Integration durch Leistung

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Die Gründung des Staatssekretariats für Integration im April 2011 war ein wichtiger und notwendiger Schritt für die österreichische Integrationspolitik. Mit dem neuen Zugang "Integration durch Leistung“ stehen der Mensch und seine Leistungen für das Gemeinwohl in Österreich im Mittelpunkt der Integrationsmaßnahmen - und nicht seine Herkunft, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit.

Leistung fördert Integration. Das erfolgt aber nicht eindimensional - das Staatssekretariat fordert einen Dreiklang des Begriffs: Leistung einfordern, Leistung anerkennen und Leistung möglich machen.

Eine Versachlichung der Debatte konnte durch die strikte Trennung der Bereiche Zuwanderung, Asyl und Integration erreicht werden. Der Großteil der Zuwanderer kann Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen, die unserem Land dienlich und die auch dringend erforderlich sind. Das setzt allerdings faire Ausgangschancen voraus. Österreich braucht Integrations-Visionen und die führen hin zu Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Gesellschaft. Das lässt auf ein erfolgreiches Miteinander hoffen.

Integration ist eine Querschnittsmaterie. Der "Nationale Aktionsplan Integration“ (NAP.I) enthält folgende sieben Handlungsfelder: Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Rechtsstaat und Werte, Gesundheit und Soziales, Interkultureller Dialog, Sport und Freizeit sowie Wohnen und die regionale Dimension der Integration. In diesen Bereichen arbeiten unterschiedliche Player auf verschiedenen Ebenen zusammen.

Das Staatssekretariat für Integration hat in kurzer Zeit geschafft, was lange verabsäumt wurde. Mit einem relativ kleinen Budget wurden Projekte initiiert bzw. gefördert, die unter anderem der Sprachförderung und Bildung dienen.

Sprache als zentrales Integrationselement

Das Erlernen der deutschen Sprache ist von besonderer Bedeutung für eine erfolgreiche Integration und es sollte früh damit begonnen werden. Jedes vierte Kind, das in einer Betreuungseinrichtung untergebracht ist, hat Deutsch nicht als Muttersprache.

Lernen die Kinder nicht die deutsche Sprache, sind eine erfolgreiche Integration und ein erfolgreicher Weg im späteren Leben kaum möglich. Daher forcierte das Staatssekretariat auf mehreren Ebenen Maßnahmen für eine bessere Integration von Zuwandererkindern in das Schul- und Bildungssystem. Die Sprache stellt in jeder Beziehung eine Brücke dar, sowohl unter den aus unterschiedlichen Ländern Zugewanderten als auch zur hiesigen Bevölkerung. Die Grundbedingung für die erfolgreiche Integration ist die rechtzeitige Förderung der Kinder zum Erlernen der Sprache.

Die Bundesregierung hatte die sprachliche Frühförderung im Kindergarten im Jahr 2011 auslaufen lassen. Auf Initiative des Staatssekretariats wurde diese Entscheidung revidiert. Ende Jänner 2012 konnte das Staatssekretariat die 15a-B-VG-Vereinbarung über die sprachliche Förderung in Kinderbetreuungseinrichtungen im Ministerrat durchsetzen und mit allen neun Bundesländern beschließen. Bis 2014 stehen für diese Sprachförderung 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Zweites Kindergartenjahr

Die Ergebnisse der OECD-Studie PISA zeigen, dass familiäre Faktoren wie insbesondere die Bildung der Eltern einen "relativ hohen Einfluss“ auf die Leistungen und Bildungsabschlüsse von Schülerinnen und Schülern haben. Die erwarteten Integrations- und Sozialisationseffekte scheinen hier auszubleiben. In den Endberichten der PISA- und PIRLS-Studien wird darauf hingewiesen, dass der Besuch einer vorschulischen Einrichtung, beispielsweise eines Kindergartens, insbesondere bei Kindern mit anderen Muttersprachen einen bedeutenden ausgleichenden Effekt hat. Diejenigen Kinder, die eine vorschulische Bildungseinrichtung länger als ein Jahr besucht haben, haben deutlich bessere Leseleistungen, als jene, die keine solche Institution besucht haben.

Eine wesentliche Forderung des Staatssekretariats ist das zweite Kindergartenjahr. Dieses soll gratis für alle sein, verpflichtend jedoch nur für jene, die über keine oder nur wenig Deutschkenntnisse verfügen. In der Praxis betrifft dies mehrheitlich Zuwanderer- kinder, die sehr oft aus Familien mit nicht deutscher Muttersprache kommen und keine Möglichkeit haben, allein die Sprache zu erlernen.

Manche Eltern schicken ihre schulpflichtigen Kinder nicht in die Schule; die Zahl der Schulpflichtverletzungen ist dramatisch angestiegen, vor allem in Wien. Jedes Jahr verlassen 8.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Migrantenkinder sind dabei viermal so oft betroffen wie Kinder ohne Migrationshintergrund. Eine schwer wiegende Folge ist die Arbeitslosigkeit.

