten braucht. Die Strömungen in der Stratosphäre würden die chemischen Mittel verdünnen und verteilen. So ein Einsatz ist also völlig unkalkulierbar. Für mich ist außerdem fraglich, ob die Kur nicht überhaupt schlimmer ist als die Krankheit. Mich stört immer an solchen Ideen, daß man meint, etwas „korrigieren” zu müssen, statt die Ursachen zu beseitigen. Das einfachste im Fall des Ozonlochs ist die Reduktion der Fluorkohlenwasserstoffe (FCK Ws). Das wurde ja bereits erfolgreich durchgeführt. Jene Produkte, die diese schädlichen Stoffe produzieren, also Kühlmittel für Kühlschränke, Klimaanlagen, Deo-Sprays und ähnliches, wurden bereits verboten.

DIEFurchf;: Reicht das? Durch ihre Langlebigkeit werden die FCKWs von gestern doch erst morgen schlagend? bauer: Hätten wir mit der Produktion so weitergemacht wie bisher, dann hätte es vielleicht eine Katastrophe gegeben. Die Eindämmung war der erste, wesentliche Schritt. Somit besteht die berechtigte Hoffnung, daß das Ozonloch auch wiederum kleiner beziehungsweise die Ozonschicht nicht so ausgedünnt wird.

dieFurche: Wie groß kann das Ozonloch noch werden3 Und wo? bauer: Das ist schwer zu sagen. Schätzungen zufolge entspricht das Ozon-loch über der Antarktis einer Oberfläche von etwa 24 Millionen Quadratkilometern. Es entsteht aber nur für vier bis sechs Wochen im Oktober. Der Grund dafür liegt in einem Zusammenwirken von Meteorologie und Chemie. Über dem Südpol ist der polare Wirbel, der das Ozon wie in einem Gefäß gefangen hält, stabiler. Auch die Stratosphären-Temperaturen sind niedriger als auf der Nord-halbugel. Daher ist glücklicherweise das Ozonloch über der Nordhalbkugel weniger ausgeprägt.

dieFurche: Es heißt oft das Ozonloch verursache Hautkrebs. bauer: Das ist nicht ganz richtig. Das Loch selbst hat nicht zu den Zuwächsen des Hautkrebses geführt. Da bin ich ganz sicher. Es liegt vielmehr am geänderten Freizeitverhalten der Menschen. Der Durchschnittsösterreicher kann sich sogar schon einen Urlaub in der Karibik leisten. Wer sich jedes Jahr einen Sonnenbrand holt, muß wohl irgendwann mit einer kumulierten Wirkung rechnen.

dieFurche: Besonders aus Australien kommen Meldungen über die Zunahme von Hautkrebs. Gerade dort soll das Ozonloch doch besonders groß sein bauer: Zuwachsraten an Hautkrebserkrankungen in Australien gibt es nicht erst seit heute. Australien war ein klassisches Einwandererland. Die Menschen kamen aus mittleren und hohen Breiten und sind jetzt plötzlich viel mehr einer intensiven Sonnenbestrahlung ausgesetzt. Ihr Körper hat noch nicht den entsprechenden Repa-raturmechanismus.In ein paar Generationen ändert sich das wahrscheinlich. Die Daten zeigen außerdem, daß Australien vom Ozonloch selbst gar nicht beeinflußt ist. Auch die Ozonwerte sind dort gar nicht so abnormal. Eines stimmt natürlich schon: Wenn die Ozonschicht langfristig dünner wird, kommt es im allgemeinen zu einer stärkere UV-Belastung. Sollte sie um mehr als 20 Prozent abnehmen, könnte das ein Problem werden.

dieFurche: Viele empfinden die Sonnenstrahlen als härter und greller als früher. Hat sich die Sonne verändert3 bauer: Sie hat sich nicht geändert. Das wissen wir ganz sicher durch Satellitendaten, die die Solarkonstante messen. Aber es gibt tatsächlich Hinweise, daß es auch bei uns in mittleren Breiten im Durchschnitt eine stärkere UV-Belastung gibt. Die Messungen sind kompliziert, eindeutige Aussagen sind daher noch nicht möglich.

dieFurche: Lassen sich eindeutige Aussagen machen, warum das Wetter

Siegfried J. Bauer:

Wenn die Tempolimits zur Reduktion der Ozonbelastung nicht für alle gelten, dann kann man sie getrost vergessen.

in den letzten Jahren verrückt spielt3 bauer: In meiner Kindheit hatten wir zu Weihnachten immer Schnee, und der Sommer war ein Sommer. Das ist heute anders. Man darf nun eines nicht vergessen: Klimaschwankungen würde es auch ohne menschliche Aktivität immer wieder geben. Teilweise erleben wir das jetzt. Das Problem ist nur, daß menschliche Aktivitäten das Kurzzeitverhalten stören. Die mittlere globale Temperatur hat in den letzten 100, 150 Jahren um etwa ein halbes Grad zugenommen. Das ist in erster Linie auf die Treibhausgase zurückzuführen. Die meisten Fachleute stimmen da vollkommen überein. Wenn wir so weitermachen wie bisher, kann im Jahr 2020 oder 2030 die Temperatur um 2,5 oder drei Grad höher sein. Das würde eine signifikante Änderung des Weltklimas bedeuten. Es werden nicht die Eisberge abschmelzen, dazu reicht es nicht. Aber die Meeresspiegel werden sich ändern, vielleicht gibt es auch andere Klimazonen.

dieFurche: Droht die Katastrophe? bauer: Ich würde nicht Katastrophe sagen. Ozonloch und Treibhauseffekt sind wie Fieberblasen, die zeigen, daß etwas nicht stimmt. Das Gute ist, daß man sich heute im Gegensatz zu früher wenigstens Gedanken macht.

DIEFURCHE: Kommen wir zum Problem des bodennahen Ozons. Sind alle Menschen gleichermaßen empfindlich gegenüber Belastungen? bauer: Nicht jeder Mensch reagiert gleichermaßen empfindlich auf höh-re Ozonbelastungen. Hohe Werte würden sicherlich jeden Menschen betreffen. Aber die sind bis jetzt in Österreich glücklicherweise noch nie erreicht worden.

Die Gefährlichkeit der Ozonbelastung wird manchmal nicht richtig dargestellt. Es wird oft so getan, als ob bei erhöhten Ozonwerten - und ich meine nicht die gefährlichen - die Kinder drinnen bleiben müssen. In Wirklichkeit ist es viel schädlicher, wenn sie in einem geschlossenen Raum bleiben und die Eltern rauchen Bodennahes Ozon ist ein Problem, genauso wie das Ozon in der Stratosphäre. Aber es werden zu leicht Katastrophenszenarien gezeichnet.

DIEFURCHE: Wie sinnvoll sind autofreie Tage und Tempolimits gegen Ozon3 Bauer: Wenn Tempolimits nicht für alle gelten, kann man sie getrost vergessen. Es ist ja schon nicht möglich, die gesetzlich vorgeschriebenen Limits in den Griff zu bekommen. In großen Ballungszentren müßte man einen generellen autofreien Tag in riesengroßen Gebieten einführen, dann würde das vielleicht etwas nutzen. Ein lokales Verbot bringt nichts, denn entsprechende Lufströmungen bringen das Ozon auch schnell dorthin, wo es gar keine Emittenten gibt.

Wirklich helfen gegen die Ozonbelastung würde nur eine drastische Reduktion des Gesamtverkehrs.

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