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Religionsfreiheit vor der UNO

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Die in New York tagende UNO- Kommission für die Menschenrechte prüfte in den letzten Monaten den Plan einer Erklärung über die Abschaffung der Intoleranz in Sachen der Religion, über die die Vollversammlung der Vereinten Nationen abstimmen soll. Er ist die Frucht von nunmehr sieben Jahre währenden Arbeiten. Pater de RIEDMATTEN (Dominikanerorden), geistlicher Berater der Informationsstelle der Internationalen Katholischen Organisationen, hat den Fortgang dieser Arbeiten genau verfolgt. Wir haben ihn gebeten, uns über ihren gegenwärtigen Stand zu berichten.

FRAGE: Die Arbeiten der Vereinten Nationen über die Religionsfreiheit haben bisher in der öffentlichen Meinung keinen starken Widerhall gefunden. Glauben Sie, daß sie konkrete Auswirkungen auf das religiöse Leben und die Religionsfreiheit in der Welt haben werden?

ANTWORT: Die gegenwärtig ausgearbeiteten Pläne sind aus zwei Gründen sehr bedeutungsvoll. Erstens wird die Erklärung, über die man schließlich abstimmen wird, möglicherweise den Maßstab bilden, nach dem man bei der UNO im Fall religiöser Diskriminierung urteilen wird. Jeder diskriminierende Akt, jede Einschränkung der Religionsfreiheit, die nicht ausdrücklich gegen diesen Text verstößt, wird nur schwer vor der internationalen Organisation und den angeschlossenen Institutionen klagbar sein. Darüber hinaus hat dieser Text große Aussichten, den neuen Staaten bei der Schaffung ihrer Verfassungen als Basis zu dienen. Anderseits wird man sich nicht mehr mit einer bloßen Erklärung zufriedengeben: Früher oder später wird eine internationale . Qber įįjį. Frage der religiösen :.i nteleranii?’- geschaffen Werden. , Ein solches Abkommen aber, unabhängig davon, wie viele Staaten es unterzeichnen, wird ein internationales Dokument, das Recht setzt. Es hat bindende Kraft für alle Beteiligten. Man wird immer sagen können, daß diejenigen, die ihre Unterschrift verweigern, Furcht vor einer Regelung der Religionsfreiheit auf der Grundlage der liberalen Sicht haben, unter der die Vereinten Nationen sie verwirklicht wissen wollen. Man verstehe recht: Diskussionen über internationale Abmachungen, von denen die große Öffentlichkeit praktisch nichts weiß und die nicht unmittelbar Recht für die einzelnen Nationen schaffen, sind Diskussionen von außerordentlicher Bedeutung, denen die öffentliche Meinung und — in unserem Fall — die christliche Meinung, die katholische Meinung, größtes Interesse entgegenbringen sollten.

FRAGE: Worum ging es im wesentlichen bei dieser Debatte?

ANTWORT: Es ging darum, welche Auffassung von der Religion der endgültige Text der Erklärung sich zu eigen machen soll. Man läuft die Gefahr der Schaffung einer Deklaration, die sich praktisch als Bestätigung einer Auffassung auswirken wird, wonach die Religion ein rein subjektives Faktum ist, dem die Staaten nicht den Respekt versagen, weit davon entfernt, aber deren äußere Manifestationen ausnahmslos im Namen der öffentlichen Ordnung oder des Gemeinwohls von den Staaten reglementiert werden können.

Die Religion aber kann nicht mit anderen persönlichen Auffassungen gleichgesetzt werden. Die religiösen Überzeugungen beziehen sich auf ein Transzendentes, das die großen Entscheidungen bestimmt, das das ganze Leben des Gläubigen durchdringt. Sein Menschenschicksal ist es, was mit seiner Religion in Frage steht. Das Recht auf Religionsfreiheit hat daher tiefere Wurzeln als der Staat und ist älter als dieser.

Hieraus folgert eine Bestätigung der Menschenwürde, die auch den Schutz der übrigen Freiheiten beinhaltet. Ich glaube, dieser Punkt ist von höchster Wichtigkeit. Solange der Schutz der Freiheiten nur durch einen gewissen allgemeinen Konsens und ein gewisses Akzeptieren einiger Prinzipien seitens des Staates gesichert ist, ohne daß wenigstens die Möglichkeit bestünde, das Bestehen tiefreichender objektiver Gründe zu bestätigen, bleibt dieser Schutz prekär.

Es ist äußerst wichtig, diese Möglichkeit eines Offenseins für das Transzendente zu sichern. Die heutige internationale Gesellschaft beruht, wenn nicht dem Buchstaben, so zumindest den Fakten nach, auf dem Grundsatz, daß der Staat stets das letzte Wort hat. Dieses letzte Wort kann man einem Staat nur entziehen, indem man ihn in der Vollversammlung durch eine Gruppe von Staaten anklagen und überstimmen läßt, die hinreichend stark dafür ist. Anders gesagt, wenn heute die Erklärung über die Religionsfreiheit nicht die Eigenart der Religion berücksichtigt, wenn man dahin neigt, die Religion auf Fragen der Uberzeugungs- und Meinungsfreiheit zu beschränken, dann wird man praktisch damit bestätigt haben, daß es der Staat ist, der in letzter Instanz darüber entscheidet, was in Sachen Religion erlaubt ist und was nicht. Hört man gewisse Erklärungen über diese Frage in den internationalen Organisationen, so kann man sich nicht der Besorgnis erwehren, denn es ist gewiß, daß für viele Vertreter der Regierungen die Dinge so und nicht anders liegen. Man will zwar der Religion Garantien und Freiheiten zubilligen, aber man will, daß diese Garantien und diese Freiheiten strikt der Kontrolle des Staates unterstellt sind.

Eine weitere wichtige Frage: Wird man für den Schutz der Religionsfreiheit als solcher gegen alles, was sie gefährden könnte, Sorge tragen? Oder wird man lediglich den Schutz der religiösen Gruppen (zum Beispiel ,„eiö( B religiösen Minderheit bezüglich “einer religiösen Mehrheit) vorsehen? Oder auch, wie es etwa die polnischen Delegierten wünschen, wird man den Text auf den Schutz der Religionslosen gegen unbilligen Druck ausdehnen, den religiöse Gruppen gegen sie ausüben könnten?

Da heute die schwerwiegendsten Probleme hinsichtlich der Religionsfreiheit nicht in erster Linie solche der Beziehungen zwischen religiösen Grüpjpen sind, sondern die Fragen der Stellung der Religion in der internationalen und staatlichen Gesellschaft, heißt es darüber wachen, daß die Sehweise der Erklärung von Anfang an genau geklärt wird.

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