Bisher wurde kaum etwas unternommen, wenn schulpflichtige Kinder die Schule geschwänzt haben. Verstöße gegen die Schulpflicht stellen eine Verwaltungsübertretung dar und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro oder mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Die Strafhöhe ist viel zu gering.

In der Problematik der Schulpflichtverletzungen konnte mit der Koalition eine Einigung auf ein Fünf-Punkte-Maßnahmenbündel erzielt werden: Motivforschung, statistische Erhebung, verpflichtende Elterngespräche, Erhöhung der Mindeststrafe sowie Sensibilisierung der Behörden.

Die Forderung des Expertenrats, Schulabbrechern das Nachholen von Abschlüssen zu erleichtern, wurde nun umgesetzt. Eine entsprechende 15a-B-VG-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses wurde Ende 2011 beschlossen.

Seit 1. Jänner ist das Nachholen von Schulabschlüssen kostenlos; Hier investieren Bund und Länder rund 50 Millionen Euro.

Projektförderungen

Im eigenen Wirkungs- und Verantwortungsbereich fördert der Staatssekretär nunmehr Projekte, deren Schwerpunkte sich in fünf Hauptbereiche einordnen lassen: Deutsch, Arbeitsmarkt, Kinder und Jugendliche, Frauen und Gemeinden. Allen fünf Integrationsschwerpunkten ist eine zentrale Botschaft gemein: Integration durch Leistung! Seit Jahresanfang stehen zwei Millionen Euro vorwiegend für Lernförderungsprojekte und als Leistungsstipendien zur Verfügung.

Österreichs Lerncafés

Nicht alle Kinder können die Schule ohne Hilfe bewältigen. Und vielen Eltern ist es kaum möglich, ihre Kinder dabei zu unterstützen. Kein Geld für Nachhilfestunden, ein niedriges Bildungsniveau der Eltern, mangelnde Deutschkenntnisse oder zu beengte Wohnverhältnisse sind einige der Gründe, die es Schülerinnen und Schülern unmöglich machen, den gewünschten Lernerfolg zu erreichen. In den Lerncafés erhalten Kinder und Jugendliche, vor allem mit Migrationshintergrund, Unterstützung beim Lernen durch haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die bewährten Caritas-Lerncafés wurden flächendeckend in ganz Österreich ausgebaut; durch Mittel des Staatssekretariats stehen Lerncafés in Amstetten, Wolfsberg, Graz, Wien, Eisenstadt, Wels, Salzburg, Imst, Dornbirn und St. Pölten zur Verfügung.

Ausbau des Projekts "HIPPY“

Des Weiteren wird das Hausbesuchsprogramm "HIPPY“ österreichweit ausgebaut. Dafür stehen 300.000 Euro zur Verfügung. Dieses niederschwellige Bildungsprogramm für sozial- und bildungsbenachteiligte Familien - speziell mit Migrationshintergrund - mit Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren hat sich besonders bewährt.

Eine Hausbesucherin, die aus dem gleichen Kulturkreis kommt wie die jeweilige Familie, besucht die am Programm teilnehmende Mutter einmal pro Woche und übt mit ihr den Umgang mit den "HIPPY“-Spiel- und Lernmaterialien.

Die Aufgabe der Mutter besteht darin, selbstständig mit ihrem Kind täglich etwa 20 Minuten die Übungen zu erledigen. Dadurch merken die Mütter, dass sie in der Lage sind, ihre Kinder selbst zu fördern.

Wirtschaftsstandort gemeinsam stärken

Innovation ist wichtiger denn je - und insbesondere junge Migrantinnen und Migranten bringen innovative Geschäftsmodelle, neue Perspektiven und frische Ansätze für altbewährte Zugänge. Viele haben erfolgreich den Weg in die Selbstständigkeit gefunden, viele sind als Facharbeiter eine Stütze für die österreichische Exportwirtschaft. Außerdem trägt die Eingliederung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsprozess wesentlich dazu bei, dass sich Migrantinnen und Migranten besser integriert fühlen. Auch international agierende Unternehmen benötigen fachlich gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in verschiedenen Kulturen und Sprachenwelten bewegen können. Insgesamt profitieren daher sowohl Unternehmen als auch die Gesellschaft als Ganzes. Wir können es uns nicht leisten, auf das Potenzial junger Menschen mit Migrationshintergrund zu verzichten.

Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben in ihren Herkunftsländern akademische Abschlüsse und Qualifikationen erworben; sie finden in der Privatwirtschaft aber keine adäquate Stelle, weil die Unternehmen ihre Qualifikation nicht einschätzen können bzw. sie werden in reglementierten Berufen nicht tätig, weil sie die dafür notwendige Nostrifizierung nicht machen. Mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung konnte ein Fünf-Punkte-Programm zur verbesserten Berufsanerkennung von Akademikerinnen und Akademikern aus Drittstaaten erzielt werden - akademische Titel werden einfacher und rascher anerkannt. Das entsprechende Gesetz wurde am 19. April 2012 vom Nationalrat beschlossen.

Mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wurde ein Maßnahmenpaket realisiert, das die Vereinfachung und Beschleunigung der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen beinhaltet.

Ein "Anerkennungs-ABC“ soll als Wegweiser für eine leichtere und schnellere Anerkennung von ausländischen Berufs- und Bildungsqualifikationen dienen. Neben wichtigen Informationen über das österreichische Bildungssystem und über die unterschiedlichen Formen der Anerkennung von ausländischen Berufs- und Bildungsabschlüssen, informiert die Broschüre über die zuständigen öffentlichen Ansprechpartner und Anlaufstellen -aufgeschlüsselt auf alle Berufe in Österreich. Das "Anerkennungs-ABC“ liegt seit Mitte April beim Arbeitsmarktservice (AMS), beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) und beim Nationalen Informationszentrum für akademische Anerkennung (NARIC) auf.

AMS-Migrantenindex

Das Gesetz für den AMS-Migrantenindex ist am 1. Jänner 2012 in Kraft getreten. Erstmals wird der Migrationshintergrund von arbeitslos gemeldeten Personen erhoben; damit wird eine gezieltere Betreuung ohne zusätzliche Kosten möglich. Ein Arbeitsmarkt-Paket für Mangelberufe wurde mit einer Projektförderung von 1,8 Millionen Euro dotiert und ist seit 2012 wirksam. Gefördert werden unter anderem Projekte, die es ermöglichen, Migranten in Mangelberufen auszubilden, z. B. als Schweißer oder Dreher.

Integration braucht sowohl Anstrengungen der zugewanderten als auch der aufnehmenden Bevölkerung. Sorgen und Ängste der Mehrheitsbevölkerung müssen ebenso berücksichtigt werden wie die Bedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Wie erwähnt, soll nicht die Herkunft eines Menschen zählen, sondern die Leistung, die jemand erbringt. Wie wir mit diesen Themen umgehen, uns Herausforderungen stellen und Lösungen schaffen, wird unsere Gesamtgesellschaft entscheidend beeinflussen.

"Dialogforum Islam“

Die Einrichtung des "Dialogforums Islam“ im Jänner 2012 ist durchaus eine Anknüpfung an die historischen Schritte - angefangen mit dem Islamgesetz 1912 und fortgesetzt mit der Etablierung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Das "Dialogforum Islam“ soll bis Ende 2012 ein Vorschlagspapier an die Bundesregierung ausarbeiten - mit sieben Themenfeldern, darunter die Ausbildung der Imame.

In Österreich war Zwangsheirat bislang zwar als schwere Nötigung schon strafbar, aber es galten Ausnahmen. Diese Lücken wurden mit einer Novelle zum Strafgesetzbuch geschlossen. Wer jemanden zur Ehe zwingt, wird seit 1. Jänner 2012 auch bestraft, wenn die Zwangsverheiratung im Ausland stattgefunden hat und entweder Täter oder Opfer die österreichische Staatsbürgerschaft haben oder in Österreich wohnen. Der Strafrahmen liegt bei sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe. Experten schätzen, dass es pro Jahr in Österreich rund 200 Fälle von Zwangsverheiratung gibt.

In der Steiermark und in Kärnten war es rechtlich nicht möglich, dass Menschen, die nicht die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes hatten, Mitglieder einer Freiwilligen Feuerwehr werden konnten. In der Ehrenamtlichkeit und Freiwilligentätigkeit darf es aber keine Grenzen geben. Der Staatssekretär für Integration führte daher im Vorjahr mit den verantwortlichen Landespolitikern Gespräche, mit dem Ergebnis, dass die Landesfeuerwehrgesetze entsprechend geändert wurden - in der Steiermark im Dezember 2011 und in Kärnten im März 2012.

Weitere Projekte

Am Projekt "Zusammen:Österreich“ haben sich bereits mehr als 200 Schulen und 130 "Integrationsbotschafter“ beteiligt. Das Projekt läuft zwei Jahre, um Jugendliche zu mehr Leistung zu motivieren.

Mit Unterstützung des Integrationsstaatssekretariats hat das Migrantenmagazin "biber“ eine Journalisten-Akademie eingerichtet, in der 20 talentierte Jungredakteure mit Migrationshintergrund auf den Alltag in Zeitungs-, Magazin- und TV-Redaktionen vorbereitet werden sollen. Das Stipendienprogramm für Medienmitarbeiter zwischen 18 und 28 Jahren begann im Juli 2011 und wird heuer fortgesetzt.

Mit dem "Gemeindepakt“, für den 1,2 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sollen ab heuer Integrationsprojekte in den Gemeinden gefördert werden.

Mit dem beruflichen Netzwerk "Mentoring für MigrantInnen“ werden gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreichs und den Projektpartnern ÖIF und AMS qualifizierte Migrantinnen und Migranten bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt. Der Staatssekretär für Integration ist einer der Mentoren. 

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