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Die Grundstückpreise steigen

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Die Wohnungsnot ist also wohl noch nicht beseitigt, und der Wohnungsbau bedarf jeglicher Förderung und Anregung. Wie weit soll nun aber, wie weit kann überhaupt die von den staatlichen Behörden in eigener Regie oder die mit Steuermitteln unterstützte Neubautätigkeit privater Bauherren gehen? Denn schon eine kurze Überlegung läßt mehrere, in Betracht zu ziehende Grenzen erkennen. Einmal können der Bund, die Länder und die Gemeinden bekanntlich immer weniger Budgetmittel zur Förderung des Wohnbaues abzweigen. Eine Steigerung der Bautätigkeit kann auch nicht über die Kapazität des Baugewerbes hinaus erfolgen. Überdies wirken erhöhte Aufträge als Preisauftrieb, wodurch trotz vermehrt zur Verfügung gestellten Geldes unter Umständen die Zahl der damit finanzierten Projekte sinkt. Hiezu kommt das Ansteigen der Grundstückpreise.

Die schon erwähnten Begrenzungen der Budgetmittel zur Wohnbauförderung, ein Umstand, der derzeit wegen Vollbeschäftigung der Sauwirtschaft verstärkt wird, haben schon seit langem immer wieder zu Überlegungen geführt, ob der Bedarf an Wohnraum nicht durch eine Umverteilung erheblich verringert werden könnte. Zwei Konzepte stehen hiebei einander gegenüber und zwar die Wohnraumlenkung durch staatliche Wohnungsämter, um die es allerdings in letzter Zeit schon etwas still geworden ist, und die teilweise Auflockerung des Mieterschutzes durch Freigabe der Mietzinse, um gehortete Wohnungen dem Markte zuzuführen. Der Erfolg beider Wege hängt von der Anzahl der tatsächlich leerstehenden und schlecht genutzten Wohnungen ab, weshalb zu dieser Frage einige zahlenmäßige Erwägungen angestellt werden müssen.

Nach dem Ergebnis der Volkszäb-lung von 1961 gibt es in Österreich 65.895 Wohnungen, in denen mehr als ein Haushalt untergebracht ist. Die Gesamtzahl dieser Haushalte beträgt 158.725. Wollte man also diese Doppelhaushalte in getrennten Wohnungen führen, würde man dafür zusätzlich 92.895 Wohnungen benötigen. Zählt man hierzu die Zahl der Haushalte, die in Not- oder Behelfsunterkünften untergebracht sind, käme man insgesamt auf die Zahl von 160.548 wohnungsbedürftiger Haushalte, eine Zahl, der selbstverständlich eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit anhaftet. Einerseits wird die Auflösung vieler Doppelhaushalte gar nicht angestrebt werden. Anderseits sind in dieser Zahl die Haushalte, die in einer unzulänglichen Wohnung leben, ebensowenig erfaßt, wie der jährlich steigende Zuwachs an neuen Haushalten durch die Familiengründung der geburtsstarken Jahrgänge. Unter Abwägung dieser zusätzlich zu beachtenden Momente wird man aber wohl einen Wohnungsbedarf von etwa 100.000 Wohnungen im gesamten Bundesgebiet für die nahe Zukunft als nicht zu hoch gegriffen bezeichnen dürfen.

Verblüifenderweise ist nun auch die Zahl der leerstehenden Wohnungen in ganz Österreich ebenfalls etwa 100.000, das ist ein Einundzwanzigstel des gesamten österreichischen Wohnungsbestandes. Die schon erwähnte Untersuchung von DDDr. Klose zeigt jedoch, daß es sich hier um keine echte Wohnraumreserve handelt, weil in dieser Zahl auch noch nicht bezogene Neubauwohnungen, die nur bedingt benutzbaren Altwohnungen, die zeitweilig leerstehenden Landarbeiterwohnungen, die Sommerwohnungen der Städter sowie jene Wohnungen in den Grenzbezirken des Bundesgebietes enthalten sind, nach denen keine Nachfrage mehr besteht.

Wenden wir uns nun der Zahl der nur ungenügend genutzten Wohnungen zu, die durch eine entsprechende Mietzinserhöhung dem Markt zugeführt werden würden. Für den Durchschnitt muß wohl angenommen werden, daß eine Wohnung bis zu drei Zimmern vom jeweiligen Mieter auch unter finanziellen Opfern gehalten wird. Wohnungen mit vier und mehr Zimmern gibt es in Österreich nur 426.714. Selbst wenn man annimmt, daß ein Drittel dieser Wohnungen von den immer wieder zitierten Hofratswitwen bewohnt werden, die alle Zimmer untervermietet haben und in der Küche schlafen, käme man erst auf die Zahl von 140.000 Wohnungen, die- aber nur -unter der Voraussetzung zur Verfügung stünden, daß die Mieter dieser Wohnungen in 140.000 kleinere Wohnungen ausweichen könnten. Noch ungünstiger ist eine nach Bundesländern aufgegliederte Schätzung. In Wien gibt es etwa nur 10.000 ungenügend genützte Wohnungen. In der Praxis würden also wahrscheinlich bloß mehr Mieter von Großwohnungen sich zur Untervermietung entschließen, wodurch die Untermietzinse, was sicherlich auch erfreulich wäre, sinken würden. Jedenfalls zeigt die Sprache der Zahlen, daß mit einer wesentlichen Entlastung des Wohnungsmarktes durch eine Mietzinssteigerung nicht gerechnet werden kann.

