Keiner einfacheren Frage als "Was heißt heute ‚christlich‘?“ stellte man sich beim diesjährigen Kardinal König Symposium in Wien.
"N icht dogmatisch, sondern ganz konkret und für all jene verstehbar, in denen das Feuer für den christlichen Glauben noch nicht erloschen ist“ beschrieb Heinz Nußbaumer, FURCHE-Herausgeber und Vizepräsident der Kardinal König Stiftung“, die Zugangsweise an die Leitfrage des Symposiums. Bei der gemeinsamen "Spurensuche in einer unübersichtlichen Welt“ arbeiteten sich die Teilnehmer im Wiener Kardinal König Haus von außen nach innen an den Kern des Christentums heran.
In einem ersten Schritt stellte man sich die Frage "Wie leben wir?“. Eine Standortbestimmung sollte dabei helfen, "genau hinzuschauen und hinzuhören“ und die Wahrnehmung zu schärfen, so die Moderatorin Veronika Prüller-Jagenteufel.
Die Mitherausgeberin der Österreichischen Wertestudie 1990-2008, Regina Polak, lieferte dazu statistische Daten zur "österreichischen Seele 2011“: Ausländerfeindlichkeit, aber auch sinkendes Interesse an Demokratie bis hin zum Wunsch nach einem "starken Führer“ waren die negativen Tendenzen, die laut Polak vor allem unter Jugendlichen zu beobachten seien. Positives wie gelingende solidarische Projekte inner- und außerhalb der Kirche vermisst die Theologin im medialen Diskurs. Auch wenn es sie faktisch gebe, finde man sie nicht in ihren Studien: "Es ist statistisch nicht signifikant.“ Jedoch sichtbar zu machen, "wo es funktioniert“, könne motivieren, ist Polak überzeugt.
Sinkendes Interesse an der Demokratie
In dieselbe Kerbe schlug Kurt Scholz, Mitglied der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft. Er kritisierte die "Konzentration auf das, was Sorgen macht“ und dass dabei Anderes übersehen werde: Der Österreicher interessiere sich offenbar für die "negative, traurige Diagnose“ mehr als für die Therapievorschläge dagegen.
"Ich nehme wahr, dass wir immer weniger wahrnehmen wollen“, unterstrich Michael Chalupka von der evangelischen Diakonie. Er könne beobachten, dass in Österreich "gewisse Dinge ausgeblendet“ werden. Als Beispiel führte er das Bettelverbot an: "Arme wollen wir nicht sehen - als ob es sie nicht gebe.“
Die Jugend, die im Zentrum der Diskussionen stand, nahm selbst am Symposium nicht teil. Jedoch am parallel dazu veranstalteten Taizé-Treffen in der Konzilsgedächtniskirche Wien-Lainz und anderen Pfarren rund ums Kardinal König Haus begleiteten diese das Symposium "im Gebet“ und umrahmten es damit.
Um auf der Suche nach den Spuren heutigen Christseins tiefer eintauchen zu können, musste auf die Standortbestimmung die Frage "Wonach sehnen wir uns?“ folgen. Auf diese versuchte der Leiter der Gemeinschaft von Taizé, Frère Alois, eine Antwort zu geben (vgl. Seite 21).
Weil der christliche Glaube in Zeiten, in denen man nicht mehr selbstverständlich einer Kirche zugehört, das Moment der Entscheidung in sich trägt, näherte sich der Sozialethiker Clemens Sedmak der dritten Leitfrage "Wofür entscheiden wir uns?“ an (vgl. Beitrag links).
"So viele Definitionen wie Menschen“
"Was heißt heute ‚christlich‘?“ war der Titel, unter dem man sich zur christlichen Spurensuche getroffen hatte. Dass der Versuch, die Frage mit ein paar Sätzen abzuhandeln, nicht angemessen sein kann, war nicht nur den Veranstaltern des Symposiums (neben dem Kardinal König Haus auch die Kardinal König Stiftung und die Stiftung Pro Oriente) bewusst. Dennoch wurde explizit die Frage "Was ist für Sie ‚christlich‘?“ gestellt - auch wenn Referenten wie Teilnehmer darauf keine allgemein gültige Antwort formulieren konnten.
Cécily Corti, die die Obdachloseneinrichtung "VinziRast“ leitet, weitete die Frage aus: "Was heißt es für mich Mensch zu sein?“ Für sie sei, wie sie selbst sagte, die "VinziRast“ der "Ort, wo ich Ausdruck geben kann, woran ich glaube.“
Auf die Herausforderung an Christen, "der Gesellschaft zu zeigen, wie man trotz Unterschieden versöhnt miteinander umgehen kann“, wies der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl hin. Gerade in der Gemeinschaft von Taizé zeige sich das vorbildlich, ist Krätzl überzeugt: Hier würden die Identitäten der Kirchen gewahrt, aber trotzdem gemeinsam gebetet werden.
Auf die Leitfrage des Symposiums, was heute "christlich“ heißt, gab Annemarie Fenzl, die frühere Sekretariatsleiterin von Kardinal König, zu bedenken, dass es dafür so viele Definitionen wie Menschen gebe.
Und seiner evangelischen Tradition verpflichtet verwies der Direktor der Diakonie Österreich, Michael Chalupka, auf die Heilige Schrift: "Gott hat in Jesus gezeigt, wie christlich leben geht.“ Eine klare, wenn auch nicht einfache Antwort auf die nicht weniger einfachere Frage.
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