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Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland wird das größte Sportfest aller Zeiten: Ab 9. Juni werden Millionen Zuseher vor Großleinwänden oder ihrem privaten TV-Gerät mitfiebern und-bangen, wenn 32 Nationalmannschaften in 64 Spielen einander am grünen Rasen zu überdribbeln versuchen - bis die beste Elf am 9. Juli in Berlin (unter der Anteilnahme einer Milliarde Menschen) eine goldene Trophäe in die Höhe hält. Ein Dossier über den globalen Taumel um das runde Leder. Redaktion: Doris Helmberger, Otto Friedrich, Wolfgang Machreich.

Fußball-WM? Das ist Kunst

Alle Termine abgesagt, die Getränke eingekühlt: Die Fußball-WM kann beginnen. Endlich wieder allabendlich großes Theater im Fernsehen: Virtuosität, Leidenschaft und Dramatik. Aber anders als in der Oper weiß man nicht, wie ein Fußballspiel ausgeht. Dass die sprichwörtlichen Bloßfüßigen - jene also, die sich keine Fußballschuhe leisten können - gegen millionenschwere Stars den Sieg davontragen können, gehört zum Faszinosum dieses Sports. Der spezielle Reiz einer Weltmeisterschaft liegt darin, dass nicht Geld, sondern die Zufälligkeit der Staatszugehörigkeit über die Mannschaftszusammensetzung entscheidet.

Fußball wird immer mehr zur Projektionsfläche aller möglichen soziologischen, politischen oder ästhetischen Theorien, aber in erster Linie ist Fußball ein Spiel. Ein Spiel allerdings, an dem die Emotionen von Abermillionen hängen. Die Faszination beginnt mit dem ganzen Drumherum: dem Jubel und den Tränen der Fans, den inbrünstig gesungenen Nationalhymnen, aber auch den undurchsichtigen Machenschaften des Weltfußballverbandes FIFA und dem Wahnsinn, den die Sponsoren aufführen.

Was ein Ronaldinho mit dem Ball macht, das ist höchste Kunst. Wenn sich der derzeit beste Spieler der Welt mit dem Ball am Fuß durch eine Gruppe von drei, vier Gegenspielern zaubert, dann löst dies bei den Freunden des Fußballs das gleiche aus, wie eine aberwitzige Koloratur von Cecilia Bartoli bei den Freunden der italienischen Oper.

So richtig packend wird es aber erst, wenn man emotional beteiligt ist. Wer wünscht nicht Underdogs wie Trinidad/Tobago oder Togo den Aufstieg ins Achtelfinale? Außerdem gibt es Mannschaften, denen man jede Niederlage gönnt, etwa die Italiener: lauter Weltklassefußballer, aber wehe, sie schießen das erste Tor, dann wird nur noch gemauert. Widerlich! Die Erfahrung zeigt jedenfalls, dass man einem hochklassigen Spiel nicht neutral zusehen kann: Auf Grund ihrer Spielweise oder ihrer Beherztheit schlägt man sich bald auf die Seite einer Mannschaft und fiebert mit - neunzig Minuten lang.

Michael Kraßnitzer

Fußball-WM? Das ist Brutalität

Auszeit, bitte, nicht auch noch Fußball! Kaum ist die Schi-Saison vorbei und hat die Formel i das Fernsehprogramm gestreift, schon ist Anpfiff zur WM. Was bedeutet, dass sich alles um das runde Leder dreht. Sogar Zeitungen, die ihre Leser sonst nicht mit Sportteilen belästigen, widmen dem Fußball ganze Dossiers. Vom Fernsehen gar nicht zu reden ... Nicht dass ich grundsätzlich etwas dagegen hätte, dass erwachsene Männer sich um einen Ball balgen. Ich mag ihnen nur nicht zusehen, wie sie per Kopfball ihre Gehirnzellen ins Nirwana befördern. Oder wie sie auf Rasen spucken, in Schienbeine treten und dem Schiedsrichter ihre Mittelfinger entgegenstrecken.

Und um es gleich klarzustellen: Dieses Unverständnis für die Faszination des Fußballspiels gründet nicht in mangelndem Wissen. Ich weiß sehr wohl, wie sich die Abseitsfalle definiert und was eine Blutgrätsche ist. Und damit niemand behauptet, ich hätte nur eine theoretische Ahnung, wovon ich rede, gestehe ich erstmals öffentlich: Ich war in Fußballstadien. Bei Fußballmatches. Zweimal. Einmal, als Schwarzweiß Bregenz auf den SCR Altach prallte - um es mit Helmut Qualtinger zu sagen: Das war Brutalität. Nicht weil die Spieler so aggressiv gewesen wären. Nur stand neben mir ein Altach-Fan, der mittels zweckentfremdetem Nebelhorn mein Hörvermögen vorübergehend ins Out kickte.

Das zweite Mal, Feyenoord Rotterdam gegen Rapid, war schon weniger brutal. Die mich umgebenden Rapid-Anhänger bewegten sich deutlich mehr als die 22 Herren auf dem Rasen, und so vertrieb ich mir die Zeit mit der Beobachtung ersterer, während letztere dann doch irgendwann den Ball in eines der Tore beförderten (es war jenes der Niederländer). Das hab ich auf Grund meiner Fan-Studie natürlich nicht gesehen. Angeblich habe ich dadurch den Höhepunkt des Spiels nicht mitbekommen. Ich bin mir sicher: Verpasst habe ich trotzdem nichts.

Seither bin ich dem Fußballsport großräumig ausgewichen. So werde ich es auch in den kommenden Wochen halten. Und entgegen anderslautenden Behauptungen: Verpassen werde ich trotzdem nichts. Claudia Feiertag

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