Ob der Mieterschutz in der Ersten Republik die Neubautätigkeit behindert hat, weil die Geldgeber — wie die spätere Entwicklung zeigte, mit Recht — befürchteten, daß ein bestehender Mietzinsstop über kurz oder lang doch wieder auf alle Objekte ausgedehnt werden würde; ob ein in den Zwischenkriegs jähren erfolgter Abbau des Mieterschutzes nicht zu einer regen Bautätigkeit geführt hätte, wodurch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise hätten weitgehend gemildert und auf diese Weise die politische Entwicklung dieser Jahre einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können; ob ein rechtzeitiges Anheben der Mietzinse mit den Lebenshaltungskosten und den Lohnerhöhungen nach dem zweiten Weltkrieg eine derartige Kapitalausstattung der Hauseigentümer zur Folge hätte haben können, daß die auf Grund dieser Mittel erteilten Aufträge an die Bauwirtschaft die aktive Konjunkturpolitik des Staates hätte entbehrlich machen können; das alles ist zwar als Hinweis auf die Bedeutung, welche die jeweilige Gestaltung der Wohnungswirtschaft für das Staatsganze haben kann, sehr bedeutsam. Um die angedeuteten günstigen Auswirkungen für die Gegenwart und für die Zukunft zu erreichen, müßten allerdings im Hinblick auf die gestiegenen Baukosten die Mietzinse sehr wesentlich angezogen werden, wobei es sich bekanntlich um eine politisch sehr umkämpfte Maßnahme handelt, abgesehen davon, daß heute die Rentabilität von Wohnhäusern, die nur mit privaten Geldern “gebaut werden, weitaus geringer geworden ist.

Ausgehend von dieser Sachlage könnte den Ausführungen des Wiener Vizebürgermeisters Slavik in einer kürzlich erschienenen Broschüre gefolgt werden, in der dargetan wird, daß der mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnungsbau noch mehr als bisher durch Steuerpolitik und Subventionierung unterstützt werden müsse; eine Erhöhung der Mietzinse trüge zur Wohnraumbeschaffung nichts bei, könnte jedoch, meint Slavik, bei den nach 1915 errichteten Objekten unter dem Titel einer gerechten Bewertung erörtert werden.

Die öffentliche Hand muß weder die Kosten für die Erbauung noch die Aufwendung für die Erhaltung des Hauses aus dem Objekt selbst finanzieren. Aus dem Titel der Wohnungsfürsorge und der Vermögenserhaltung können vielmehr Budgetmittel zur Bedeckung derartiger Ausgaben herangezogen werden. Dieser Weg steht dem privaten Hauseigentümer nicht zur Verfügung, der alle Kosten des Hauses aus dessen Erträgnissen finanzieren muß. Auch ein Kredit muß schließlich einmal aus den Einnahmen des Hauses zurückgezahlt werden, und wenn das nicht möglich ist, kommt es zur Zwangsversteigerung. Man müßte also, so mag es scheinen, um diesem Unterschied gerecht zu werden, auch dem privaten Hausbesitz Steuermittel zur Erhaltung der Häuser zukommen lassen, allenfalls aber die Mietzinsverwaltung der Privathäuser durch die Errichtung eines zentralen Reparaturausgleichsfonds ergänzen.

Unbestrittenermaßen können außerordentliche Notlagen der Volkswirtschaft auch solche Maßnahmen rechtfertigen, die sich über die Grundsätze der Privatrechtsordnung zeitweilig hinwegsetzen. Bevor jedoch Maßnahmen wie die eben erwähnten durchgeführt werden, muß überlegt werden, ob der beabsichtigte Zweck nicht auf einem anderen Weg ebensogut erreicht werden könnte.

Die Erhaltung des Althausbesitzes, um die Wohnungsnot in den derzeitigen Grenzen zu halten, wird immer fehlgehen, wenn sie sich nicht klar ist, daß für in der Zukunft liegende, aber mit Sicherheit eintretende, der Höhe nach einigermaßen abschätzbare Aufwände grundsätzlich bereits in der Gegenwart vorgesorgt werden und nicht die übernächste Zukunft mit den voraussichtlichen Erträgnissen der nächsten Zukunft zu belasten ist. Das ist nämlich die Vorgangsweise eines Bankrotteurs. Von diesem Gesichtspunkt aus, ist die derzeitige Konstruktion des Mietengesetzes und des Zinsstopgesetzes für die Bedeckung von Reparaturkosten grundsätzlich verfehlt, weil die Mietzinse erst für die Zukunft erhöht werden, um bereits entstandene Kosten zu bezahlen.

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